In einer regionalen Umfrage überholt China erstmals die USA als bevorzugter Partner. Peking punktet mit seiner wirtschaftlichen Potenz. Mängel zeigen sich anderswo.
Das geopolitische Ringen zwischen den Grossmächten USA und China ist auch ein Kampf um die öffentliche Meinung in Drittländern. Besonders ausgeprägt ist dieser in Südostasien in Chinas unmittelbarer Nachbarschaft. Da lässt es aufhorchen, dass in einer bekannten regionalen Umfrage China erstmals vor den USA liegt.
Malaysia, Indonesien und Laos sehen China am positivsten
Wenn sich die Assoziation Südostasiatischer Länder (Asean) gezwungen sähe, sich mit einem der strategischen Rivalen zu verbünden, welchen sollte sie wählen? – so lautete die Frage, welche das Yusof Ishak Institute im Januar und Februar fast 2000 Teilnehmern aus den zehn Mitgliedländern der Asean stellte. In der sechsten Auflage der Umfrage schwang China erstmals obenaus, wenn auch nur haarscharf: 50,5 Prozent bevorzugen Peking, 49,5 Prozent Washington.
In Malaysia, Indonesien, Laos und Brunei kommt die Volksrepublik auf mehr als 70 Prozent Zustimmung – die ersten drei dieser Länder profitieren stark von der chinesischen Belt-and-Road-Initiative. Die damit verbundenen Investitionen in Infrastruktur sind nicht nur sehr sichtbar, sie wirken sich auch häufig positiv auf das tägliche Leben der Bevölkerung aus. So wurde die Reisezeit zwischen den indonesischen Städten Jakarta und Bandung mit der Eröffnung einer von China gebauten Hochgeschwindigkeitszugstrecke von über drei Stunden auf weniger als eine Stunde reduziert.
Washington erhält die höchsten Zustimmungsraten in den Philippinen und Vietnam – beide Länder sehen sich ständig von China bedrängt im Südchinesischen Meer. Auch in Singapur, Myanmar und Kambodscha liegen die USA in der Gunst der Befragten noch vorn, wenn auch weniger deutlich.
Die Ansichten in der Asean klaffen weit auseinander
Diese Ergebnisse zeigen, wie gespalten die Asean in dieser Frage ist – wie in vielen anderen Fragen auch. Die zehn Asean-Länder sind geprägt durch grosse kulturelle, religiöse, geografische und wirtschaftliche Unterschiede. Da die Asean als Organisation ihre Entscheide im Konsens fällen muss, schafft sie es häufig nicht, zu einem Entschluss zu kommen. Eine Kritik an einer Asean-weiten Umfrage ist denn auch, dass Durchschnittswerte von Antworten aus einer so diversen Region nur beschränkt aussagekräftig sind.
Dennoch sind einzelne Details interessant. So wird deutlich, dass die positive Sicht Chinas in erster Linie auf der wirtschaftlichen Potenz des Landes in der Region fusst. Das Vertrauen in Peking, «das Richtige zu tun, um zu globalem Frieden, Sicherheit, Wohlstand und guter Regierungsführung beizutragen», ist gering. Nur 24,8 Prozent stimmen dem ganz oder teilweise zu; 50,1 Prozent widersprechen dem ganz oder teilweise.
Auf das grösste Vertrauen in der Region stösst Japan (58,9 Prozent positiv, 19,8 Prozent negativ). Die zahlreichen Initiativen Tokios etwa bei Infrastruktur oder maritimer Sicherheit – die meist ohne grosse Fanfare stattfinden – stossen auf Anklang. Auch die USA werden von mehr Umfrageteilnehmern als vertrauenswürdig (42,4 Prozent) denn negativ beurteilt (37,6 Prozent).
Die Grossmachtrivalität ist nicht das grösste Problem der Asean
Wenn die Region von aussen oft als geopolitisches Spielfeld von Grossmächten betrachtet wird, entspricht das nur bedingt der Wahrnehmung in den Asean-Ländern. Gefragt nach den drei grössten Herausforderungen für die Region, werden zuerst «Arbeitslosigkeit und Rezession», dann «Klimawandel und extreme Wetterphänomene» und erst an dritter Stelle «Rivalität zwischen den Grossmächten» genannt.
Auch die wachsende wirtschaftliche Ungleichheit kommt noch vor militärischen Spannungen in regionalen Krisenherden, wie dem Südchinesischen Meer, der Strasse von Taiwan oder auf der koreanischen Halbinsel. In den Philippinen, das den militärischen Druck Chinas sehr direkt ausgesetzt ist, nimmt dieses Thema hingegen oberste Priorität ein.
Bei aller Diversität findet sich in der Politik der Regierungen der Asean-Länder eine Konstante: Alle versuchen auf ihre Art und Weise eine Balance zwischen den beiden Grossmächten zu finden. So bemühen sich auch die Philippinen, welche in der Sicherheit voll auf die USA setzen, um eine einigermassen stabile Beziehung mit China. Umgekehrt brechen Laos oder Kambodscha, die sehr eng mit Peking verbunden sind, ihre Kontakte mit Washington nicht ab.
Dieser Wunsch, sich nicht entscheiden zu müssen, zeigt sich in der Umfrage: Nur gerade 8 Prozent der Befragten sagen, dass sich die Asean für die eine oder andere Grossmacht entscheiden und sich mit ihr verbünden solle. Am meisten Zustimmung (46,8 Prozent) hat der Vorschlag, dass Asean ihre Resilienz und Einheit stärken müsse, um weniger anfällig für Einflussnahme von aussen zu sein. Dazwischen liegen die Strategien der Neutralität oder verstärkten Anlehnung an Drittparteien wie die EU, Japan oder Indien, um so mehr Spielraum zu erhalten.