Reinold Geiger hat eine weltweit präsente Kette mit Kosmetik aus der Provence aufgebaut. Nun will er den Konzern angeblich mithilfe der Private-Equity-Firma Blackstone von der Börse nehmen.
Die Reaktion war deutlich: Mehr als 30 Prozent ihres Wertes verlor die Aktie von L’Occitane an der Börse in Hongkong, als sich im September vergangenen Jahres eine mögliche Übernahme der verbleibenden Titel durch den Hauptaktionär Reinold Geiger zerschlagen hatte.
Schon kurz zuvor hatte das Unternehmen in einer Mitteilung verkündet, dass die Spekulation über einen Preis von 35 Hongkong-Dollar pro Aktie jeglicher Grundlage entbehre.
Erneut ein Handelsstopp
Seit die Hongkonger Börse diese Woche mit Verweis auf eine mögliche Ankündigung einer Übernahme erneut einen Handelsstopp für die L’Occitane-Titel verfügt hat, wird wieder über eine Offerte des Vorarlbergers spekuliert, der bereits über 70 Prozent der Firma kontrolliert. Am Montag ging die Aktie bei 29.50 Hongkong-Dollar aus dem Handel.
Laut der Agentur Bloomberg soll der Mehrheitsaktionär mit der amerikanischen Private-Equity-Firma Blackstone ein Angebot für die restlichen Titel prüfen, um L’Occitane von der Börse zu nehmen. Angeblich bietet er eine Prämie von 20 Prozent auf den Preis von 26 Hongkong-Dollar, also den Kurs der Aktie, bevor die erneuten Spekulationen auf eine Übernahme aufkamen. Weder L’Occitane noch Blackstone wollten die Angelegenheit kommentieren.
Im vergangenen Jahr kursierte bereits die Vermutung, dass L’Occitane zu einem späteren Zeitpunkt wieder an einer europäischen Börse kotiert werden könnte. Ein Rückzug vom Finanzmarkt würde dem Eigentümer aber mehr Flexibilität geben, um das Unternehmen nach seinen Vorstellungen zu entwickeln, ohne Dritten Rechenschaft schuldig zu sein.
Die Titel werden seit 2010 in Hongkong gehandelt. Kurz nach dem Börsengang in Asien ist der Kosmetikhersteller Clarins, der eine Zeitlang an L’Occitane beteiligt war, als Aktionär ausgestiegen.
Lavendelfelder und ätherische Öle
Geiger steht hinter dem Aufstieg von L’Occitane zu einer weltweit bekannten Marke. Der 76-Jährige, der einst an der ETH in Zürich Maschinenbau studierte, hatte Ende der 1970er Jahre in Frankreich eine Firma für Kosmetikverpackungen gegründet. Das Geld aus dem Verkauf dieses Unternehmens steckte er in den kleinen Naturkosmetikhersteller L’Occitane aus der Provence.
Während sich dessen Gründer Olivier Baussan um Düfte, ätherische Öle und Produkte kümmerte, sorgte Geiger für die erfolgreiche Vermarktung der Ware. Statt auf Bio- und Naturkosmetikläden setzte er auf eigene Geschäfte der Marke an guter Passantenlage.
Beim Wachstum halfen dem Duo das steigende Interesse an Kosmetik mit natürlichen Inhaltsstoffen und die Werbung mit den Lavendelfeldern. Geiger amtet bis heute als Verwaltungsratspräsident.
2023 erwirtschaftete die Gruppe mit der Marke L’Occitane en Provence und sieben weiteren Brands sowie 8500 Angestellten in 90 Ländern gut 2,1 Milliarden Euro Umsatz. Vertrieben werden die Produkte in eigenen Läden, bei Kosmetikhändlern wie Sephora oder im Onlinehandel.
Phantasie kennt keine Grenzen
Derzeit wird das Unternehmen mit Sitz in Luxemburg und Genf mit rund 5,6 Milliarden Dollar bewertet. Doch die Meldung über ein mögliches Geschäft mit Blackstone hat bereits die Phantasie von Aktionären angeregt, die deutlich mehr aus ihrem Investment herausholen wollen und ihre Forderungen entsprechend hoch zielen.
So hat etwa der Finanzinvestor Butler Hall in einem Brief an den Verwaltungsrat geschrieben, dass jede Offerte unter 45 Hongkong-Dollar pro Aktie die Firma «erheblich unterbewerten» würde.
Er plädiert für eine Börsenkotierung in den USA, wo die Firma deutlich höher bewertet würde, sowie für eine Abspaltung der rasant wachsenden Marke Sol de Janeiro. Diese allein, so behauptet das Butler Hall, sei heute sogar mehr wert als das ganze Unternehmen.
Nun warten die Anleger, bis Geiger die Karten auf den Tisch legt – oder es sich doch noch einmal anders überlegt.