Bankaktien haben jüngst meist besser abgeschnitten als der Gesamtmarkt. Doch nun fällt der Schub der steigenden Zinsen weg, UBS ist mit der Integration der Credit Suisse beschäftigt, und Julius Bär muss aus dem Benko-Debakel finden.
Im Rückblick zeigt sich: Die Aktien der Schweizer Vermögensverwalter haben im Fünfjahresvergleich den breiten hiesigen Markt geschlagen. UBS mit einer Performance von 140% sehr deutlich, auch der Aktienkurs von EFG hat sich nahezu verdoppelt.
Auf ebenso gutem Weg war Julius Bär – bis das Signa-Debakel die Privatbank zurückwarf. Einzig die Aktien von Vontobel stagnierten über diese Zeit und blieben so hinter dem Swiss Performance Index (SPI) zurück, der zur besseren Vergleichbarkeit ebenfalls ohne Dividenden gerechnet in fünf Jahren 20% avanciert ist.
Generell gilt: Aktien von Privatbanken reagieren viel nervöser auf Marktveränderungen als der Aktienmarkt insgesamt. In der Verunsicherung bei Ausbruch der Covid-Pandemie im März 2020 brachen die Bankvaloren ein, während der SPI sich im Vergleich geradezu stabil zeigte. In der Hausse bis Ende 2021 hatten die Bankaktien den Markt dann mehrheitlich gar wieder überflügelt.
Doch sie schlagen nicht nur kräftig aus, sondern folgen auch eigenen Treibern. Als 2022 die steigenden Zinsen den Aktienmarkt zu belasten begannen, sanken anfänglich zwar auch die Kurse der Bankaktien. Als die Zinswende jedoch Fahrt aufnahm, setzten die Banken erneut zum Höhenflug an, während der breite Markt unter Druck blieb.
Steigende Zinsen beflügeln
Steigende Zinsen sind ein Paradies für Banken. Ihre Zinsmarge weitet sich in dieser Phase so kräftig aus, dass trotz des sich dann schwieriger gestaltenden Geschäfts der Vermögensverwaltung die Gewinne in der Regel in die Höhe schnellen – und die Aktienkurse von Banken entsprechend anziehen.
Dieser Vorteil verringert sich, wenn die Zinsen den Höhepunkt erreicht haben. Dann wollen auch die Kunden höhere Zinsen auf ihren Konten, da sie risikolos auch in andere Anlagen diversifizieren können, beispielsweise in US-Staatsanleihen, die gegen 5% Rendite bieten. Die Folge ist, dass sich die Zinsmarge der Banken in dieser Phase wieder einengt.
Bedeutet das, dass die Bankaktien nun ausgereizt sind? Wieso divergiert die Entwicklung der Valoren der Schweizer Vermögensverwalter trotz ähnlicher Treiber so stark? Und was heisst das für ihr künftiges Kurspotenzial?
Diesen drei Fragen widmet sich die folgende Analyse.
Die derzeitigen Treiber
Während zu Jahresbeginn von der US-Notenbank für das laufende Jahr noch mehr als sechs Zinssenkungen erwartet wurden, sind es derzeit noch lediglich eine bis zwei. Doch die Zinsmarge der Privatbanken dürfte sich dennoch wieder etwas schliessen: «Der Druck auf die Privatbanken besteht, die Einlagezinsen zu erhöhen. Dennoch werden die höheren Zinsen im langjährigen Vergleich die Marge immer noch auf einem guten Niveau halten», sagt Andreas Venditti, Bankanalyst von Vontobel.
Auch für die Schweizer Privatbanken ist diesbezüglich der Dollar die wichtigste Währung. Ihre internationale Kundschaft ist stark auf die US-Währung ausgerichtet. Bei UBS sind mehr als die Hälfte der von ihr verwalteten Vermögenswerte in Dollar investiert, bei Julius Bär und EFG ist es rund die Hälfte und damit jeweils doppelt so viel wie in Euro und fünfmal so viel wie in Franken. Einzig bei Vontobel investiert die Kundschaft mehrheitlich in Franken.
