Jede vierte Mutter und jeder achte Vater sind nach einer Trennung von Geldknappheit betroffen. Die Gerichte verlangen, dass geschiedene Frauen ihr Arbeitspensum aufstocken.
Angelina Jolie, Arnold Schwarzenegger oder Madonna: Sie alle haben ihre Ehe geschieden. Die Beziehungen von Prominenten scheitern besonders häufig, wie die britische Marriage Foundation herausgefunden hat. Am grössten ist das Scheidungsrisiko bei Rockmusikern, danach bei den Schauspielern. Milliardäre entsprechen schon fast der Norm: Bei ihnen geht «nur» jede zweite Ehe in die Brüche.
Wenn Prominente auseinandergehen, so spielt sich das persönliche Drama meist vor den Augen der Öffentlichkeit ab: verheimlichte Liebschaften, Kränkungen, der Kampf um die Kinder. Darin sind auch die Stars nur allzu menschlich. Hingegen haben sie den Vorteil, dass ihre Scheidung nur selten zu Geldnot führt. Der Amazon-Gründer Jeff Bezos musste im Jahr 2019 eine Abfindung von 38 Milliarden Dollar zahlen – und blieb dennoch der reichste Mensch der Welt.
Ganz anders sieht die Rechnung bei gewöhnlichen Leuten aus: Besonders wenn sie Kinder haben, reisst die Trennung ein grosses Loch in die Kasse. Immerhin jedes dritte Paar mit Kindern unter 25 lebt getrennt. In der gesamten Bevölkerung erreicht die Scheidungsrate 40 Prozent.
Die Armutsquote der Einelternhaushalte mit Kindern beträgt laut einer Erhebung des Bundes 13 Prozent. Das ist deutlich mehr als bei den verheirateten Familien, wo lediglich 4 Prozent als arm gelten. Doch zeigen diese Zahlen nur die Spitze des Eisbergs: Auch beim Mittelstand ist die Trennung mit einem schmerzhaften finanziellen Abstieg verbunden. Ebenso wird die unterschiedliche Belastung der Geschlechter in dieser Statistik nicht sichtbar. Einen detaillierten Einblick liefert nun erstmals ein Forschungsbericht, den das Büro Bass letztes Jahr im Auftrag des Bundes erstellt hat.
Nach diesem sinkt das durchschnittliche Einkommen der Mutter unmittelbar nach der Trennung sehr stark, nämlich von 57 000 auf 38 000 Franken. Nach diesem ersten Schock erholt sich das Einkommen zwar wieder. Dafür sorgen die Unterhaltszahlungen des Vaters. Diese betragen im Schnitt 14 000 Franken, können in manchen Fällen allerdings ausbleiben. Überdies erhöhen viele Frauen ihre Erwerbstätigkeit – vorausgesetzt, sie haben eine Stelle, die sich mit den familiären Verpflichtungen vereinbaren lässt. Doch zwei Jahre nach der Trennung liegt ihr Einkommen noch immer 9000 Franken tiefer als zuvor im gemeinsamen Haushalt.
Der Mitautor der Studie, Severin Bischof, sagt: «Unsere Analyse zeigt, dass diejenige Person, die in der Familie mehrheitlich die Kinderbetreuung übernimmt, finanziell auch am stärksten unter der Trennung leidet. In der Regel sind das die Frauen.»
Während das mittlere Einkommen der Mutter durch die Trennung sinkt, tendiert es beim Vater im Gegenteil nach oben – laut Studie steigt es von 57 000 auf 63 000 Franken. Wichtig zum Verständnis: Diese Zahl, welche auf den Steuerdaten von Tausenden Haushalten basiert, entspricht dem sogenannten Äquivalenzeinkommen. Diese Messmethode berücksichtigt zusätzlich die Grösse des Haushalts – es handelt sich somit um ein Pro-Kopf-Einkommen, wobei Kinder mit einem tieferen Faktor einfliessen als Erwachsene.
