Der Chef der US-Einlagensicherung FDIC, Martin Gruenberg, ist politisch angeschlagen. Die baldige Durchsetzung strengerer Eigenkapitalvorgaben bei amerikanischen Grossbanken ist in der Schwebe.
Die mächtige Einlagensicherung Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), die in den USA auch die Bankenaufsicht stellt, steht im Kreuzfeuer der Kritik. Ihr Chef, Martin Gruenberg, musste diese Woche vor einem US-Kongressausschuss auftreten und sich und seine Behörde verteidigen. Er wurde von republikanischen Politikern zum Rücktritt aufgefordert. Die Demokraten stehen weiter hinter ihm. Doch ob er sich im Amt halten kann, ist ungewiss.
Ein jüngst publizierter Untersuchungsbericht bestätigt gravierende Missstände bei der FDIC bezüglich Diskriminierung von Frauen und Gruenbergs eigenen, herabsetzenden Führungsstils. Gemäss dem Bericht handelt es sich bei der FDIC um einen «Altherrenklub», in dem Vetternwirtschaft herrscht und leitende Angestellte, die sexuelle Beziehungen zu Untergebenen unterhalten, lange Karrieren ohne Konsequenzen haben können.
Der von einer Anwaltskanzlei verfasste Bericht folgt auf eine Recherche des «Wall Street Journal» vom vergangenen Herbst. In dieser wird ein toxisches, sexistisches Arbeitsumfeld beschrieben, in dem Stripklub-Besuche, sexuelle Belästigung und die Benachteiligung von Frauen zum Alltag gehörten. Exzessiver Alkoholkonsum soll ebenfalls zur Behördenkultur der FDIC gehören. Gruenberg selbst hatte die unabhängige Untersuchung veranlasst.
Eine Art «Super-Finma»
In dieser kommt er nicht gut weg. Der 71-jährige Gruenberg soll ein cholerischer Chef sein, der seine Untergebenen beschimpfe. Der Bericht zieht den Schluss, dass die FDIC eines tiefgreifenden kulturellen Wandels bedürfe, wobei fraglich sei, ob Gruenberg als langjähriger Leiter und oberster Verantwortlicher die geeignete Person sei, um diesen herbeizuführen.
Gruenberg entschuldigte sich in einem internen Memo bei seinen Mitarbeitenden. Eine Amtsenthebung könnte indes nur US-Präsident Joe Biden herbeiführen. Sollte der Demokrat Gruenberg zurücktreten, stünden sich in der FDIC-Kommission vorübergehend zwei Republikaner und zwei Demokraten gegenüber. Mit einer solchen Pattsituation im Gremium würde es für die Demokraten schwieriger, geplante strengere Kapitalvorschriften für amerikanische Banken schnell durchzusetzen.
Der Skandal schränkt die Handlungsfähigkeit und Glaubwürdigkeit Gruenbergs und der FDIC ein, was nicht im Sinne eines stabilen Bankensystems ist. Denn die US-Behörde ist nicht mit der Schweizer Einlagensicherung vergleichbar, deren primäre Aufgabe es ist, Bankeinlagen bis 100 000 Franken pro Kunde zu schützen.
Mit rund 6000 Mitarbeitern ist die FDIC eher eine Art «Super-Finma», die nicht nur für die Aufsicht, sondern auch für die Stabilität und das öffentliche Vertrauen in das amerikanische Bankensystem zuständig ist. Zusätzlich sichert sie die Kundeneinlagen ab und kümmert sich um die Abwicklung insolventer Banken. Beides hat sie während der Regionalbanken-Krise im vergangenen Jahr erfolgreich getan.
Basel III: «Endgame» für amerikanische Grossbanken?
Im Nachgang der Krise hatten Bankbehörden wie die FDIC, die US-Zentralbank Fed und das Office of the Comptroller of the Currency Vorschläge präsentiert, um die amerikanischen Banken sicherer zu machen und besser vor Bank-Runs zu schützen, wie sie die Silicon Valley Bank im März 2023 erlebte.
Um künftige Krisen zu verhindern, sehen die Vorschläge der Bankaufseher vor, dass grosse, komplexe amerikanische Banken mit mehr als 1000 Milliarden an Aktiven höhere Eigenkapitalanforderungen erfüllen sollen. Unter anderem soll ihre minimale Kernkapitalquote um 16 Prozent angehoben werden. Betroffen wären 30 amerikanische Banken, darunter 8 global systemrelevante Institute wie JP Morgan, Morgan Stanley oder die Bank of America. Aber auch kleinere Banken müssten mehr Kapital halten.
Die amerikanische Bankenkrise hatte auch Konsequenzen für die Schweiz, indem sie die Krise bei der Credit Suisse drastisch verschärfte. Die Grossbank wurde ebenfalls Opfer eines Bank-Runs und wurde notfallmässig durch die UBS übernommen. Wegen der amerikanischen Bankenkrise herrschte an den Kapitalmärkten eine derart grosse Unsicherheit, dass andere Szenarien als eine Übernahme in den Hintergrund traten.
Es wird spekuliert, dass die amerikanische Version der neuen Kapitalstandards, das «Basel III Endgame», im August vorgestellt werden könnte. Noch immer herrscht Unklarheit über ihre finale Ausgestaltung. Prominente amerikanische Banker wie der JP-Morgan-Chef Jamie Dimon äusserten jüngst ihre Bedenken. Für ihn sind die Basel-III-Vorgaben «exzessiv» und «zu wenig durchdacht». Er fürchtet, dass amerikanische Banken gegenüber europäischen benachteiligt werden könnten. Bankenlobbys drohen, rechtlich gegen die Vorgaben vorzugehen.
Auch innerhalb der FDIC und des Fed sind strengere Kapitalvorschriften umstritten. Ähnliche Argumente, wie sie die UBS formuliert, die ebenfalls höhere Kapitalvorgaben vermeiden will, werden vorgebracht: Mehr Eigenkapital verteuert das Bankgeschäft, damit werden die Kreditvergabe und die Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt. Die höheren Kosten tragen am Ende die Konsumenten und Unternehmen.
Gruenberg kritisiert CS-Rettung
Der FDIC-Chef Gruenberg macht sich nicht nur für strengere Kapitalvorgaben stark, er hat jüngst auch die Schweiz und ihren Umgang mit der Credit Suisse kritisiert. Der Entscheid, die CS mit der UBS zu fusionieren und somit zu retten, sei «kein hilfreicher» Weg gewesen, um mit einer scheiternden globalen Bank umzugehen, sagte er gegenüber der «Financial Times». Dass man sich dagegen entschieden habe, sei eine verpasste Chance gewesen.
Die amerikanischen Bankbehörden würden in einer ähnlichen Situation nicht vor einer vollständigen Liquidation zurückschrecken. «Ich würde JP Morgan oder eine andere global systemrelevante Bank abwickeln», sagte er vollmundig. «Wir denken, dass dies machbar ist.» Die FDIC wolle die Bankaktionäre und Manager daran erinnern, dass sie sich nicht wie während der Finanzkrise von 2008 darauf verlassen könnten, im Notfall von der Regierung gerettet zu werden.