Die unterschiedlich hohen Zinsniveaus beeinflussen zudem die Wechselkurse. Nachdem sich der Franken gegenüber dem Dollar und dem Euro über Jahre insgesamt aufgewertet hatte, hat zu Beginn dieses Jahres eine Trendwende eingesetzt. Die Schweizerische Nationalbank hat als Vorreiterin im März zudem bereits eine erste Zinssenkung vollzogen.
Die nun höheren Notierungen von Dollar und Euro führen bei den in Franken rechnenden Schweizer Privatbanken dazu, dass die von ihr verwaltete Vermögensbasis steigt. Da die Gebühren zudem in der Portfoliowährung anfallen, weiten sich damit die Einnahmen der Banken in Franken gerechnet gleich doppelt aus.
Gleichzeitig ist der Kostenblock, der in Dollar anfällt, bei den Banken meist gering. Bei Julius Bär fliesst rund die Hälfte der Einnahmen in Dollar, aber lediglich rund 5% der Kosten entfallen auf die US-Währung. Etwas weniger ausgeprägt, aber immer noch vorteilhaft ist der Mix bei EFG und Vontobel. Einzig UBS, die ihre gesamte Konzernrechnung in Dollar ausweist, profitiert kaum von einem derzeit positiven Währungseffekt.
Was zudem für die Privatbanken spricht, ist das gute Börsenumfeld. Die Märkte haben sich mit dem höheren Zinsniveau arrangiert, die Konjunktur zeigt sich über Erwarten robust, und eine sanfte Landung gilt weiterhin als Basisszenario:
«Der Weltaktienindex hat seit Jahresbeginn fast 10% zugelegt und entsprechend die Kundenvermögen gemehrt», sagt Venditti. Dazu komme, dass sich die Handelsaktivität der Kunden, die im Herbst auf einen Tiefstand gefallen war, merklich belebt hat. «Dieses Transaktionseinkommen ist für Privatbanken sehr relevant. Bei UBS hat sich das im ersten Quartal gezeigt, und noch stärker wirkt der Faktor bei Julius Bär.»
Bär hat gestern Donnerstag die Eckwerte zu den ersten vier Monaten veröffentlicht und die Bruttomarge sequenziell deutlich gesteigert, angetrieben von «einer deutlichen Erholung der aktivitätsgetriebenen Ertragskomponenten» und nur teilweise belastet durch einen geringeren Bruttomargenbeitrag des Erfolgs aus dem Zinsgeschäft. Durch den deutlich positiven Währungseffekt sowie die gute Entwicklung an den Aktienmärkten legten die verwalteten Vermögen von Bär seit Jahresbeginn zudem 10% auf 470 Mrd. Fr. zu.
Unterschiedliche Ausgangslagen
CHART UBS
Der starke Lauf der UBS-Aktien geht weniger als bei den anderen Banken auf die Markttreiber zurück, die derzeit auf ihr Wealth Management einwirken – auch wenn die Division im ersten Quartal klar positiv hervorgestochen ist.
Was die Valoren der UBS primär antreibt, ist die Übernahme der Credit Suisse, die ihr zu einer neuen Grösse und erhofftermassen nach der Integration auch zu einer deutlich höherer Effizienz verhelfen dürfte.
Derzeit prägen regulatorische Fragen um die Kapitalisierung den Kursverlauf der UBS stark, da das massgeblich beeinflussen wird, wie viel überschüssiges Kapital die Grossbank künftig an ihre Anteilseigner zurückführen können wird.
In einer besonderen Ausgangslage ist auch Julius Bär. Im November musste sie ein erhebliches Klumpenrisiko gegenüber dem gestrauchelten österreichischen Immobilieninvestor René Benko und seiner Signa-Gruppe von 600 Mio. Fr. eingestehen. Dieses Engagement hat die Bank inzwischen komplett abgeschrieben, und ihr CEO Philipp Rickenbacher ist zurückgetreten.