Denn für das finanzielle Wohlergehen zählt ja nicht nur, welches Einkommen ein Haushalt erhält, sondern ebenso, für wie viele Personen dieses Geld reichen muss. Wenn also die Kinder bei der Mutter leben, was meistens der Fall ist, so muss diese auch höhere Ausgaben schultern: Sie braucht mehr Wohnfläche und hat höhere Kosten für Möbel, Essen oder Kleidung. Umgekehrt kann das Äquivalenzeinkommen des Vaters durch eine Trennung sogar leicht zunehmen, wenn dieser – abgesehen von der Unterhaltszahlung – lediglich für einen Singlehaushalt sorgen muss.
Mütter sind doppelt so oft in prekärer Lage
Diese ungleiche Belastung wird auch in der Studie von Severin Bischof deutlich: «Nach unserer Einschätzung ist die wirtschaftliche Lage zwei Jahre nach der Trennung bei 26 Prozent der Mütter als prekär einzustufen. Bei den Vätern liegt dieser Anteil mit 13 Prozent nur halb so hoch.» Prekär bedeutet, dass das Einkommen weniger als 60 Prozent des Durchschnitts erreicht.
Die Sozialhilfestatistik bestätigt ebenfalls, dass Mütter nach einer Trennung häufiger unter Geldnot leiden. Mit 16 Prozent ist der Anteil der Sozialhilfebezügerinnen rund doppelt so hoch wie bei den getrennten Vätern. «Der Grund für diese Kluft liegt in den unterschiedlichen Erwerbsbiografien», erklärt Bischof. «Die wesentliche Weichenstellung erfolgt bei der Geburt des ersten Kindes: Entscheidet sich die Mutter für eine starke Reduktion des Arbeitspensums oder steigt sie ganz aus dem Beruf aus, so führt dies im Falle einer Trennung zu einer grösseren Ungleichheit.»
Laut Statistik senkt jede zweite Frau ihr Pensum nach der Geburt um mindestens die Hälfte. Väter dagegen halten ihr Einkommen stabil. «Je länger die Mutter eine Erwerbspause einlegt und je tiefer ihr Pensum nach dem Wiedereinstieg ist, desto grösser wird ihr Armutsrisiko nach der Trennung», sagt der Ökonom Bischof. Dies gelte speziell für Paare, die wenig verdienen: Diese lassen sich überdurchschnittlich oft scheiden.
Gerichte ändern ihre Auffassung
Die Frage, wie sich eine Scheidung finanziell auswirkt, ist derzeit von besonderem Interesse. Denn die Gerichtspraxis hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt. Bisher hielt sich die Justiz primär an das traditionelle Rollenmodell, wonach der Ehemann berufstätig ist, während sich die Frau dem Haushalt und den Kindern widmet.
Hatte das Gericht eine Ehe als «lebensprägend» anerkannt, was mit Kindern oder nach zehn Jahren der Fall war, so konnte die Ehefrau nach der Scheidung ihren Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards geltend machen. Ebenso galt der Grundsatz, dass Frauen, die während der Ehe nicht berufstätig waren, nach einer Trennung ab dem 45. Altersjahr ihren Unterhalt nicht selbst verdienen können.
Die Vereinbarung lautete somit: Ehefrauen verzichten auf eine berufliche Karriere, umgekehrt sollen sie bei einer Scheidung finanziell abgesichert sein. Ausserdem kam es zu verschiedenen Verbesserungen in der Altersvorsorge: So hat der Bund mit der AHV-Revision von 1997 die Erziehungsgutschriften eingeführt, und das AHV-pflichtige Einkommen wurde hälftig auf beide Ehegatten aufgeteilt. Das neue Scheidungsrecht von 2000 führte ebenso zum Splitting des Vermögens in der Pensionskasse.
