Nur durch eine glaubwürdige Notfallplanung mit möglicher Pleite der UBS bringt der Bund die Staatsgarantie für die Grossbank weg. Der Bundesrat will das Thema anpacken, hat aber in seinem Bericht von dieser Woche noch keine schlüssige Antwort geliefert.
Viele kleine Schraubendrehungen, nichts Radikales: So präsentierte sich am Mittwoch der Bericht des Bundesrats zum künftigen Umgang mit «systemrelevanten» Banken – vor allem mit der UBS. Etwas strengere Vorgaben zum Eigenkapital, potenziell deutlich strengere Vorgaben zur Liquidität, mehr Kompetenzen für die Aufsichtsbehörde, stärkere rechtliche Verankerung der persönlichen Verantwortung hoher Bankkader, Rückforderbarkeit bezahlter Boni im Krisenfall, Überarbeitung der Notfallplanung: Das sind einige der Stichworte im vorgeschlagenen Massnahmenkatalog des Bundesrats.
Kleinvieh macht auch Mist, sagt der Volksmund. Und aus der Summe kleiner Massnahmen kann ein grösseres Bild entstehen. Marginal scheinende Änderungen können überdies für die betroffene Bank bedeutend sein: Stiege zum Beispiel die Mindestvorgabe für Eigenkapital bei der UBS im Normalbetrieb von zurzeit etwa 5 Prozent auf 7 Prozent des Gesamtengagements (vereinfacht: Bilanzsumme), würde die Bank bei ihrer jetzigen Grösse zusätzlich rund 30 Milliarden Franken Eigenmittel brauchen. Das wäre nicht in einem Tag erledigt.
Doch man läuft Gefahr, vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen. Manche der vorgeschlagenen Massnahmen erscheinen im Prinzip sinnvoll, aber sie beantworten die Kernfrage nicht: Kann der Kurs des Bundesrats die faktische Staatsgarantie für die UBS (und die Wahrnehmung einer solchen Garantie) vom Tisch fegen? Anders gefragt: Könnte künftig der Staat die UBS schlimmstenfalls pleitegehen lassen, oder wäre die Angst vor volkswirtschaftlichen Schäden weiterhin zu gross?
Skeptisches US-Gutachten
Ein vom Bund bestelltes Gutachten zur Machbarkeit einer Abwicklung der UBS strahlt Skepsis aus. Autor ist der amerikanische Professor Daniel Tarullo (Universität Harvard), der früher bei der US-Notenbank verantwortlich war für die Finanzmarktregulierung. Der Begriff «Abwicklung» meint hier ein behördlich ausgelöstes Verfahren, das etwa via Chefwechsel, Teilverkäufe und Kapitalerhöhung zu einer Sanierung der betroffenen Bank führt oder im schlechten Fall mit der Liquidation endet.
«Selbst mit einem stärkeren Fokus auf der Abwicklungsplanung wäre das Risiko gross, dass die Behörden bei ernsthaften Problemen der Bank es ablehnen, die UBS abzuwickeln», schreibt der Autor. Deshalb empfiehlt er eine Stärkung der Widerstandskraft der Schweizer Grossbank. Laut Tarullo herrschen generell in der Welt bedeutende Zweifel, ob die zuständigen Behörden irgendeine global systemrelevante Bank in einer Krise abwickeln würden: «Nur schon eine geringe Wahrscheinlichkeit, dass eine Bankpleite eine ausgewachsene Finanzkrise auslösen könnte, mag als zu grosses Risiko erscheinen.»
Mehr Optimismus verkündete diese Woche Martin Gruenberg, der Chef der amerikanischen Einlagenversicherung, die am Mittwoch einen Bericht zur Abwicklungsplanung für US-Grossbanken publiziert hat. Seine Kernbotschaft: Man sei für den Notfall vorbereitet und auch willens, eine Grossbank abzuwickeln. In einem Interview mit der «Financial Times» stichelte Gruenberg gegen die Schweiz: Der Entscheid der Schweiz, die Credit Suisse nicht in die Abwicklung zu schicken, sei «eine verpasste Gelegenheit» gewesen.
