Lai Ching-te setzt aussenpolitisch den Weg seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen fort. In seiner Amtsantrittsrede verspricht er, den Status quo erhalten zu wollen.
Fünf Militärjets fliegen über ein blaues Pferd mit regenbogenfarbener Mähne, das vor dem ehrwürdigen Präsidentenpalast aus japanischer Kolonialzeit steht. Der neue Präsident und die Vizepräsidentin Taiwans tanzen mit einer bunt gemischten Truppe, Einzelne tragen die Trachten der Ureinwohner, andere Breakdance-Kluft. Soldaten in Paradeuniform wirbeln ihre blank polierten Gewehre durch die Luft. Dazu singt eine Rockgruppe zu ohrenbetäubend krachenden Beats «Let me stand up like a Taiwanese».
Die Feier zelebrierte Taiwans lebendige Zivilgesellschaft
Die Feier zur Amtseinsetzung des neuen taiwanischen Präsidenten Lai Ching-te am Montag in Taipeh repräsentierte die bunte, liberale Gesellschaft der Inselrepublik, deren Identität taiwanisch und nicht etwa chinesisch ist. Taiwan nennt sich offiziell Republik China. Lai ist nun formell ihr Präsident.
Trotz der teilweise fast karnevalesken Atmosphäre stand Lais Antrittsrede im Zentrum des Interesses. Lai ist vor allem als Innenpolitiker bekannt, als Arzt sind soziale Fragen seine Stärke. Mit besonderer Spannung wurden allerdings seine Äusserungen zum Verhältnis zu China erwartet.
Lais Demokratisch-Progressive Partei (DPP) ist Peking gegenüber kritisch eingestellt und stellt die von Festlandchina separate taiwanische Identität in den Vordergrund. Die Propagandamedien der Kommunistischen Partei in Peking sehen ihn deshalb als Separatisten und Provokateur.
«Wir werden weder nachgeben noch provozieren und den Status quo aufrechterhalten», sagte Lai in Bezug auf die Beziehungen zu China. Damit gab er ein Versprechen ab, nicht die formale Unabhängigkeit Taiwans auszurufen, was Peking – wie es immer wieder betont – als Kriegsgrund nähme.
Lai setzt damit die Politik seiner Vorgängerin Tsai Ing-wen fort, die am Montag nach achtjähriger Amtszeit abtrat. Die gemeinsame Linie besagt, dass die Republik China bereits souverän sei. Die Basis dafür sei die Verfassung der Republik China. «Die Republik China und die Volksrepublik China sind einander nicht untergeordnet», sagte Lai.
Lai will Dialog unter Gleichen
Lai zeigte sich offen für einen Dialog mit der Volksrepublik, basierend «auf den Grundsätzen der Parität und der Würde». Peking müsse dazu aber mit der Regierung sprechen, welche das Volk gewählt habe – sprich: mit ihm. Damit spielte er darauf an, dass die chinesischen Machthaber einen direkten Kontakt mit seiner Vorgängerin vermieden hatten und stattdessen mit der oppositionellen Kuomintang (KMT) Kontakte pflegen. Lai nannte touristische Reisen und den Austausch von Studenten als mögliche erste Schritte einer Annäherung.
Lai hatte auch eine deutliche Aufforderung an Peking: «Ich möchte China auffordern, seine politische und militärische Einschüchterung gegen Taiwan einzustellen, gemeinsam mit Taiwan die Verantwortung für Frieden und Stabilität in der gesamten Region zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass die Welt keine Angst vor einem Krieg haben muss.»
Lai fährt aussenpolitisch den Weg von Tsai Ing-wen
In einer schlichten Zeremonie wurde im Präsidentenpalast nach der offiziellen Amtsübernahme die abtretende Präsidentin Tsai verabschiedet. Tsai war die erste Frau im Präsidentenamt der Republik China. Sie durfte bei den Wahlen im Januar wegen einer Amtszeitbeschränkung nicht mehr antreten.
Tsai hatte sich für die Souveränität ihres Landes starkgemacht – wofür sie Peking mit totaler Gesprächsverweigerung bestrafte. Die kommunistischen Machthaber sehen die Insel als Teil ihres Territoriums. Offiziell anerkennen nur noch gerade zwölf Länder die Republik China. Tsai und ihre Regierung setzten stark auf die inoffiziellen Beziehungen zu demokratischen Partnerländern wie den USA, Japan oder Europa.
Tsai hatte die Verteidigung Taiwans gestärkt, das Militärbudget angehoben und den obligatorischen Militärdienst von vier Monaten auf ein Jahr verlängert. Lai dürfte diese Linie weiterführen. So sagte er: «Solange China sich weigert, auf Gewalt gegen Taiwan zu verzichten, wird China nicht von seinen Ambitionen abrücken, Taiwan zu annektieren – selbst wenn wir Chinas Position vollumfänglich akzeptieren und unsere Souveränität aufgeben würden.»