Der russische Präsident wird in Peking fulminant empfangen. Für seinen Krieg gegen die Ukraine ist der Kreml auf kein Land mehr angewiesen als auf den grossen Nachbarn China.
Bereits im Februar 2022, wenige Tage vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, hatten Wladimir Putin und Xi Jinping eine «Freundschaft ohne Grenzen» beschworen. Jetzt wollen die beiden Staatschefs die Beziehungen ihrer beiden Länder offenbar auf ein noch höheres Level heben.
Am Donnerstag unterzeichneten Xi und Putin in Peking eine gemeinsame Erklärung mit dem etwas sperrigen Titel «Erklärung über die Vertiefung der gemeinsamen strategischen und umfassenden Partnerschaft für eine neue Ära». Putin sagte, China und Russland wollten künftig in der Automobilindustrie, bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln und im Energiesektor, unter anderem bei der Atomkraft, enger zusammenarbeiten. Über den Inhalt des Papiers wurde zunächst nichts bekannt.
Am Vormittag hatte Xi seinen russischen Amtskollegen auf dem Platz des Himmlischen Friedens mit militärischen Ehren empfangen. Anschliessend zogen sich die beiden Staatspräsidenten zu einem Gespräch zurück, das Putin anschliessend als «warm und kameradschaftlich» bezeichnete. Später trafen sich Xi und Putin zu einem Gespräch mit mehreren Ministern und Wirtschaftsvertretern beider Länder.
Putin war am frühen Morgen auf Einladung Xis zu einem Staatsbesuch in Peking eingetroffen. Es war das 43. Zusammentreffen der beiden Präsidenten.
Putin: ein «alter Freund Chinas»
Xi bezeichnete Putin erneut als «alten Freund Chinas», eine Betitelung, die China nur wenigen Regierungs- oder Wirtschaftsvertretern aus dem Ausland zuteilwerden lässt. Dass Putin nach dem Antritt seiner neuen sechsjährigen Amtszeit als Erstes China besuche, zeige, welch grossen Stellenwert die russische Regierung der Entwicklung der russisch-chinesischen Beziehungen beimesse, sagte Xi und fügte an: «China weiss das zu würdigen.»
Putin sagte, es sei die «nie da gewesene strategische Partnerschaft der beiden Länder», die ihn dazu veranlasst habe, China als erstes ausländisches Reiseziel nach Antritt seiner neuen Amtsperiode auszuwählen.
In Abhängigkeit vom Verlauf des Kriegs in der Ukraine erwarten Experten in Peking eine Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen. «Sollte Russland beim Krieg in der Ukraine weitere Fortschritte machen, wird sich das Verhältnis weiter vertiefen», sagt Shi Yinhong, Experte für internationale Beziehungen an der Renmin-Universität in Peking, gegenüber der NZZ.
Für Xi wäre ein Sieg Russlands eine Niederlage der USA
In den Augen Xis käme ein Sieg Russlands über die Ukraine einer Niederlage der USA, des schärfsten Rivalen Chinas, gleich. Auch deshalb unterstützt Peking Putin bei dessen Feldzug in der Ukraine.
Zwar liefert China keine Waffen an Russland, doch schickt der mächtige Nachbar im Süden nach Erkenntnissen westlicher Regierungen sogenannte Dual-Use-Güter nach Russland. Darunter sollen sich etwa Maschinenteile, Werkzeuge, Speicherchips und Komponenten zum Bau von Drohnen befinden. Nach Berechnungen der Zeitung «Financial Times» bezieht Russland 60 Prozent seiner Dual-Use-Güter aus China.
Darüber hinaus hält chinesisches Geld die russische Kriegsmaschinerie am Laufen. Seit Beginn des Kriegs hat China seine Öl- und Gaskäufe in Russland kräftig hochgefahren. Im vergangenen Jahr hatte der bilaterale Handel ein Volumen von 240 Milliarden Dollar. Gegenüber 2022 war das eine Steigerung von 26 Prozent.
Furcht vor Sanktionen im Finanzsektor
Doch Peking muss bei seiner Unterstützung Russlands mit Bedacht agieren. Der amerikanische Aussenminister Antony Blinken warnte China kürzlich vor möglichen Sanktionen im Finanzsektor, sollte sich herausstellen, dass Peking Russland mir Waffen versorgt.
Chinas Führung fürchtet, die USA könnten chinesische Banken vom Dollarzahlungsverkehr abschneiden. Die chinesische Regierung achtet deshalb peinlich genau darauf, dass die grossen Banken des Landes keine Geschäfte mit Russland machen. Kleinere Banken sind aber durchaus engagiert.
Auch wenn aus den Gesprächen am Donnerstag wenig nach aussen drang, dürfte das Thema eine wichtige Rolle gespielt haben. Putin wird bei seinem Staatsbesuch von Finanzminister Anton Siluanow, der Chefin der Zentralbank Elwira Nabiullina und dem CEO der Sberbank, Herman Gref, begleitet.
Russland und China arbeiten daran, ihre Abhängigkeit vom Dollar zu reduzieren. Inzwischen würden 90 Prozent des bilateralen Handels in Rubel oder Yuan abgewickelt, betonte Putin in Peking.
Eine alternative Weltordnung
Dass Russland und China noch enger zusammenrücken, geschieht aber auch aus geopolitischem Kalkül. Die beiden Länder sind vereint in ihrer Ablehnung der traditionellen westlich geprägten Weltordnung und wollen vor allem Schwellen- und Entwicklungsländern ihre Partnerschaft als eine Art Konzept für eine alternative Ordnung schmackhaft machen.
«Die chinesisch-russischen Beziehungen sind zu einem Modell für einen neuen Typ internationaler Beziehungen und der Beziehungen zwischen benachbarten Grossmächten geworden», sagte Xi am Donnerstag.
Am Abend wollen Xi und Putin im Rahmen eines Staatsbanketts den 75. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern feiern. Am Freitag will Putin nach Harbin, einer Stadt nahe der russisch-chinesischen Grenze, weiterreisen.
Dort will Russlands Präsident vor Studenten sprechen und eine chinesisch-russische Handelsmesse besuchen. Harbin, das einst eine beträchtliche russische Minderheit beheimatete, unterhält traditionell enge Beziehungen zu Russland. Putins Besuch dort unterstreicht das grosse Interesse an einer weiteren Vertiefung der Beziehungen zu China.