Zentrale Notfallplanung
Für die Schweiz und ihren Umgang mit der UBS ist zentral, ob eine glaubwürdige Notfallplanung zum Schutz der Steuerzahler machbar ist. Was ist also aus dieser Sicht vom Bericht des Bundesrats zur künftigen Grossbankenregulierung zu halten? «Grundsätzlich gut finde ich den breiten Ansatz, die ausdrückliche Absage einer vorübergehenden Verstaatlichung und das Bekenntnis zur zentralen Bedeutung einer Überarbeitung und deutlichen Präzisierung der Abwicklungsplanung grosser Banken», sagt der Berner Volkswirtschaftsprofessor Aymo Brunetti. Er hatte einst die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe Finanzmarktstrategie geleitet.
Manche Empfehlungen im Regierungsbericht sind laut Brunetti zwar sinnvoll, aber nur ein Nebenschauplatz: «Das Entscheidende sind die Empfehlungen zur Abwicklungsplanung.»
Bringt man mit den vorgeschlagenen Massnahmen die Staatsgarantie für die UBS weg? «Das lässt sich noch nicht sagen, denn es hängt entscheidend von der Überarbeitung und der damit dann erreichten Glaubwürdigkeit der Abwicklungsplanung ab», betont Brunetti. Und: «Sollte sich in Zukunft zeigen, dass kein glaubwürdiges Abwicklungskonzept möglich ist, wäre eine starke Erhöhung der Eigenmittelvorgaben für die UBS angezeigt, um die Widerstandskraft der Bank zu stärken und damit das Risiko der Steuerzahler zu senken.»
«Viel hängt von der konkreten Umsetzung ab», sagt auch Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach von der ETH Zürich. Er gehörte im vergangenen Jahr zur Expertengruppe, die für das Finanzdepartement Empfehlungen zur künftigen Grossbankenregulierung ablieferte. Verbesserungen im Vergleich zum Status quo sind laut Gersbach möglich, doch es sei «unwahrscheinlich, dass die faktische Staatsgarantie für die UBS vollständig wegfallen wird». Bei der Abwicklung einer globalen Grossbank gebe es viele Unsicherheiten. Der ETH-Experte liefert ein Illustrationsbeispiel: «Was passiert, wenn die Schweiz in einer Krise der UBS zwar einen Abwicklungsplan hat, aber massgebende ausländische Behörden und Politiker gegen die Umsetzung sind?»
Verschärfung via Hintertür
Auch die Eigenkapitalvorgaben für die UBS werden noch viel zu reden geben. Der Bundesrat sieht zurzeit zwar keine generelle Verschärfung vor, hat aber zwei Hintertüren geöffnet. Zum einen will er die Kapitalerleichterungen für Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften der UBS reduzieren oder ganz abschaffen. Zurzeit muss die UBS Beteiligungen an solchen Tochtergesellschaften nur etwa zu 60 Prozent statt zu 100 Prozent mit Eigenkapital hinterlegen. Inhaltlich gibt es laut Brunetti keine Rechtfertigung für eine solche Sonderbehandlung. «Eine vollständige Abschaffung dieser Erleichterung würde bei der UBS stark ins Gewicht fallen und ist politisch wohl kurzfristig leichter umsetzbar als eine generelle Erhöhung der Kapitalanforderungen.»
Eine zweite Hintertür ist die Möglichkeit, dass die Aufsichtsbehörde Finma via Stresstests bei den systemrelevanten Banken die Anforderungen zusätzlich erhöhen könnte. Für Hans Gersbach ist dies ein «kleiner, aber wichtiger Schritt». Insgesamt ist es gut möglich, dass die UBS künftig nach Ablauf aller Übergangsfristen etwa 7 Prozent der Bilanzsumme als Eigenkapital halten muss. Doch dies wird noch Gegenstand heftiger Kontroversen sein.
Gersbach spricht sich im Grundsatz für eine Eigenkapitalvorgabe für die UBS von 10 Prozent aus. Doch wenn die Schweiz dies im Alleingang umsetze, «bestünde das Risiko einer Verlagerung des UBS-Hauptsitzes ins Ausland und des Verlustes des globalen Anspruchs des Schweizer Finanzmarktes. Es wäre ein politischer Entscheid, ob man dieses Risiko in Kauf nehmen will.» Aymo Brunetti empfiehlt eine Änderung der Finanzplatzstrategie: «Die Schweiz sollte keine Industriepolitik machen und deshalb auch nicht den Eindruck erwecken, dass wir unbedingt den Hauptsitz einer globalen Grossbank brauchen.»