Der Lausanne HC setzt sich gegen Gottéron durch und fordert ab Dienstag im Play-off-Final die ZSC Lions. Beim unterlegenen Widersacher stellen sich grundsätzliche Fragen.
Es hat sich zu einem Brauchtum entwickelt, dass National-League-Klubs im Play-off die langen, 18-minütigen Drittelspausen nicht nur dazu nutzen, lauwarme Hotdogs zu verkaufen. Sondern auch dazu, Teams zu ehren, für die im Alltag wenig Licht abfällt: Meistermannschaften aus dem Nachwuchs, erfolgreiche Frauen-Equipen. Fribourg-Gottéron tat das am Mittwochabend ebenfalls; der rührselige Präsident Hubert Waeber hielt eine stimmige Laudatio auf die Elitejunioren. Die Young Dragons hatten in der U-20-Meisterschaft so gut abgeschnitten wie seit dreissig Jahren nicht mehr.
Nur: Sie wurden nicht Meister, sondern Dritte. Die Episode verrät einiges über Fribourg-Gottéron. Diesen Klub, der auch im 87. Jahr seiner Existenz auf einen Titel wartet und sich so sehr nach Erfolg sehnt, dass auch eine Bronzemedaille in die Vitrine gestellt wird.
Knapp zwei Stunden später ist der Prachtbau BCF-Arena leer. Und Gottéron wieder um ein paar Illusionen ärmer. 2:4 verlor die Mannschaft die Partie und die Halbfinalserie gegen ein gewiss nicht übermächtiges Lausanne 1:4. Bei Andrei Bykow flossen Tränen – nach neunzehn Jahren im Klub war es sein Abschiedsspiel. Der mit hoher Sozialkompetenz ausgestattete Stürmer beendet seine Karriere mit 36, nachdem er keinen Vertrag mehr erhalten hat. In den Katakomben wird er von seinem Vater Slawa empfangen, der wichtigsten Lichtgestalt, die Gottéron je hatte. Wie schon Slawa blieb es Andrei Bykow verwehrt, mit diesem Verein Geschichte zu schreiben.
Es ist ein Schicksal, das auch Julien Sprunger droht, dem Captain und langjährigen Aushängeschild. Sprunger, 38, hat 2024/25 eine letzte Chance. Aber es fragt sich, ob der Kern dieser Mannschaft 2025 wirklich näher am Titel sein kann als gegenwärtig – mit Sprunger sind weitere Teamstützen in die Jahre gekommen: Der Torhüter Reto Berra ist 37, der Verteidiger Raphael Diaz 38, der Aggressivleader Chris DiDomenico 35.
Im Kader wird es nur sanfte Retuschen geben. Aber die kapitale Frage ist ohnehin die Zukunft von Christian Dubé. Neun Jahre ist es her, dass der Frankokanadier den fliegenden Wechsel vom Spieler zum Sportchef gewagt hat. Seit Oktober 2019 wirkt er auch als Trainer; vor wenigen Wochen hat er den Posten des General Manager an seinen vormaligen Assistenten Gerd Zenhäusern abgegeben.
Gottérons Heimspiele sind in Freiburg zu einem gesellschaftlichen Happening geworden
Neun Jahre sind eine Ewigkeit im Sport. 2015 coachte Arno Del Curto noch den HC Davos, und in Deutschland sagte Angela Merkel: «Wir schaffen das.» Kurz: Dubé wurde sehr viel Zeit und auch reichlich Geld gewährt, um die Mannschaft und in gewisser Weise auch den Klub nach seinen Vorstellungen zu modellieren. Er realisierte Prestigetransfers, etwa jene der Nationalspieler Berra, Diaz und Christoph Bertschy. 2022 und 2024 schloss Gottéron die Qualifikation jeweils auf Platz 2 ab. Freiburg ist heute eine Eishockey-Hochburg, die Heimspiele sind in der Stadt ein bedeutendes gesellschaftliches Happening; die Stadionauslastung lag in diesem Winter bei nahezu 100 Prozent.
