Nach dem Ständerat hat nun auch die Wirtschaftskommission des Nationalrats das Gesetzesprojekt zur Einführung eines Steuerprivilegs für die Hochsee-Schifffahrt klar abgelehnt. Das Projekt ist nun klinisch tot.
Bürgerliche Projekte für Steuervergünstigungen hatten es auf Bundesebene in den letzten Jahren schwer. Viermal war die Linke mit Referenden an der Urne erfolgreich (Unternehmenssteuerreform, Erhöhung Kinderabzüge, Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital, Reform der Verrechnungssteuer). Im vergangenen Jahr kam zwar die Vorlage zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer für internationale Grossfirmen an der Urne gegen linken Widerstand klar durch, aber dabei ging es um Steuererhöhungen.
Nun erleidet ein weiteres bürgerliches Steuerprojekt Schiffbruch. Dabei geht es um die Einführung eines Steuerprivilegs für die Hochsee-Schifffahrt. Das vom Parlament bestellte Gesetzesprojekt des Bundesrats sah für die Branche die Möglichkeit vor, die Steuern nicht mehr auf Basis des Firmengewinns zu zahlen, sondern anhand der Transportkapazitäten. Der Jargon spricht von «Tonnagesteuer».
Das Konstrukt ist skurril, doch es ist international stark verbreitet. Nebst 21 EU-Ländern haben auch die USA, China, Japan, Indien und manche andere Staaten eine Tonnagesteuer. Deshalb – und nicht aus inhaltlichen Gründen – enthält die internationale Vereinbarung zur Einführung einer globalen Mindeststeuer für Grossfirmen von 15 Prozent des Gewinns eine ausdrückliche Ausnahme für die Hochsee-Schifffahrt. In der Praxis ist durch die Tonnagesteuer im langfristigen Durchschnitt für betroffene Reedereien eine Steuerbelastung von deutlich unter 10 Prozent des Gewinns möglich.
Die Schweiz hat keinen direkten Anschluss ans Meer, doch sie ist laut Branchenangaben unter den Hochseefahrt-Nationen die Nummer 9 der Welt. Die gemessen an der Kapazität der Containerschiffe grösste Reederei sitzt in Genf – das Familienunternehmen Mediterranean Shipping Company (MSC).
Kehrtwende vorgespurt
Die Branche ist naturgemäss sehr mobil. Die Befürworter der Tonnagesteuer für die Schweiz hofften, dass damit zusätzliche Firmensitze in die Schweiz kommen oder Abwanderungen verhindert werden. Der Fiskus könnte laut Befürwortern per saldo mit Zusatzeinnahmen rechnen.
Der Nationalrat hatte 2022 die Reform noch knapp angenommen, doch im Ständerat fiel das Projekt im vergangenen Monat klar durch. Zu den genannten Hauptgründen der Gegner gehörten die Unsicherheit über die Auswirkungen der Reform auf die Staatskassen sowie verfassungsrechtliche Bedenken wegen des Verstosses gegen das Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit.
Auch im Nationalrat ist das Geschäft nun allem Anschein nach kaum mehr mehrheitsfähig. Darauf deutet das klare Nein der nationalrätlichen Wirtschaftskommission (WAK) von dieser Woche. Die Kommission empfiehlt dem Rat mit 15 zu 9 Stimmen, gar nicht auf das Gesetzesprojekt einzutreten.
WAK-Präsident Thomas Aeschi nannte am Mittwoch auf Anfrage vor allem zwei Gründe für die Ablehnung durch die Kommissionsmehrheit: das klare Nein des Ständerats, der die Vorlage mit einem zweiten Nein unabhängig vom Nationalrat ohnehin beerdigen könne, sowie die Absenz einer belastbaren Schätzung der Eidgenössischen Steuerverwaltung über die finanziellen Folgen der vorgeschlagenen Reform. Gemäss Mitteilung der Kommission spielten auch Zweifel an der Verfassungsmässigkeit der Tonnagesteuer eine Rolle.
Bei diversen bürgerlichen Skeptikern dürften die genannten Gründe nicht die ganze Wahrheit spiegeln: Unsicherheiten über die finanziellen Folgen von Steuerreformen gibt es immer, und bei der Interpretation der Bundesverfassung hatte sich das Parlament in der Vergangenheit auch schon äussert kreativ gezeigt.
Schwer zu erklären
Das politische Hauptproblem der Tonnagesteuer liegt darin, dass man das kuriose Konstrukt einer breiten Bevölkerung kaum überzeugend erklären kann. Der zurzeit besonders grosse Druck auf der Bundeskasse ist eine zusätzliche Erschwernis für Steuerreformen, die keine Mehreinnahmen garantieren. Ein linkes Referendum gegen die Vorlage war schon angekündigt. Ein Absturz an der Urne wäre wahrscheinlich gewesen. Manche Bürgerliche dürften keine Lust auf einen weiteren Abstimmungskampf ohne grosse Erfolgsaussichten haben.
Für die Tonnagesteuer scheint nur noch die SVP zu sein. WAK-Präsident Thomas Aeschi sagte als Chef der SVP-Bundesparlamentarier, dass seine Fraktion die Vorlage nach wie vor unterstütze. Die Tonnagesteuer stärkt laut Aeschi die Standortattraktivität der Schweiz und sei international breit verankert.
Doch das Gesetzesprojekt ist mit der klaren Ablehnung durch die nationalrätliche Wirtschaftskommission sozusagen klinisch tot. Das Geschäft kommt voraussichtlich im Juni in den Nationalrat. Dann dürfte die grosse Parlamentskammer nach derzeitigem Stand der Erkenntnisse die Vorlage ohne grosse Zeremonie formell beerdigen.