Elon Musk hat als Datum für die Lancierung eines Tesla-Robotaxis Anfang August angegeben, verrät jedoch keine Details. Derweil beginnen die Spekulationen um die Marktchancen – im Lichte der jüngsten Rückschritte beim autonomen Fahren.
Tesla will sein seit langem in Aussicht gestelltes Robotaxi bereits am 8. August der Weltöffentlichkeit vorstellen. Der Firmenchef Elon Musk kündigte die Präsentation am Freitag auf seiner Online-Plattform X an. Weitere Angaben dazu gab es zunächst nicht. Das autonome Fahrzeug soll nach früheren Angaben auf einer neuen technischen Plattform basieren, die die Produktion effizienter und kostengünstiger machen soll.
Musk verspricht schon seit Jahren, dass Tesla-Fahrzeuge autonom fahren würden – und dies den Wert der Wagen und das Geschäftsmodell radikal verändern werde. Bis jetzt ist die Autopilot-Technik in Teslas Elektroautos jedoch lediglich ein Fahrassistenzsystem auf Autonomiestufe 2, das Kontrolle und Eingreifen durch einen Menschen am Steuer erfordert.
Anders als bereits in den USA aktive Robotaxi-Anbieter wie die Google-Schwesterfirma Waymo und das General-Motors-Unternehmen Cruise beteuerte Musk stets, er wolle nur Kameras einsetzen und auf die teureren Laser-Radare (Lidar) verzichten, die die Umgebung von Fahrzeugen abtasten. Dieser Ansatz ist bei Fachleuten umstritten. In der Vergangenheit kam es zu Unfällen, nachdem Autopilot-Kameras von der Sonne geblendet worden waren – und die Fahrer sich zu sehr auf die Technik verlassen hatten.
Immer wieder Zwischenfälle mit dem Autopilot-System
In Kalifornien geht demnächst ein Prozess um den Tod eines Tesla-Fahrers im März 2018 in die entscheidende Phase. Sein Wagen war mit eingeschaltetem Autopilot-System auf einem Highway im Silicon Valley gegen einen Betonpoller gefahren. Die US-Unfallermittlungsbehörde (NTSB) führte das Unglück auf Grenzen des Systems sowie Unachtsamkeit des Fahrers zurück. Der Autopilot sei möglicherweise einer falschen Spurmarkierung gefolgt und habe das Auto bei einer Geschwindigkeit von mehr als 100 Kilometern pro Stunde direkt auf den Poller gesteuert.
Der Tesla hat gemäss NTSB keinen rechtzeitigen Warnhinweis auf ein Hindernis gegeben. Die Datenaufzeichnungen zeigten, dass der Fahrer die Hände nicht am Steuer gehabt hatte. Möglicherweise habe er ein Smartphone-Spiel genutzt. Tesla will in dem Prozess darauf verweisen, dass er abgelenkt gewesen sei.
In den USA können Tesla-Fahrer derzeit eine fortgeschrittene Autopilot-Version mit der Bezeichnung Full Self-Driving (FSD, komplett selbstfahrend) testen. Bis anhin werden die Wagen trotz dem Namen auch damit nicht zu autonom fahrenden Autos. Die Menschen am Steuer tragen weiterhin die Verantwortung, und in Videomitschnitten war zu sehen, dass sie immer wieder eingreifen mussten, um Unfälle durch Fehler der Software zu verhindern. Derzeit enthält das FSD-System die Zusatzbezeichnung «Supervised», um darauf hinzuweisen, dass der Tesla-Fahrer jederzeit die Fahrverantwortung behält und im Notfall selbst eingreifen muss.
Es ist unklar, ob Musk die Robotaxis – seinem Credo bei den bisherigen Tesla-Modellen folgend – nur mit Kameras fahren lassen will. Doch selbst wenn sie mit Lidar-Systemen ausgerüstet sind, kann es zu unerwarteten Zwischenfällen kommen, wie Vorfälle mit fahrerlosen Cruise-Robotaxis in San Francisco offenbarten.
