Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Sie wird auch eingesetzt, um medizinische Fragen von Patienten zu beantworten. Ein Beitrag aus der Rubrik «Hauptsache, gesund».
Eine Bekannte von mir, sie ist Assistenzärztin an einem grossen Universitätsspital, findet es frustrierend, dass sie ihren Patientinnen und Patienten nicht immer detailliert Rede und Antwort stehen kann. Im hektischen Berufsalltag bleibe ihr für ausführliche Erklärungen oftmals zu wenig Zeit. Ob ich es für sinnvoll hielte, die häufigsten Patientenfragen in einem Podcast zu beantworten, wollte sie kürzlich von mir wissen. «Vielen Patienten fällt auch erst viel später ein, was sie mich eigentlich noch fragen wollten. Auch diesen käme ein Podcast zugute», begründete die Ärztin ihr Vorhaben.
Für manche Personen mögen solche Aufzeichnungen hilfreich sein. Podcasts, aber auch Broschüren sind jedoch nicht interaktiv und daher kein Ersatz für das Gespräch mit dem Arzt. Die Patienten können nämlich nicht nachhaken, wenn sie etwas nicht verstanden haben. Dazu kommt, dass die Erstellung von Videos und schriftlichen Handouts viel Zeit in Anspruch nimmt. Auch müssen solche Kommunikationsmittel ansprechend aufbereitet und in einer verständlichen Sprache verfasst sein. Sonst besteht wenig Aussicht, dass sie angehört oder gelesen werden.
Wertvolle Unterstützung können dabei die modernen Chatbots wie Chat-GPT leisten. Basierend auf künstlicher Intelligenz (KI), halten diese Dialogsysteme mittlerweile auch in der Medizin Einzug. So haben amerikanische Dermatologen untersucht, ob sich Chat-GPT und zwei weitere Chatbots – Google Bard und Bing-AI – dazu eignen, medizinisches Hintergrundwissen in eine für Laien verständliche Sprache zu übersetzen. Dazu beauftragten sie die KI-Systeme, von Fachpersonen verfasste Erklärungen zu 54 Hautkrankheiten so umzuformulieren, dass sie von Sechstklässlern verstanden werden. Wie sich zeigte, konnten die digitalen Sprachsysteme diese Aufgabe grösstenteils gut bewältigen. Chat-GPT schnitt dabei meist am besten ab, gelegentlich hatte aber auch Bing-AI die Nase vorn.
Mit einer anderen Fragestellung beschäftigten sich Wissenschafter aus Japan. Sie wollten klären, ob Chat-GPT in der Lage ist, 20 gängige Patientenfragen zu hohem Blutdruck verständlich und korrekt zu beantworten, und das sowohl auf Englisch als auch Japanisch. Bewertet wurden die Angaben des künstlichen Assistenten von fünf medizinischen Laien und sechs Fachärzten, die davon ausgingen, dass die Texte von Medizinstudenten stammten.
Wie die Forscher berichten, konnten die Chatbots, darunter insbesondere Chat-GPT, die gestellte Aufgabe mehrheitlich gut bewältigen. Im Englischen war ihre Treffgenauigkeit laut den Fachärzten aber häufig besser als im Japanischen. Warum das so ist, habe ich Chat-GPT auf Deutsch gefragt. Seine plausibel klingende Antwort lautete: «In Bezug auf die englische Sprache habe ich möglicherweise einen grösseren und breiteren Datensatz zur Verfügung, da Englisch eine weitverbreitete und stark dokumentierte Sprache ist. Dadurch kann ich oft präzisere Antworten in Englisch liefern. Es ist auch möglich, dass bestimmte sprachliche Nuancen und Kontexte in anderen Sprachen komplexer sind, was die Übersetzung und Interpretation schwieriger machen kann.»
Ähnlich argumentieren übrigens auch die Autoren der Studie – ob sie wohl ebenfalls den Chatbot um eine Erklärung gebeten haben?
In der wöchentlichen Rubrik «Hauptsache, gesund» werfen die Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin, Gesundheit, Ernährung und Fitness. Bereits erschienene Texte finden sich hier.
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