Die Schweiz hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt. Für viele hier sind diese hohen Kosten ein echtes Problem – weshalb jetzt auch zwei Volksabstimmungen zu diesem Thema anstehen. Ich habe mich durch unzählige Berichte, Studien und Umfragen gewühlt, um herauszufinden, was das Schweizer System so speziell macht. Und welche Vorschläge vorliegen, um die Kosten in den Griff zu bekommen.
Wenn es darum geht, woher in der Schweiz das Geld für das Gesundheitswesen kommt, gibt es grob gesagt drei Gruppen. Die erste Gruppe sind die obligatorischen Krankenkassen. Das ist im Grunde genommen ein ähnliches System, wie man es auch in Deutschland kennt. Allerdings gibt es ein paar Unterschiede: So heisst es im «Bundesgesetz über die Krankenversicherung»: «Jede Person mit Wohnsitz in der Schweiz muss sich (…) für Krankenpflege versichern (…).» In der Schweiz braucht also jeder und jede eine eigene, private Versicherung. Selbst Kinder, Studierende und Arbeitslose. In Deutschland ist das anders – da sind zum Beispiel Familienangehörige oft mitversichert.
Ein weiterer Unterschied: In Deutschland übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte der Beiträge – zumindest formal. Hier in der Schweiz muss man sie selber zahlen. Sie werden auch nicht direkt vom Lohn abgezogen.
Und der wohl wichtigste Unterschied: In Deutschland ist die Höhe der Abgabe abhängig vom Einkommen. Zumindest bis zu einem Jahresgehalt von 62 100 Euro – ab dort sind die Beiträge dann gedeckelt. In der Schweiz ist das anders: Wie viel du einzahlst, hängt in erster Linie nicht davon ab, wie viel du verdienst. Es gibt zwar schon Verbilligung für Personen mit wenig Einkommen – aber dazu gleich mehr. Grundsätzlich handelt es sich in der Schweiz um eine sogenannte Kopfprämie.
Und der Blick in die Vergangenheit zeigt: Die Ausgaben für diese Prämien sind in absoluten Zahlen ziemlich stark angestiegen. Im Durchschnitt zahlen wir in der Schweiz heute rund 4000 Franken jährlich.
Die zweite Gruppe nenn ich mal «private Ausgaben». Denn in der Schweiz ist es so, dass die obligatorischen Krankenkassen nicht alle Behandlungskosten übernehmen. Es gibt einerseits den Selbstbehalt und die Franchise: Das sind Teile der Behandlungskosten, die du immer aus der eigenen Tasche bezahlen musst. Je nach Versicherungsmodell sind sie unterschiedlich hoch. Und es gibt andererseits viele Leistungen, die in der Schweiz gar nicht gedeckt sind von der obligatorischen Krankenkasse. Zahnärztliche Behandlungen – um nur ein Beispiel zu nennen. Auch die musst du entweder selbst zahlen oder über freiwillige Zusatzversicherungen finanzieren. Diese Ausgaben belaufen sich im Durchschnitt auf weitere 3000 Franken pro Person und Jahr.
Damit sind die Kosten im Gesundheitswesen aber immer noch nicht gedeckt. Der letzte Teil kommt aus der Staatskasse. Pro Einwohnerin und Einwohner sind das zurzeit weitere rund 2600 Franken. Das sind zum Beispiel Subventionen an Krankenhäuser und andere Institutionen.
Alles zusammen belaufen sich die Gesundheitskosten in der Schweiz auf jährlich über 10 000 Franken pro Person. Damit hat die Schweiz in absoluten Zahlen eines der teuersten Gesundheitssysteme. Setzt man die Ausgaben aber ins Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandprodukt, fällt die Schweiz zum Beispiel hinter Deutschland oder Frankreich. Der Unterschied ist aber, dass wir in der Schweiz den Grossteil der Kosten eben über eine Kopfprämie oder direkt aus der eigenen Tasche bezahlen. Und das ist für viele hier ein Problem.
In diesem Bericht von 2023 wurden Schweizerinnen und Schweizer nach ihren grössten Alltagssorgen gefragt. Da haben die Befragten so Dinge wie Wohnkosten, Zuwanderung, Altersvorsorge und Klimawandel genannt. Aber am allerhäufigsten haben sie das Gesundheitswesen beziehungsweise die Krankenkassen und Prämien erwähnt.
Dass die Kosten so stark ansteigen, hat verschiedene Gründe. Diese Studie hier kommt zum Beispiel zum Schluss: Einer der Hauptgründe ist die Tatsache, dass wir heute häufiger zum Arzt gehen und aufwendigere Behandlungen bekommen als früher. Das ist nicht unbedingt nur schlecht: Denn das hängt auch damit zusammen, dass wir heute im Schnitt älter werden. Oder dass unser Wohlstand gestiegen ist. Und dass die Medizin heute Dinge behandeln kann, die man früher noch nicht behandeln konnte.
Bleibt aber die Frage, was wir gegen diese hohen Kosten tun können. Am 9. Juni 2024 stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung gleich über zwei Vorlagen ab, die sich dieses Problems anzunehmen versprechen. Sie beide setzen bei den obligatorischen Krankenkassen an.
Da ist einerseits die Prämienentlastungs-Initiative der SP. Sie fordert, dass die Krankenkassenprämien gedeckelt werden und nicht mehr als zehn Prozent des verfügbaren Einkommens ausmachen. Alles, was darüber hinausgeht, soll über staatliche Prämienverbilligung kompensiert werden.
Hier ist noch wichtig zu erwähnen: Schon heute unterstützen Staat und Kantone Personen mit wenig Einkommen mit sogenannten Prämienverbilligungen. Diese beliefen sich im Jahr 2022 auf insgesamt etwa 5,4 Milliarden Franken. Geht es aber nach der Initiative, soll diese staatliche Unterstützung unter Umständen um weitere 12 Milliarden Franken pro Jahr aufgestockt werden. Wie genau dieser Ausbau finanziert werden soll, dazu besagt die Initiative nichts.
Dann gibt es noch die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei. Sie will, dass die Krankenkassenprämien prozentual nicht viel stärker ansteigen dürfen als die «Gesamtwirtschaft und die durchschnittlichen Löhne». Steigen sie stärker, müsste der Bund Massnahmen ergreifen. Wie diese dann im Detail aussehen, lässt die Initiative aber offen.
Im Grossen und Ganzen sind wir in der Schweiz laut Umfragen ja eigentlich sehr zufrieden mit dem Gesundheitssystem. Wäre da nur nicht der Kostenpunkt. Aber wirklich ausgereifte Ideen, wie man die steigenden Kosten in den Griff bekommen könnte, fehlen. Egal, wie die Abstimmungen am 9. Juni ausgehen werden, das Thema ist noch lange nicht vom Tisch.