Im vergangenen Herbst geriet Cruise ins Visier der Verkehrssicherheitsbehörden, als eines der Elektrofahrzeuge der Firma eine gestürzte Fussgängerin mehrere Meter mitschleifte. Dies führte zu einer vorläufigen Einstellung des Betriebs von Cruise-Robotaxis in San Francisco. Zudem kürzte der GM-Konzern sein Budget fürs autonome Fahren um eine Milliarde Dollar und baute Stellen ab.
Deutlich besser sieht es für den zweiten in der Stadt an der Pazifikküste operierenden Fahrdienst, Waymo, aus. Die Google-Schwester hatte im Betrieb bisher keine nennenswerten Probleme. Sie erhielt Anfang März die Bewilligung der Behörden, ihren Robotaxi-Dienst von San Francisco ins Silicon Valley sowie auf Teile von Los Angeles auszuweiten. Noch zögert Waymo jedoch, die Expansion voranzutreiben.
Das Vertrauen in selbstfahrende Autos nimmt ab
Seit dem Rückzug von Cruise und der Zurückhaltung von Waymo herrscht weltweit Ernüchterung ob der nur langsam fortschreitenden Entwicklung von fahrerlosen Autos im belebten Strassenverkehr. «Mittlerweile hat sich die Erkenntnis breitgemacht, dass die Entwicklung autonomer Fahrzeuge nicht in zwei oder drei Jahren erledigt ist, sondern eher in zehn oder zwanzig Jahren», sagte Philip Koopman, Professor an der Carnegie-Mellon-Universität in Pittsburgh, gegenüber Reuters. «Tesla weiss das mittlerweile auch.»
Und das Rennen um das selbstfahrende Auto fordert immer mehr Opfer. Vor wenigen Tagen schloss die im Silicon Valley ansässige Firma Ghost Autonomy ihre Pforten. Sie beschäftigte sich weltweit mit Software fürs autonome Fahren, sah aber schliesslich kaum Chancen, damit die Gewinnzone zu erreichen.
Sollte Tesla künftig auf selbstfahrende Elektroautos setzen, könnte die Komplexität der dafür nötigen Technologie zu einem gesteigerten Risiko für den jüngst unter Druck geratenen Hersteller werden. Insbesondere ein Verzicht auf Lidar-Sensoren aus Kostengründen könnte zwar entscheidende Investitionen auf dem Weg zu einem kostendeckenden Produkt einsparen, doch die Funktionalität der Robotaxis enorm einschränken. «Das ist wie das Fesseln einer Hand am Rücken», sagte Koopman zu Reuters. Zudem müsse das perfekte Funktionieren eines autonomen Autos während ein bis zwei Jahren ohne jeglichen Zwischenfall nachgewiesen werden. Die Autoindustrie sei davon jedoch noch weit entfernt.
Bereits vor acht Jahren hatte Tesla verkündet, alle seine Fahrzeuge autonom fahrfähig zu machen. Doch nach immer wieder vorkommenden Unfällen mit dem derzeit auf Autonomiestufe 2 operierenden Autopiloten mit FSD-System dürfte Elon Musks Firma noch weit vom gesteckten Ziel entfernt sein.
Tesla Robotaxi unveil on 8/8
— Elon Musk (@elonmusk) April 5, 2024
Die Tatsache, dass Musk nun ein Präsentationsdatum des Tesla-Robotaxis für August ankündigt, bedeutet ein Vorpreschen in einer Zeit, wo die Skepsis gegenüber dem Autopilot-System nicht nachlassen will. Wie man aus der Tesla-Geschichte weiss, bedeutet eine Fahrzeugvorstellung noch nicht die sofortige Produktion. Der Cybertruck wurde 2019 der Weltöffentlichkeit präsentiert, ging jedoch erst vier Jahre später in die Serienproduktion.