An dieser Entwicklung hat Dubé einen nicht kleinen Anteil. Aber, und das ist die andere Wahrheit, in den neun Jahren seines Wirkens hat Gottéron den Viertelfinal nur zwei Mal überstanden. Und im Halbfinal exakt einen Sieg zustande gebracht, das 2:1 zum Auftakt gegen Lausanne vom 1. April. Man kann das stundenlang erklären: Verletzungspech, Ärger mit den Schiedsrichtern, keine Fortune im Abschluss. So ist der Sport, in einer auf Parität getrimmten Liga wie der National League wäre es vermessen, zu erwarten, dass Gottéron jedes Jahr den Final erreicht.
Aber ab und an müsste es vermutlich schon geschehen, wenn der Klub mit dem grössten Budget seiner Historie hantiert und die Mannschaft zu den kostspieligsten des Championnats gehört. Ein einziger Sieg in einer Halbfinalserie in neun Jahren ist eine dürftige Bilanz.
Das macht den Umstand bemerkenswert, dass es Dubé gelungen ist, sich so lange auf dem Posten zu halten. Aber an ihm ist nicht viel gewöhnlich. Manchmal wirkt es so, als hoffe die Chefetage, dass etwas vom flamboyanten, weltmännischen Auftreten dieses Dandys abfällt, so wie Sternenstaub. Sein nahezu unzerstörbares Selbstvertrauen hat etwas Vereinnahmendes, was anzukommen scheint bei den Männern an den Schalthebeln der Macht. Die interne Strahlkraft Dubés ist in all den Jahren jedenfalls ungebrochen geblieben. Man kann sich nicht richtig vorstellen, dass Gottéron mit einem seiner Vorgänger vergleichbar viel Geduld gehabt hätte.
Der Sportchef Gerd Zenhäusern coachte Dubé als Spieler und assistierte ihm als Manager – es wäre eine Überraschung, würde er ihn bald entlassen
Die Frage ist, was es braucht, damit Gottéron sich von Dubé emanzipiert, wenn sportliches Mittelmass so lange achselzuckend hingenommen wird. Der neue Sportchef Zenhäusern ist eine kluge, fähige Person, die seit Oktober 2014 in Freiburg arbeitet. Er ersetzte als Trainer den abgesetzten Hans Kossmann; jenen Kanadaschweizer, der Gottéron 2013 letztmals in einen Play-off-Final geführt hatte.
Zu Zenhäuserns Schützlingen gehörte unter anderem Dubé, ehe dieser die Karriere beendete. 2016 liess Zenhäusern sich nicht zuletzt aus familiären Gründen erst zum Nachwuchschef und später zum Assistenz-Sportchef umfunktionieren; ihn beerbte der Entertainer Larry Huras, was erwartungsgemäss für vorzügliche Unterhaltung und ungenügende Resultate sorgte. Der Punkt ist: Es wäre eine Überraschung, würde Zenhäusern quasi als erste Handlung in seiner neuen Tätigkeit den langjährigen Weggefährten und ehemaligen Chef absetzen.
Zenhäusern, 51, sagte am Mittwoch, dass es zu früh sei, über mögliche personelle Konsequenzen zu sprechen – er wolle der Analyse nicht vorgreifen. Der Walliser sagte aber auch: «Wir haben unser Saisonziel nicht erreicht. Das ist enttäuschend, weil ich zum ersten Mal während meiner Zeit hier gespürt habe, dass alle wirklich daran glauben, etwas Grosses erreichen zu können. Wir hatten ein gutes, breites Team und grosse Hoffnungen.»
Dass der Kosmos Gottéron in zehn Jahren einmal aufrichtig in grossen Dimensionen träumt: Das ist eigentlich eine ähnlich niederschmetternde Quintessenz wie der Singular an gewonnenen Halbfinalpartien in neun Spielzeiten. Dubé hat im Herbst 2022 gesagt: «Wenn ich spüre, dass es nicht mehr funktioniert, dass ich nicht mehr der richtige Mann bin, dann gehe ich.» Sein Vertrag gilt bis 2025; möglicherweise muss ihm bei Gottéron irgendwann jemand diesen Entscheid abnehmen, wenn in der BCF-Arena dereinst eine Laudatio auf eine Meistermannschaft gehalten werden soll.