Die Landesregierung will die Lücken schliessen, die sich in der CS-Krise offenbart haben. Im schlechtesten Fall führen die Massnahmen aber zu mehr Komplexität – und lösen das «Too big to fail»-Problem nicht.
Es gibt kein besseres Gefühl, «als beschossen zu werden, ohne dass es Folgen hat»: Das wusste schon der frühere britische Premierminister Winston Churchill, und das weiss auch der Bundesrat. Die Landesregierung konnte im März 2023 unter Führung von Finanzministerin Karin Keller-Sutter um Haaresbreite einen unkontrollierten Kollaps einer internationalen Grossbank verhindern. Die Notübernahme der Credit Suisse durch die UBS hat ihren Zweck erfüllt: Weder kam es in der globalen Finanzbranche zu einem Flächenbrand, noch haben Bankkunden ihr Geld verloren.
Der anfängliche Schock ist Erleichterung und Gelassenheit gewichen. Diesen Eindruck erhält man bei der Lektüre des über 300 Seiten langen «Too big to fail»-Berichts des Bundesrates. Die Landesregierung schlägt darin 22 geplante und 7 zu prüfende Massnahmen vor, um «Lücken» im gegenwärtigen Krisenregime für die global systemrelevanten Grossbanken – das heisst: die UBS – zu adressieren.
Es handelt sich um eine lange Liste von Massnahmen zur Behebung von Missständen, die im Zug der CS-Krise zutage getreten sind. Der Bundesrat will mit neuen Instrumenten die «fehlende Durchsetzungskraft» der Finanzmarktaufsicht (Finma) angehen, die Liquiditätsausstattung der UBS im Krisenfall verbessern und die Eigenkapitalausstattung der Bank solider machen. Er will im Krisenfall agiler werden, neue Abwicklungsszenarien und -optionen für die UBS entwickeln, um besser auf komplexe Situationen vorbereitet zu sein.
Wie gross die Herausforderung ist, zeigt sich nur schon daran, dass die Schweizer Behörden bei einer künftigen Schieflage der UBS massgeblich vom Kooperationswillen ausländischer Behörden abhängig wären. So war die amerikanische Börsenaufsicht laut dem Bericht in der CS-Krise nicht bereit, im Voraus eine Genehmigung für die bei einer Abwicklung notwendige Umwandlung von Gläubigerforderungen von amerikanischen Investoren in Aktien abzugeben.
Am Ende bleibt der Bericht ein Sammelsurium an Massnahmen, die im besten Fall künftige Feuerwehrübungen für die UBS unwahrscheinlicher machen. Im schlechtesten Fall führen sie aber zu mehr Komplexität und Bürokratie im Alltag des Finanzplatzes und vermögen das «Too big to fail»-Problem nicht zu lösen.
Es gilt bei der kommenden Debatte im Parlament abzuwägen, welche Massnahmen es wirklich braucht. Eine Finma mit mehr Schlagkraft im Krisenfall ist wünschenswert, eine übermächtige Finanzregulatorin aber nicht. Schärfere Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen erhöhen das Vertrauen der Märkte in die UBS, können die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der UBS aber auch einschränken.
Die Debatte dürfte hitziger und gehässiger werden, als man bisher annehmen konnte. Das zeigt eine Indiskretion, die am Mittwoch noch während der Pressekonferenz von Finanzministerin Karin Keller-Sutter an die Öffentlichkeit gelangte: Die Tamedia-Zeitungen berichteten über ein verwaltungsinternes Papier, laut dem die Finma, die Schweizerische Nationalbank und das Staatssekretariat für Wirtschaft in der Ämterkonsultation eine «umfassendere Erhöhung bei den Eigenmittel- und Liquiditätsanforderungen» gefordert haben.
Aufhorchen lässt auch eine Stelle ganz am Anfang des «Too big to fail»-Berichts: Darin spricht der Bundesrat den Umstand an, dass er es in Zukunft «nicht kategorisch» ausschliessen wolle, in konkreten Krisensituationen im Landesinteresse und gestützt auf die Bundesverfassung notrechtlich zu handeln, auch wenn darauf «wenn immer möglich» zu verzichten sei.
Löblich ist, dass die Landesregierung damit ehrlich ausspricht, was jeder weiss. Und doch wird man den Eindruck nicht los, dass der Einsatz von Notrecht bei den Verantwortlichen der Schweizer Behörden bei der Grossbankenregulierung im Hinterkopf stets eine Option bleibt. Die entscheidende Frage, ob die UBS zu vernünftigen Kosten innert nützlicher Frist abwickelbar wäre, lässt das Papier leider offen.