The Market macht sich regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen. In der Schweiz scheidet Pierer Mobility aus. In Europa und in den USA stossen dafür zwei grosse Namen aus dem Gesundheitssektor dazu. Zudem schafft es UBS neu auch unter die günstigsten europäischen Werte.
Die Rally ist ins Stocken geraten. Seit dem Höchst von Anfang April hat der von MSCI berechnete Weltaktienmarkt zwischenzeitlich rund 5% verloren. Obwohl alles andere als dramatisch, war es die grösste Einbusse in der seit Ende Oktober laufenden Hausse. Die hartnäckig hohe Inflation macht Zinssenkungen zunehmend unwahrscheinlich, und die anziehenden geopolitischen Spannungen treiben den Ölpreis in die Höhe und verunsichern zusätzlich. Gefragt waren im April neben Öltiteln vor allem wenig konjunktursensitive Sektoren wie Versorger, Telecom und Basiskonsum.
Diese Entwicklungen machen sich in der Qualitätsauswahl von The Market bemerkbar, die mit zyklischen Werten gespickt ist. Trotz hohem Gewicht in Energieaktien hinkt sie den Vergleichsindizes seit der letzten Bestandesaufnahme hinterher, mit Ausnahme der US-Valoren mit der höchsten Ausschüttungsrendite.
Zur Erinnerung: Seit der Lancierung 2019 macht sich The Market an den Börsen der Schweiz, Europas und der USA regelmässig auf die Suche nach vernünftig bewerteten Qualitätsunternehmen.
Die Kriterien
Was Qualität ausmacht, ist nicht einheitlich definiert. The Market versteht darunter Aktien von Gesellschaften, die eine höhere Kapitalrendite erzielen, eine robustere Bilanz aufweisen und günstiger bewertet sind als das Durchschnittsunternehmen im Vergleichsindex.
Als Kriterien werden die Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Invested Capital, ROIC), das Verhältnis aus Nettoschulden zum Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sowie der Unternehmenswert (Enterprise Value, EV) in Relation zum Ebit verwendet.
In jeder Region wird je nach Aussagekraft ein viertes Kriterium eingesetzt. In der Schweiz ist es das Wachstum des Buchwerts je Titel über fünf Jahre, in den USA die totale Ausschüttungsrendite – definiert als Dividenden und Nettoaktienrückkäufe im Verhältnis zum Unternehmenswert – und in Europa das Momentum der Gewinnprognosen.
Pierer verabschiedet sich aus der Schweizer Auswahl
In der Schweiz schaffen neunzehn Namen alle Hürden, nach zwanzig im Vormonat. Nicht mehr dabei ist der Zweiradhersteller Pierer Mobility, dessen Nettoverschuldung im Verhältnis zum Ebitda auf 2,3 geklettert ist und damit über dem Median des durchschnittlichen Unternehmens im Swiss Performance Index (SPI) von 1,1 liegt.
Gut geschlagen haben sich die Valoren von ABB, die es bei der letzten Bestandesaufnahme erstmals in die Auswahl geschafft haben. Der Elektronikkonzern hat im April starke Zahlen für das erste Quartal vorgelegt. Trotz schwierigem Umfeld verbesserte sich die Marge um 160 Basispunkte auf rekordhohe 17,9%. Auch der freie Cashflow hat weiter zugenommen und erreichte in den ersten drei Monaten des Jahres 551 Mio. $, für das Gesamtjahr stellt das Unternehmen mindestens 3,7 Mrd. $ in Aussicht.
Neben dem neuen Aktienrückkaufprogramm in Höhe von 1 Mrd. $ bleibt so auch Geld für kleinere und grössere Akquisitionen übrig. Und auch die Marge hat weiteres Steigerungspotenzial, denn die Sparte Robotics steckt in der Krise, der Spin-off-Kandidat E-Mobility schreibt Verlust, und das kurzzyklische Geschäft hat noch nicht richtig angezogen.
Ein britischer Pharmamulti für Europa
In Europa qualifizieren sich 52 Namen, nach 54 im Vormonat. Unter den zwanzig günstigsten Werten sind erstmals die heimische Grossbank UBS sowie der britische Pharmamulti GlaxoSmithKline oder kurz GSK vertreten.
UBS schafft den Sprung unter die günstigsten europäischen Titel, nachdem sie im Februar in die Schweizer Auswahl gerutscht ist. Als Bank ist sie ein untypischer Vertreter in einer Qualitätsauswahl, da wegen des hohen Fremdkapitaleinsatzes in der Regel die Verschuldung zu hoch und die Gesamtkapitalrendite zu niedrig ist.
UBS bildet die Ausnahme, da dank der Aufwertung der weit unter Buchwert erworbenen Credit Suisse ein extrem hoher Sondergewinn resultierte, der sich so nicht wiederholen lassen wird. Es dürfte demnach bei einem Gastauftritt in der Qualitätsauswahl bleiben. Dennoch lohnt sich ein Blick auf die Megabank, da UBS auf die Aktiven von Credit Suisse einen so grossen Abschreiber vorgenommen hat, dass sie in den nächsten Jahren rund die Hälfte davon gewinnbringend zurückbuchen kann. The Market sieht auch darum weiteres Potenzial für die UBS-Valoren.
