Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser will Strafen für die Täter verschärfen und mehr Polizeipräsenz durchsetzen. Doch es gibt bei den Innenministern der Länder auch Skepsis, ob mehr Polizei wirklich mehr Sicherheit für Politiker bedeutet.
Nach einer Reihe von Angriffen auf Politiker in den vergangenen Tagen wurde jetzt die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey Opfer einer Attacke. Bei einem Bibliotheksbesuch im Berliner Stadtbezirk Neukölln sei die frühere Regierende Bürgermeisterin von einem Mann «von hinten mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert und am Kopf sowie am Nacken getroffen worden», teilten Polizei und Staatsanwaltschaft Berlin am Dienstagabend mit.
Die Sozialdemokratin habe danach Kopf- sowie Nackenschmerzen gehabt und sei ambulant in einem Krankenhaus behandelt worden. Ein 74-jähriger Tatverdächtiger wurde am Mittwoch festgenommen, wie die Berliner Staatsanwaltschaft mitteilte. Gegen den Mann lägen bereits polizeiliche Erkenntnisse aus dem Bereich des Staatsschutzes und der Hasskriminalität vor. Es gebe Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung. Deshalb werde die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung geprüft, hiess es weiter.
Auch in Dresden kam es zu einem Zwischenfall. Eine Grünen-Politikerin wurde beim Aufhängen von Wahlkampfplakaten beleidigt, bedroht und bespuckt.
Als Konsequenz auf die Gewalt gegen Politiker kündigte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser Strafverschärfungen an. Die Sozialdemokratin sprach nach einer Sondersitzung der Innenminister von Bund und Ländern am Dienstagabend von einem «ganz deutlichen Stoppsignal an die Gewalttäter».
Schnellere Verfahren und höhere Polizeipräsenz
«Wir haben heute in der Innenministerkonferenz entschieden, dass es Strafverschärfungen geben soll», sagte die SPD-Politikerin in der ARD. Dafür werde sie sich bei Justizminister Marco Buschmann einsetzen. Die, die den Staat repräsentierten, brauchten einen besonderen Schutz. Dazu zählte die Ministerin eine höhere Polizeipräsenz, Schutzkonzepte und schnellere Verfahren.
Der Rechtsstaat greife auch jetzt schon mit voller Härte durch, sagte Faeser. Im Bereich des Strafrahmens sei aber noch Luft nach oben. «Aus verbaler Gewalt wird ganz bitter tatsächliche Gewalt», mahnte die Ministerin. Dabei verwies sie auf den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 durch einen Rechtsextremen.
Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen betonte, das Strafrecht bilde die Bedrohung für Amts- und Mandatsträger, aber auch für Ehrenamtliche «nicht mehr hinreichend ab». Dabei gehe es vor allem um Körperverletzung und Nötigung. Es könne Menschen Angst machen, ihre Meinung zu sagen und sich einzusetzen, sagte Stübgen, der Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist. «Die Polizei kann dabei die Verrohung im politischen Diskurs nicht alleine verhindern.» Nötig sei eine breite gesellschaftliche Diskussion, die weit über die Zuständigkeit der Innenminister hinausgehe. Die sächsische Landesregierung schlug vor, die Strafen für Angriffe auf Politiker und ehrenamtliche Wahlhelfer zu verschärfen. Zudem brachte sie ins Gespräch, einen neuen Straftatbestand für Bedrohungen und Einschüchterungen von Politikern zu schaffen.
Die SPD-Vorsitzende Esken reagierte verhalten auf diesen Vorschlag. Dies wäre eine Art Privilegierung von bestimmten Menschen, sagte Esken dem MDR. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul von der CDU zeigt sich zudem skeptisch, dass mehr Polizisten auf den Strassen den Schutz von Politikern erhöhten. «Eine Gesellschaft, in der Politiker mit Polizisten herumlaufen, man keine Informationsstände mehr machen kann und man sich nicht mehr traut, auf der Strasse Leute anzusprechen – das kann es nicht sein. Das dürfen wir nicht zulassen», sagte er im WDR. So viele Polizisten gebe es gar nicht, zumal diese auch noch anderes zu tun hätten. Man dürfe sich nicht von ein paar Verrückten alles kaputtmachen lassen.
Die meisten Angriffe gab es gegen die Grünen
Zuvor hatte bereits Bundesjustizminister Marco Buschmann eine Debatte über bessere Sicherheitsvorkehrungen für Politiker angekündigt. Man müsse darüber diskutieren, ob beispielsweise Infostände der Parteien in Einkaufszonen durch eine erhöhte Polizeipräsenz besser geschützt werden sollten, sagte der liberale Politiker dem Sender Phoenix.
Im vergangenen Jahr gab es rund 2800 Angriffe auf Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien. Ausserdem wurden deren Büros und Gebäude in insgesamt 567 Fällen Ziel von Angriffen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage hervor. Die meisten tätlichen Angriffe gab es dabei gegen AfD-Politiker. Die Grünen waren am häufigsten Ziel von Beleidigungen und Beschimpfungen.
Für parteiübergreifendes Entsetzen hatte der Angriff auf den sächsischen Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, gesorgt. Der SPD-Politiker wurde vergangene Woche von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen und schwer verletzt. Ecke musste im Spital operiert werden. Zumindest einen der Täter rechnet das Landeskriminalamt Sachsen dem rechtsextremen Spektrum zu.