Bürgerliche wollen, dass die berühmteste Wiese der Schweiz wieder vom Bund verwaltet wird und nicht von einem «zivilgesellschaftlichen Unternehmer».
Der Entscheid kam auch für den Urheber der Motion überraschend. Mit 98 zu 84 Stimmen (und vier Enthaltungen) sagte der Nationalrat am Montagnachmittag Ja zu einem Vorstoss von Thomas Aeschi. Ein kleiner Knall zu Beginn der Sondersession.
Der Fraktionschef der SVP hat verlangt, dass der Bund den Vertrag mit der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) auf Ende Jahr kündigt und das Rütli fortan selbst verwaltet. Die SGG kaufte gut zehn Jahre nach Gründung des modernen Bundesstaats die symbolträchtige Wiese und schenkte sie 1860 dem Bund.
Aeschi wartet immer noch auf Antwort
Die SGG ist bis heute Verwalterin der «Wiege der Eidgenossenschaft» geblieben, organisiert unter anderem die 1.-August-Feiern – und sorgte jüngst immer wieder für Schlagzeilen. Rund um den Verein hat sich ein Kulturkampf entfacht, ein Kräftemessen um die Deutungshoheit zwischen Bürgerlichen und Linken. Wem gehört das Rütli? Oder ganz grundsätzlich: Wer bestimmt in diesem Land?
Im Mittelpunkt stand dabei Nicola Forster, seit 2020 Präsident der SGG. Der Grünliberale ist angetreten, um dem altehrwürdigen Verein neue Impulse zu geben. Es entstand der Eindruck, als ob die SGG seit Forsters Amtsantritt nicht mehr zur Ruhe komme. Er selbst, der auf Wikipedia als «zivilgesellschaftlicher Unternehmer» vorgestellt wird, gestand im letzten Sommer in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger» ein, dass es ihm «bis jetzt nicht gelungen ist, alle mitzunehmen».
Die internen Spannungen gipfelten in einem Machtkampf um die politische Ausrichtung des Vereins. Forster und seine Leute schienen sich durchzusetzen. Dabei haben sie – wohl eher eigen- statt gemeinnützig – sämtliche Neuanmeldungen vor allem aus dem bürgerlichen Lager kurzerhand sistiert.
Auch Thomas Aeschi hat vor einem Jahr einen Antrag gestellt, um bei der SGG Mitglied zu werden und dort mitreden zu können. Bis heute habe er keine Antwort erhalten, sagte er im Votum für seine Motion. Das zeige auch, in welchem organisatorischen Zustand sich die SGG befinde.
Wie die Medienstelle der SGG am Montag mitteilte, sei das Thema Mitgliedschaften just morgen traktandiert und der Präsident Forster stehe am Dienstagnachmittag für eine Stellungnahme zur Verfügung. Redebedarf gibt es im SGG-Vorstand allemal, zumal Forster das Abstimmungsresultat des Nationalrats persönlich nehmen muss.
Aeschi hatte die Motion explizit gegen ihn gerichtet. Es dürfe nicht sein, dass ein «Parteivertreter» und «Nationalratskandidat» – Forster verpasste im letzten Herbst die Wahl deutlich – über die Auswahl der 1.-August-Redner auf dem Rütli entscheide. Leider habe die SGG in den letzten Jahren «einen zunehmend linksprogressiven Kurs» eingeschlagen, sagte Aeschi.
Mit der Kündigung des Vertrags würden auch die Pachtzinszahlungen des Bundes an die ohnehin sehr wohlhabende SGG eingestellt, sagte Aeschi und blickte hinüber zur zuständigen Bundesrätin, Finanzministerin Karin Keller-Sutter. «Sie könnten damit auch etwas Geld sparen.»
Keller-Sutter ist offen für Kaffee
Die FDP-Bundesrätin zeigte sich offen gegenüber Aeschis Anliegen. Die Motion betreffe eine emotionale Frage, «nämlich das Rütli, das allen gehört». Sie sei auch bereit, mit Forster Kaffee zu trinken. Aber selbst wenn der Bund die Vereinbarung kündige, bleibe die Verwaltungskompetenz bei der SGG. Die Motion sei abzulehnen, weil sie nicht zum Ziel führe.
Keller-Sutters Partei, die FDP, sowie die Mitte sahen es anders und stimmten für Aeschis Motion. Die Vorbehalte gegen Forsters Art, die SGG zu führen, scheinen weit über die SVP hinauszugehen. Ob sich der Ständerat dem Nationalrat anschiessen wird, dürfte auch von Forsters Nachfolger abhängen. Der umstrittene Präsident hat unlängst beschlossen, das Amt Mitte Jahr abzugeben.