Im US-Gliedstaat Arizona hat das höchste Gericht ein 160 Jahre altes Gesetz, das den Schwangerschaftsabbruch fast vollständig verbietet, wieder in Kraft gesetzt. Die Reaktionen auf dieses Urteil zeigen, wie heftig in den USA immer noch über Abtreibungen diskutiert wird. Auch Donald Trump ist es bisher nicht gelungen, diese Debatte zu beenden.
Ein wegweisendes Urteil des höchsten Gerichts im amerikanischen Gliedstaat Arizona. Mit 4 zu 2 Stimmen entschied der Supreme Court in Phoenix am Dienstag, ein strenges Abtreibungsgesetz aus dem Jahr 1864 für gültig zu erklären. Das Gesetz, das erlassen wurde, als Arizona noch kein US-Gliedstaat war, könne «nun durchgesetzt» werden, hielt die Mehrheit des Gerichts in ihrem Urteil fest. (Aufgrund zahlreicher laufender Rechtsverfahren wird das Gesetz wohl dennoch erst frühestens im nächsten Monat in Kraft treten.)
Das Gesetz aus dem 19. Jahrhundert sieht ein fast vollständiges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen vor. Abtreibungen sind demnach im 7 Millionen Bewohnerinnen und Bewohner zählenden Gliedstaat nur noch erlaubt, wenn das Leben der werdenden Mutter gefährdet ist. Auch könnten Ärzte, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden. «Das ist ein enormer Sieg», sagte Marjorie Dannenfelser, die Präsidentin der Anti-Abtreibungsorganisation SBA Pro-Life America.
Linke Kreise kritisierten das Urteil umgehend in scharfen Worten. Präsident Joe Biden nannte es in einer schriftlichen Stellungnahme «das Ergebnis des extremistischen Programms gewählter republikanischer Amtsträger». Kritik setzte es auch von einigen republikanischen Politikern ab. So sagte Kari Lake, die Galionsfigur des rechten Flügels der Republikanischen Partei in Arizona: Das Gesetz, das noch vor der Aufnahme von Arizona in die Union entstanden sei, stehe nicht im Einklang mit dem Willen der Bevölkerung.
My statement regarding today’s Arizona Supreme Court Abortion Ruling⤵️ pic.twitter.com/bNAjXd80TN
— Kari Lake (@KariLake) April 9, 2024
Das neue, alte Verbot ersetzt eine Fristenregelung, die das Parlament von Arizona im Frühjahr 2022 genehmigt hatte. Diese Lösung hätte die Lücke füllen sollen, die im ganzen Land entstand, als der Supreme Court in Washington im Frühsommer 2022 das nationale Recht auf Abtreibungen (Roe v. Wade) kassierte. Das Gericht in Phoenix machte den Politikern nun aber einen Strich durch die Rechnung. Sie beschlossen, dass das 1864 verabschiedete Gesetz Vorrang geniesse.
Kritik an Trumps Positionsbezug
Im Wahljahr 2024 kommt damit auf Arizona, einem politisch umkämpften Gliedstaat, erneut eine Debatte über das Recht auf Abtreibung zu. Lake, die im November in den US-Senat gewählt werden möchte, forderte das Lokalparlament auf, schnell eine bessere Lösung zu finden. Linke Aktivisten möchten gleichzeitig mit dem nationalen Urnengang im November ein Referendum über Schwangerschaftsabbrüche ansetzen.
Das ist eine Diskussion, der die Republikaner eigentlich aus dem Weg gehen möchten – weil zahlreiche Abstimmungen in den vergangenen zwei Jahren klar gezeigt hatten, dass eine Bevölkerungsmehrheit die umfassende Einschränkung des Rechts auf Abtreibung ablehnt. Und weil kein anderes Thema das Fussvolk der Demokratischen Partei derart motiviert wie der Streit um Schwangerschaftsabbrüche.
Das weiss auch Donald Trump, der designierte republikanische Präsidentschaftskandidat. Zu Wochenbeginn gab der Ex-Präsident deshalb in einer Videobotschaft bekannt, er sei ein Anhänger eines föderalistischen Lösungsansatzes – jeder Gliedstaat könne demnach entscheiden, ob Abtreibungen erlaubt seien oder nicht.
Mit dieser Stellungnahme wollte Trump eigentlich die schwärende Diskussion über ein nationales Abtreibungsverbot in seiner Partei beenden. Das gelang ihm aber nicht, auch weil er aus Angst vor starken Gegenreaktionen zu vagen Worten griff. So wurde Trump ausgerechnet von Mike Pence attackiert, seinem ehemaligen Stellvertreter. Der Ex-Vizepräsident nannte Trumps Positionsbezug auf dem Kurznachrichtendienst X (früher: Twitter) «eine Ohrfeige» für religiöse, republikanische Wähler.
President Trump’s retreat on the Right to Life is a slap in the face to the millions of pro-life Americans who voted for him in 2016 and 2020. By nominating and standing by the confirmation of conservative justices, the Trump-Pence Administration helped send Roe v. Wade to the…
— Mike Pence (@Mike_Pence) April 8, 2024
Trump hatte zuletzt den Eindruck erweckt, er befürworte eine nationale Fristenlösung. So sprach er sich wiederholte Male dafür aus, einen Schwangerschaftsabbruch bis zur 16. Woche zu erlauben. Auch machte er sich für rechtliche Ausnahmen von dieser Fristenlösung stark, bei Vergewaltigungen, Inzest und wenn das Leben der Mutter in Gefahr sei.
Eine solche nationale Lösung wäre liberal gewesen, auch mit Blick auf europäische Staaten. (In der Schweiz ist der Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen seit Beginn der letzten Periode straflos.) Nun wählte Trump aber einen anderen Weg und stellt sich damit der Realität. Viele republikanische Lokalpolitiker halten wenig von Fristenlösungen. Abtreibungen sind derzeit in 16 der 50 Gliedstaaten fast vollständig verboten. In einer Reihe von weiteren Gliedstaaten – darunter auch Florida – ist eine umfassende Einschränkung von Schwangerschaftsabbrüchen vorgesehen.