Glaxo ist bisher eine Belastung für die Granolas
Obwohl GSK den ersten Buchstaben des Akronyms Granolas stellt, das wachstumsstarke europäische Aktien zusammenfasst, die den «glorreichen Sieben» in den USA Konkurrenz machen sollten, kommen die Papiere seit Jahren nicht vom Fleck. Sie notieren rund 30% unter ihrem im Januar 1999 verzeichneten Höchst und bewegen sich seit über zwanzig Jahren seitwärts.
Immerhin: Seit Anfang Jahr notieren sie fast 13% höher und haben damit die europäische Konkurrenz deutlich überflügelt, die gemessen am Stoxx Europe 600 Health Care Index in Pfund etwas mehr als 5% zugelegt hat. Neben einem guten Resultat für das letzte Jahr war dafür gemäss den Analysten von Bloomberg Intelligence vor allem die angehobene Guidance verantwortlich. So soll der Umsatz 2024 dank den neuen Impfungen gegen Gürtelrose und das RSV-Virus 5 bis 7% und der bereinigte Gewinn 7 bis 10% zunehmen. Bis 2026 soll sich das Wachstum gar noch beschleunigen. Dazu tragen neben den erwähnten Impfungen Aids-Medikamente der nächsten Generation sowie Mittel gegen Asthma und Schmetterlingsflechte bei.
«Obwohl GSK zwischen 2023 und 2027 gleich schnell wachsen wird wie die europäische Konkurrenz, wenn man von den Herstellern von Mitteln gegen Übergewicht absieht, handeln die Valoren mit einem Abschlag von 25%», schreiben die Experten von Berenberg. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,7 auf Basis des für 2025 geschätzten bereinigten Gewinns sei das tiefste unter den europäischen Pharmaaktien. Für die globale Konkurrenz liege der Wert bei 16,8. Sie empfehlen die Titel zum Kauf.
Regeneron dürfte den Angriff von Roche parieren können
In den USA schaffen es 83 Unternehmen in die Auswahl, gleich viele wie im Vormonat. Unter den zwanzig Werten mit der höchsten Ausschüttungsrendite ist erstmals die Biotech-Gesellschaft Regeneron Pharmaceuticals vertreten.
Regeneron verdient ihr Geld in erster Linie mit dem Augenheilmittel Eylea, das ausserhalb der USA von Bayer vertrieben wird. Obwohl die Einnahmen vergangenes Jahr rund 6% gesunken sind, weil Roche mit Vabysmo ein Konkurrenzprodukt auf den Markt gebracht hat, macht Eylea rund die Hälfte des Umsatzes von Regeneron aus. Noch höher dürfte der Beitrag zum operativen Gewinn sein.
Die Aussichten stehen aber gut, dass die Amerikaner den Angriff von Roche parieren können. Vergangenen Sommer hat das Unternehmen die FDA-Zulassung für eine neue, hoch dosierte Formulierung von Eylea erhalten und im vierten Quartal mit der Markteinführung begonnen. Die Rezeptur gilt als überlegen gegenüber Vabysmo, da sie bei vielen Patienten weniger häufig verabreicht werden muss. Die Analysten von Wells Fargo gehen davon aus, dass rund die Hälfte der Patienten, die heute eine Normaldosis einnehmen, auf die höhere Dosis wechseln wird. Dieser Wechselwille sei derzeit der Haupttreiber des Kurses.
Ausserdem dürfte das Medikament Dupixent bald die Zulassung zur Behandlung der chronischen Lungenkrankheit COPD erhalten. Auch der Umsatz des Krebsmittels Libtayo wird weiter anziehen. Dazu forscht Regeneron an zwei Zusatzstoffen zur Gewichtsabnahme, bei denen mehr Fett und weniger Muskeln abgebaut werden sollen als bei den GLP-1-Präparaten von Novo Nordisk und Eli Lilly. Mit einem für dieses Jahr geschätzten KGV von 19,8 sind die Titel zwar kein Schnäppchen, Potenzial besteht dank der Wachstumsaussichten aber durchaus.
Auswahl bleibt stark zyklisch
Keinen Neueintritt gab es unter den zwanzig günstigsten US-Qualitätswerten, die von Finanz-, Energie- und Hausbauunternehmen dominiert werden.
Durch die jüngsten Auswechslungen ist die Auswahl erstmals seit längerem etwas defensiver geworden. Dennoch bleibt sie stark zyklisch ausgerichtet und würde deshalb unter Druck geraten, falls die Weltwirtschaft in die Rezession gleitet. Andererseits bieten gerade wirtschaftlich schwierige Zeiten die besten Gelegenheiten für den Einstieg in konjunktursensitive Werte.