Der Brautmodenhersteller Pronovias will nach schwerer Krise mit einem neuen CEO an den Erfolg von Modekonzernen wie Zara anknüpfen. Dem Konzern kommt dabei zugute, dass spanische Bräute beim Kleiderkauf traditionell spendabel sind.
Seit drei Jahrzehnten schon mischt der gebürtige Katalane Marc Calabia bei den ganz grossen Textilkonzernen der Welt wie etwa Levi Strauss mit. In Spanien verdiente er sich seine Sporen beim Fast-Fashion-Riesen Zara und dem Modekonzern Desigual, der dem Schweizer Thomas Meyer gehört. Letztes Jahr wechselte Calabia als CEO zu Pronovias, Spaniens grösstem Brautmodenhersteller. Dieses Unternehmen ist europaweit in seiner Sparte führend.
Im April stellte der Topmanager einen neuen Strategieplan vor, um den in eine finanzielle Schieflage geratenen Brautmodenspezialisten wieder in die Gewinnzone zu bringen. Den Auftrag dafür erteilte ihm die Risikokapitalgesellschaft Bain Capital, die Pronovias zusammen mit dem Investmentfonds MV Credit vor gut einem Jahr übernommen hatte.
Pronovias ist ein traditionsreiches Unternehmen, das auf eine lange Geschichte zurückblickt. 1922 gründete der türkischstämmige Alberto Palatchi Bienveniste in Barcelona ein kleines, aber feines Geschäft, das sich auf Seidenstoffe und Bordüren spezialisierte. Damit alles nobel klingt, taufte er es «El Suizo» (der Schweizer), über die Jahre war der Laden eine der angesehensten Adressen in Barcelona.
Hohe Gewinnspannen
Sein Sohn Alberto junior begann dann vor sechzig Jahren damit, Brautkleider aus edlen Stoffen zu fertigen. Unter seiner Ägide nahm die Expansion ihren Anfang. Der erste Markt ausserhalb Spaniens waren die Niederlande, schnell folgten Deutschland, Frankreich und Italien. Heute verkauft Pronovias seine Kreationen in über hundert Ländern. Es locken hohe Gewinnspannen. Brautkleider von der Stange gibt es bei Pronovias ab 1900 Euro, bei massgeschneiderten Haute-Couture-Brautkleidern beginnen die Preise bei 3000 Euro, viele Modelle sind erst ab 5000 Euro erhältlich. Änderungen sind dabei noch nicht inbegriffen.
Trotz märchenhaftem Aufstieg blieben selbst Pronovias turbulente Zeiten nicht erspart. Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Gründerfamilie bis heute zu einer der reichsten Spaniens zählt. Denn 2018 verkaufte Alberto junior das Unternehmen zum sagenhaften Preis von 550 Millionen Euro an den Investmentfonds BC Partners. Dieser hatte sich gegen andere Finanzgruppen wie Carlyle , Permira und die US-Beteiligungsgesellschaft KKR durchgesetzt. Doch die Manager von BC Partners verloren beim Ausflug ins Hochzeitsgeschäft über 300 Millionen Euro.
Erschwerend kam hinzu, dass die Corona-Pandemie die ganze Industrie zwei Jahre lang lähmte. Ende 2022 reichte es dem angelsächsischen Finanzunternehmen. Raymond Svider, Chef von BC Partners, gab seine Anteile an Pronovias an das Konsortium unter der Führung von Bain Capital und MV Credit weiter. Die neuen Besitzer versuchen, Pronovias mit einer Finanzspritze in Höhe von 220 Millionen Euro wieder fit zu machen.
Die USA als neuer Markt
Calabia ist zuversichtlich, dass er die Erwartungen der neuen Eigentümer erfüllen kann und Pronovias mit seinem neuen Strategieplan 2027 wieder Gewinne einfährt. Zunächst will er die Zahl der Modelle beschränken und sich dafür auf wenige, aber hochwertigere Brautkleider spezialisieren. Die Kollektion für 2024 präsentierte er kürzlich in Barcelona.
Calabia will jetzt weiter expandieren, zunächst in den USA. Dort wolle er das Geschäft in den nächsten drei Jahren verdoppeln, sagte Calabia gegenüber dem spanischen Modeportal Modaes.com. Das könnte gelingen, der bisherige Marktführer in den USA, David’s Bridal, musste nach der Corona-Krise Konkurs anmelden. Auch in Deutschland und Grossbritannien sieht Calabia Wachstumschancen. China hingegen ist keine Option für Pronovias. Dort ist es üblich, das Hochzeitskleid nur auszuleihen. «Das ist kein Geschäft für uns», so Calabia. Er hofft auf andere Märkte in Asien, die erst langfristig wichtig werden könnten.
Der wichtigste Markt ist Italien, es folgt Spanien. Auf dem Heimatmarkt wurden im Jahr 2022 fast 180 000 Hochzeiten gefeiert, das ist die höchste Zahl seit 2010. Besonders interessant für die Branche ist, dass sich die Iberer die Hochzeiten immer mehr kosten lassen. Mittlerweile gibt das Brautpaar im Schnitt 21 000 Euro für eine Hochzeitsfeier aus. In Deutschland oder der Schweiz liegt die Summe nur halb so hoch. Solche Summen sind aus einem einfachen Grund nicht abschreckend. Auf der Iberischen Halbinsel müssen die geladenen Gäste tief in die Tasche greifen. Üblicherweise überreicht jeder von ihnen dem Brautpaar inzwischen 150 bis 200 Euro. Das reicht zwar nicht, um alle Kosten zu decken, aber zumindest gerät niemand in Versuchung, ausgerechnet beim Brautkleid zu sparen. Und davon profitiert Pronovias.