Mit dem Projekt wird der Mattensteg über die Sihl in Richtung Hauptbahnhof versetzt.
Der Zusammenfluss von Limmat und Sihl war für James Joyce ein besonderer Ort. Ende der 1930er Jahre liess sich der irische Schriftsteller und zeitweilige Wahlzürcher zuvorderst auf der Platzspitzanlage fotografieren. Die als Reverenz an den Wortkünstler vor gut 20 Jahren an den Mauern angebrachten Schriftzüge «Ljmmat» und «Sjhl» wurden allerdings kürzlich entfernt.
Der Grund: Der Spitz ist in den nächsten vier Jahren eine Baustelle. Das Wehr muss ersetzt werden. Es reguliert den Pegelstand des Zürichsees und teilt das Wasser der Limmat. Ein Teil rauscht über das Wehr, der Rest fliesst in einem Kanal weiter durch die Badeanstalt Oberer Letten zum Kraftwerk.
Reguliert werde die Limmat seit 1867, zuerst mit einem Nadelwehr, wie es in Luzern noch eines gebe, sagte Christoph Zemp, der Chef des kantonalen Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft (Awel), am Freitag vor den Medien. Es bestand aus senkrechten Holzplanken, die einzeln herausgezogen werden konnten, um den Durchfluss zu erhöhen.
Das heutige Wehr wurde 1951 erstellt. Es besteht ebenfalls weitgehend aus Holz, auch wenn man das von aussen kaum sieht. Nach über siebzig Jahren ist es am Ende der Lebensdauer angelangt und ist zu ersetzen. Ausserdem genügt es den heutigen Anforderungen nicht mehr. Bei einem aussergewöhnlichen Hochwasser muss man in Zukunft wirksamer eingreifen können, um Überschwemmungen im Limmattal zu verhindern.
Teil eines umfassenden Hochwasserschutzes
Das Platzspitzwehr ist ein Element für den Hochwasserschutz, der im Gebiet Sihl-Zürichsee-Limmat seit 17 Jahren ausgebaut wird. Ein extremer Starkregen könnte das Sihltal samt Langnau am Albis und Adliswil, grosse Teile im Westen und Süden der Stadt Zürich sowie Schlieren überschwemmen, mit Schäden in Milliardenhöhe.
Mehrere Bestandteile dieses grossen Projekts sind bereits realisiert. 2007 wurde beim Bau der Durchmesserlinie der Durchlass der Sihl im Hauptbahnhof erweitert. Gleichzeitig schuf man die Möglichkeit, in Erwartung von Starkregen den Pegel des Sihlsees abzusenken, um diesen als Rückhaltebecken zu nutzen. Seit 2017 ist oberhalb von Langnau am Albis ein riesiger Schwemmholzrechen fertiggestellt. Er fängt bei einem Hochwasser Baumstämme auf, die sonst an Brücken den Fluss stauen.
Der Rechen schützt ebenso den Entlastungsstollen, der derzeit zwischen dem Sihltal und Thalwil gebohrt wird. Durch ihn kann bei Hochwasser ein Teil des Wassers in den See abgeleitet werden. Als letztes Element wird die Rathaus- oder Gemüsebrücke in der Altstadt ersetzt und die Flusssohle abgesenkt. Dort befinde sich heute das Nadelöhr der Limmat, nicht etwa am Platzspitz, wie man annehmen könnte, sagte Matthias Oplatka vom Awel.
Der Bau des neuen Wehrs ist ein gemeinsames Projekt von Kanton und Stadt Zürich. Es kostet gegen 39 Millionen Franken, an denen sich der Bund mit gut einem Drittel beteiligt. Die Stadt ist für den Mattensteg über die Sihl zuständig. Ein wichtiges Anliegen ist ihr der Schutz der mächtigen Bäume im über 240 Jahre alten Platzspitzpark, wie der Projektleiter Andreas Thoma sagte. Fahrten mit schweren Lasten können deren Wurzeln schädigen.
Neuer Fischaufstieg beim Dynamo
Deshalb wird als Erstes zwischen Sihlquai und Spitz eine neue, breitere Brücke für die Baumaschinen erstellt. Sie dient später auch als Zufahrt für den Unterhalt von Wehr und Park. Während der ganzen Bauzeit bleibt die Verbindung zwischen dem Jugendhaus Dynamo und dem Sihlquai für Fussgänger und Velofahrer offen.
In einer zweiten Phase werden die zwei Teile des bestehenden Wehrs hintereinander neu erstellt. Während der ganzen Bauzeit ist seine Funktion gewährleistet. Das Wehr wird nach Abschluss der Bauarbeiten 2028 nahezu gleich aussehen wie heute.
Eine Veränderung gibt es für den Mattensteg. Er wurde 1880 auf die kurze Zeit später stattfindende Landesausstellung hin nach Art der damaligen Eisenbahnbrücken als genietetes Stahlfachwerk erstellt und steht unter Schutz. In nächster Zeit wird er abmontiert, umfassend renoviert und später 80 Meter näher zum HB neu aufgestellt. Sogar die Widerlager an den beiden Flussufern, auf denen der Steg ruht, werden Stein für Stein versetzt.
Der Flussraum wird naturnah gestaltet, ähnlich wie oberhalb des HB bei der Sihlpost. Die Fische erhalten am Damm zwischen Limmat und Kraftwerkkanal eine Aufstiegsmöglichkeit, die heute fehlt. Das Platzspitzwehr ist heute für Fische jedoch keine absolute Sperre zwischen Limmat und Zürichsee. Sie finden den Weg über Sihl und Schanzengraben, beim Kraftwerk Letten gibt es schon heute eine Fischtreppe.