Das grosse militärische Hilfspaket der USA für die Ukraine und Israel erhält nur einen vergleichsweise kleinen Betrag für Taiwan. Doch das Paket enthält einige wichtige Neuigkeiten.
95 Milliarden Dollar hat der amerikanische Kongress nach monatelanger Blockade für Militärhilfe an die Ukraine, Israel und Taiwan bereitgestellt. Doch die Verteilung ist sehr ungleich: Gut 60 Milliarden gehen an die Ukraine, 26 Milliarden an Israel, und rund 8 Milliarden sind für den Indopazifik zur Abschreckung Chinas bestimmt. Darin inbegriffen sind 2 Milliarden, die Taiwan für seine Verteidigung erhält.
Erstmals erhält Taiwan Waffen «geschenkt»
Wichtiger als der Betrag sei die Art der Finanzierung, sagt Heino Klinck, der zwischen 2019 und 2021 im amerikanischen Verteidigungsministerium für Ostasien zuständig war. «Es handelt sich um ‹Foreign Military Financing›, kurz FMF. Und es ist das erste Mal, dass die USA dies einem Land geben, mit dem sie keine offiziellen Beziehungen haben. Das ist ein wichtiges diplomatisches und politisches Zeichen.»
FMF ist nicht ein Darlehen, das heisst, die taiwanische Regierung muss den Betrag nicht zurückzahlen. Taiwan erhält die Waffen geschenkt.
Dass die Beträge für die Ukraine und Israel massiv höher seien, sei logisch, sagt Klinck, weil dort derzeit gekämpft werde. Obwohl die USA von diesen Konflikten abgelenkt seien, hätten sie den Fokus auf China nicht verloren: «In Europa und im Nahen Osten hat die Abschreckung versagt. Dass der Indopazifik – wo kein Krieg herrscht – Teil des Pakets ist, sehe ich als Gewinn.»
Taiwan muss vor einem Angriff aufgerüstet werden
Zwischen der Ukraine und Taiwan besteht ein fundamentaler Unterschied. Die Ukraine kann seit dem russischen Angriff vor zwei Jahren relativ problemlos mit Nachschub versorgt werden dank ihrer langen Landgrenze mit mehreren Nato-Ländern. Russland kann diese Nachschublinien nicht angreifen – denn das würde Krieg mit der Nato bedeuten.
Hingegen wäre es ein Leichtes, die Insel Taiwan mit einer Blockade von der Aussenwelt abzuschneiden. Das riesige Raketenarsenal der chinesischen Volksbefreiungsarmee und im Osten Taiwans operierende U-Boote könnten Nachschublieferungen zu einem Himmelfahrtskommando machen. Ob und wie schnell die Amerikaner und ihre Alliierten in der Lage wären, Nachschubwege zu sichern, ist eine heiss diskutierte Frage unter Militärstrategen.
Das bedeutet: Die Waffen- und Munitionslieferungen an Taiwan müssen erfolgen, bevor ein Krieg ausbricht. Da China rasant aufrüstet und immer wieder erklärt, mit der «Rückholung Taiwans» nicht ewig zuwarten zu wollen, drängt die Zeit.
Amerikas Rüstungsindustrie kann nicht schnell genug liefern
Doch da gibt es ein Problem: Waffen im Wert von rund 19 Milliarden Dollar, welche Taipeh bestellt und Washington zur Ausfuhr genehmigt hat, sind ausstehend. Die amerikanische Rüstungsindustrie kann nicht liefern. Die Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten haben das Problem verschärft: Laut Medienberichten wurden verschiedene Bestellungen, die für Taiwan vorgesehen waren, in die Ukraine umgeleitet.
Klinck weist auf eine bürokratische Änderung auf amerikanischer Seite hin, die Lieferungen zumindest etwas beschleunigen könnte: Erstmals ist es möglich, dass Taiwan von der Presidential Drawdown Authority profitieren wird. Das bedeutet, dass der Präsident die Lieferung militärischer Güter aus dem bestehenden Arsenal der amerikanischen Streitkräfte nach Taiwan veranlassen kann.
Nach dem jüngsten Kongressentscheid könnten morgen theoretisch Waffen für 2 Milliarden Dollar auf Flugzeuge und Schiffe verladen und nach Taiwan transportiert werden. Mit dem gesprochenen Geld würden dann die USA ihre eigenen Lager auffüllen. Ob das geschieht und welche Waffen Taiwan so erhalten würde, ist unklar. Bereits jetzt gibt es in Washington Stimmen, die davor warnen, dass die eigenen Lagerbestände zu tief seien. Zwei Jahre Krieg in der Ukraine sowie der Gaza-Konflikt haben ihre Spuren hinterlassen.
Welche Waffen braucht Taiwan?
Dass Washington Waffen kostenlos und aus eigenen Beständen liefert, gibt ihm aber auch mehr Mitspracherecht darüber, was Taiwan erhalten wird. Denn es geht um amerikanisches Steuergeld. Es ist ein offenes Geheimnis, dass es zwischen den taiwanischen Militärs und dem Pentagon immer wieder Meinungsunterschiede darüber gibt, welche Waffen die richtigen sind für die Verteidigung der Insel.
Während Taiwan Panzer und Kampfflugzeuge bestellt hat, finden viele amerikanische Strategen, dass es für die Abwehr eines chinesischen Angriffs vor allem asymmetrische Waffen brauche: Diese sind leicht, mobil und schwer auffindbar. Dazu zählen zum Beispiel tragbare Flugabwehrraketen des Typs Stinger oder Panzerfäuste wie Javelin oder Antischiffsraketen, die von kleinen Booten oder Landfahrzeugen abgefeuert werden können. Grosse Systeme wie Schiffe, Flugzeuge und Panzer drohen in einer ersten Angriffswelle zerstört zu werden, bevor sie überhaupt eingesetzt werden können.
Der Graben zwischen den beiden Positionen sei kleiner geworden, zeigt sich Klinck überzeugt: «Die Schwierigkeit ist, dass Taiwans Streitkräfte fähig sein müssen, auf ganz unterschiedliche Szenarien zu reagieren.» Schon heute schickt China ständig Kampfjets und Kriegsschiffe in die Nähe der taiwanischen Territorialgewässer und des Luftraums. Um dem entgegenzutreten, braucht es auch Jets und Schiffe.
Im Fall eines chinesischen Grossangriffs hingegen sind asymmetrische Mittel gefragt: Da Taiwans Streitkräfte den chinesischen stark unterlegen sind, müssen sie mit den bescheidenen Mitteln dem Angreifer möglichst grosse Schäden zufügen. Idealerweise kommt Peking zum Schluss, dass die Kosten für einen Angriff so hoch sind, dass sich dieser nicht lohnt. Dann hätte die Abschreckung funktioniert.