Belgrad und Peking sind seit anderthalb Jahrzehnten strategische Partner. Mit seinem guten Draht nach China hat sich Serbiens Präsident Vucic mehr Spielraum gegenüber dem Westen verschafft.
Aleksandar Vucic weiss die chinesisch-serbische Freundschaft zu inszenieren. Als Serbien während der Pandemie als erster europäischer Staat Covid-Impfungen aus China erhielt, küsste der serbische Präsident vor laufender Kamera die chinesische Flagge und liess in Belgrad Plakate mit der Aufschrift «Danke, Bruder Xi!» drucken.
Zum Besuch des chinesischen Staatspräsidenten, der am Dienstagabend aus Frankreich in Belgrad eingetroffen ist, hat Vucic nun mehrere riesige chinesische Flaggen aufhängen lassen. An einem der beiden Genex-Türme etwa, einem ikonischen Hochhaus mit 30 Stockwerken, ist seit dem Wochenende die gesamte Fensterfront von einem roten Banner mit gelben Sternen verhüllt.
Wichtiger Brückenkopf in Europa
Serbien ist kein zufälliger Stopp auf Xis Europareise. Belgrad und Peking sind bereits 2009 eine strategische Partnerschaft eingegangen. Seit Vucic und Xi die Geschicke in ihren Ländern lenken, hat diese eine besondere Dynamik gewonnen. In den Covid-Jahren wurde das Schlagwort der «stählernen Freundschaft» geprägt.
Für China ist Serbien ein wichtiger Brückenkopf in einer Weltgegend, in der man Peking mit zunehmender Skepsis begegnet. Ausser dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban, den Xi im Anschluss an seinen Aufenthalt in Serbien besuchen wird, ist kein Staatsmann in Europa China so gewogen wie Vucic.
Serbien hat aber auch für Xi strategische Bedeutung. Auf der sogenannten neuen Seidenstrasse, mit der sich Peking die Kontrolle über die wichtigsten Handelswege sichern will, bildet der Balkan den natürlichen Korridor zwischen dem chinesisch kontrollierten Hafen von Athen und den Märkten in Mitteleuropa.
Wichtiger Geldgeber
China investiert beträchtliche – und dringend benötigte – Summen in die Modernisierung der maroden serbischen Infrastruktur. Unter anderem baut ein chinesisches Unternehmen eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Belgrad und Budapest.
Anders als westliche Partner knüpft Peking die Zusammenarbeit nicht an Bedingungen wie Rechtsstaatlichkeit oder Transparenz. Für Vucic und sein von Nepotismus geprägtes Regime ist das attraktiv, auch wenn die Kreditkonditionen längst nicht immer vorteilhaft sind. Serbiens überschuldeter Nachbar Montenegro kann ein Lied davon singen.
Bei Direktinvestitionen ist das Reich der Mitte in Serbien mittlerweile sogar der wichtigste Geldgeber. Unter anderem sind das Stahlwerk von Smederovo und die grosse Kupfermine von Bor in chinesischer Hand. Auch bei der Modernisierung der serbischen Streitkräfte spielt Peking eine wichtige Rolle. China ist über die Jahre zum zweitgrössten Handelspartner Serbiens geworden. Das Freihandelsabkommen, das am 1. Juli in Kraft tritt, dürfte den Warenaustausch weiter ankurbeln.
Demonstratives Bollwerk gegen westlichen Druck
Die wirtschaftlichen Beziehungen stehen im Vordergrund. Doch die beiden Staaten sind auch politische Partner. China anerkennt die Eigenstaatlichkeit Kosovos nicht und ist, als ständiges Mitglied des Sicherheitsrats, auf der internationalen Bühne neben Russland Serbiens wichtigster Verbündeter in der Frage.
Vucic dankte es kürzlich in einem Interview mit dem chinesischen Staatssender CCTV. «Taiwan gehört zu China. Punkt!», gab der serbische Präsident pflichtschuldig zu Protokoll. Es obliege allein Peking, zu entscheiden, wie es mit Taiwan umgehe.
Der Zeitpunkt von Xis Besuch ist bewusst gewählt. Auf den Tag vor 25 Jahren traf eine amerikanische Bombe während des Nato-Luftkriegs gegen Jugoslawien die chinesische Botschaft in Belgrad. Drei chinesische Journalisten wurden getötet. Der Vorfall belastete die Beziehungen zwischen Washington und Peking während Jahren schwer.
Zu einer Zeit, da dieses Verhältnis erneut stark getrübt ist und Serbien seinerseits wegen der Kosovo-Frage und des Verdachts von Wahlmanipulationen unter steigendem westlichem Druck steht, sendet die gemeinsame Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Vorfalls ein klares Signal aus. Dass das Parlament vergangene Woche trotzig zwei Minister bestätigte, die unter amerikanischen Sanktionen stehen, ist im selben Licht zu sehen.
Positives Bild von China
Der serbische Präsident ist ein Meister der Balancepolitik. Durch enge Beziehungen nach Moskau und Peking gelingt es dem serbischen Präsidenten seit Jahren, sich gegenüber der EU – dem nur schon aus geografischen Gründen mit Abstand wichtigsten Partner – Spielraum zu verschaffen.
Seit dem russischen Grossangriff auf die Ukraine sei es jedoch schwieriger geworden, die speziellen Beziehungen nach Moskau zu pflegen, sagt Vuk Vuksanovic vom Belgrader Zentrum für Sicherheitspolitik. Beispielhaft steht hierfür der vereitelte Besuch des russischen Aussenministers Lawrow im Juni 2022. Mehrere EU-Staaten hatten ihm damals die Überflugserlaubnis verweigert. In dieser Ausgangslage werde China als alternativer Partner umso wichtiger.
Hinzu kommt, dass Vucic in absehbarer Zeit mit aussenpolitischen Rückschlägen rechnen muss. Die Aufnahme Kosovos in den Europarat scheint wahrscheinlich. Auch die Uno-Resolution zur Schaffung eines Gedenktages für den Völkermord von Srebrenica lässt sich kaum noch abwenden. Mit Xis Besuch zeige Vucic, dass Serbien trotzdem mächtige Freunde habe, sagt Stefan Vladisavljev, ein Experte für chinesisch-serbische Beziehungen.
Dies zahlt sich auch innenpolitisch aus. In oppositionellen Kreisen werde Chinas Einfluss zwar auch mit Umweltproblemen und Korruption in Verbindung gebracht, sagt Vladisavljev. Doch in der Bevölkerung sei die Haltung gegenüber Peking positiv oder zumindest neutral.
Dass grundsätzlich wenig über das Reich der Mitte bekannt sei, mache es einfacher, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Mittlerweile hätten mehr Serben Vorbehalte gegenüber der Partnerschaft mit dem traditionellen Verbündeten Russland, sagt der Experte, als gegenüber jener mit China.