Die klassische Rollenteilung, bestehend aus dem Alleinernährer und der Hausfrau, ist in der heutigen Zeit jedoch auf dem Rückzug. Immer mehr Frauen wollen berufstätig bleiben, während sich die Väter aktiver um die Kinder kümmern. Um diesem Wandel Rechnung zu tragen, hat der Bund 2017 ein neues Unterhaltsrecht eingeführt. Der Gesetzgeber will damit eine ausgeglichenere Kinderbetreuung durch beide Elternteile fördern. Namentlich können Männer vor Gericht verlangen, dass dieses eine alternierende Obhut nach der Trennung prüfen muss.
Die Rechtsanwältin und Buchautorin Margherita Bortolani-Slongo begrüsst dies. Damit werde das Wohl des Kindes stärker ins Zentrum gerückt. «Vor 2017 hatte eine Trennung oft zur Folge, dass die Kinder unter die alleinige Obhut der Mutter gestellt wurden. Dies schränkte den Kontakt zwischen dem Kind und dem Vater stark ein, was für dessen Entwicklung einen grossen Nachteil bedeutete.»
Scheidung führt zu höherem Arbeitspensum
Allerdings, so Bortolani-Slongo, erfordere die geänderte Rechtslage ein Umdenken bei den Eltern. Vorher habe bei der Obhutszuteilung prinzipiell der Primat der Mütter gegolten. «Langsam, aber sicher gerät dieser Grundsatz in der Gerichtspraxis ins Wanken: Väter, welche im Alltag der Kinder präsent sind und sich in der Betreuung engagieren, haben heute glücklicherweise bessere Chancen. Dafür aber werden sie auch stärker in die Pflicht genommen.»
In der Praxis hat das neue Unterhaltsrecht schon deutliche Spuren hinterlassen: Die Gerichte erwarten von getrennt lebenden oder geschiedenen Müttern, dass sie ihren Lebensunterhalt vermehrt selbst verdienen. Die Maxime der Eigenversorgung gilt ebenso für die Berechnung des Kinder- und Betreuungsunterhalts, seit das Bundesgericht das sogenannte Schulstufenmodell erlassen hat: Beginnt das jüngste Kind die obligatorische Schule, wird der Mutter ein Arbeitspensum von 50 Prozent zugemutet. Ab der Oberstufe sind es bereits 80 Prozent und ab dem 16. Geburtstag 100 Prozent.
Das Büro Bass stellt in seiner Studie ebenfalls fest, dass Frauen nach einer Scheidung ihr Arbeitspensum deutlich aufstocken. 15 Jahre nach der Geburt des ersten Kindes verdient eine geschiedene Mutter im Schnitt 46 000 Franken im Jahr. Ohne Scheidung dagegen liegt das Einkommen mit 26 000 Franken wesentlich tiefer.
«Gerade Frauen müssen bei der Familienplanung wissen, dass sie sich bei einer allfälligen Trennung nicht mehr wie früher auf den Ex-Mann abstützen können», sagt Severin Bischof. «Umso wichtiger ist es, dass sie bei einer Mutterschaft ihre beruflichen Perspektiven im Auge behalten.»
Dies gilt ebenso in Bezug auf die Altersvorsorge: Jede vierte geschiedene Rentnerin ist auf Ergänzungsleistungen angewiesen, während der Anteil bei den übrigen Pensionierten lediglich 12 Prozent beträgt. Zudem verweist Bischof darauf, dass eine Ehe im Vergleich zum Konkubinat die soziale Sicherheit stark verbessere. Dies wird auch mehrheitlich befolgt: Sind vor der Geburt des ersten Kindes erst 65 Prozent der Paare verheiratet, steigt der Anteil zwei Jahre später bereits auf 87 Prozent.
Wer heiratet, erwartet, dass die Ehe auf ewig hält. Dennoch sollten Paare gewappnet sein, falls es doch anders herauskommt. Oder wie es die Sängerin Madonna einst formulierte: «Ich habe mir diese existenzielle Frage gestellt, die sich aufdrängt, wenn man schon lange verheiratet ist: Was ist die perfekte Liebe?» Über die Zeit hätten sich immer mehr Risse im Fundament gezeigt, und die Romantik sei verschwunden. «Man denkt: Das ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Und: Wie viel bin ich bereit zu opfern?»