Seither herrscht ein Führungsvakuum, da mit dem ehemaligen Chief Operating Officer Nic Dreckmann erst ein Übergangs-CEO bestimmt wurde. Die Suche nach einer definitiven Lösung dauert an, ebenso die Wiederherstellung in das erschütterte Vertrauen in die Risikokontrolle der Bank.
Mitunter um dieses wiederherzustellen, steigt Bär nun aus dem Bereich Private Debt aus, in dem das Benko-Debakel stattfand. Doch das kostet auch Einnahmen: «Dieses Kreditbuch summierte sich auf rund 1,5 Mrd. Fr.», sagt Vontobel-Analyst Venditti. Bei einer Zinsmarge von gegen 5% fällt damit ein Geschäft mit überdurchschnittlichen Margen weg.
Angesichts des Vertrauensverlustes im Spätherbst, der sinkenden Bruttomarge sowie der Zügelung des Risikoappetits haben die Analysten ihre Gewinnerwartungen an Julius Bär für 2024 um rund 20% gesenkt. Eine gegenteilige Entwicklung sehen sie hingegen bei EFG.
Ähnlich ungetrübt wie die Entwicklung der Gewinnschätzung der Analysten präsentiert sich auch das Kursbild von EFG.
Die von der Familie Latsis dominierte Privatbank kommt aus einer Restrukturierung, in deren Verlauf sie konsequent Standorte und Ländereinheiten geschlossen oder verkauft hat, die unterdurchschnittlich profitabel waren. Zusammen mit dem Schub, den ihr die steigenden Zinsen verliehen haben, hat sie so jüngst immer wieder neue Rekordgewinne geschrieben.
Bei EFG lautet die Frage deshalb primär, ob dieser Steigerungslauf weitergehen kann.
Wie auch Bär profitiert EFG derzeit stark vom Verschwinden der Credit Suisse und stellt fleissig neue Kundenberater ein. 2023 waren es fast 100, wobei rund 60 alte Kundenberater die Bank auch verlassen haben. Bei Bär kamen 2023 netto fast 100 neue Kundenberater hinzu, und auch dieses Jahr sind es bereits 35.
2023 steigerte EFG damit den Neugeldzuwachs gemessen an der Vermögensbasis auf eine Rate von 4,4%. Die Analysten der US-Grossbank Citi erwarten, dass sich dieses Wachstum mit einer gewissen Verzögerung zu den Neuanstellungen in den nächsten beiden Jahren noch auf 6% beschleunigen wird.
Dasselbe Muster erwarten sie bei Bär, wobei hier gestern etwas Ernüchterung einkehrte: In den ersten vier Monaten hat Julius Bär lediglich einen Neugeldzufluss von annualisiert 0,7% erreicht. Nach starken Abflüssen im Januar habe der Neugeldzufluss in den drei Monaten danach allerdings 3% erreicht, schreibt Bär.
Doch trotz dieser enttäuschenden Werte: In Summe hat in dieser Periode bei Bär das Wachstum der Vermögensbasis sowie die Zunahme der Kundentransaktionen den Ertrag schneller steigen lassen, als die seit einem Jahr laufenden Neuanstellungen die Kostenbasis erhöht hat. Gelingt den neuen Kundenberatern ein weiterer Transfer der von ihnen betreuten Gelder von ihrer alten Arbeitgeberin zur neuen, dürfte dieser positive operative Hebel künftig noch an Kraft gewinnen.
Weniger dynamisch unterwegs ist Vontobel, obwohl auch sie 2023 die Anzahl Kundenberater um 13% erhöhte. Die Vermögensverwalterin verlor in den vergangenen Jahren Kundengelder, insbesondere ihr Asset Management litt unter Abflüssen.
Offen ist zudem, ob der Wechsel hin zu einer Doppelführung unter Christel Rendu de Lint und Georg Schubiger neue Impulse gibt. Vorerst will das Führungsduo vor allem mit einem Sparprogramm über 100 Mio. Fr. die Kosten-Ertrags-Relation verbessern.
Aufhorchen liess jedoch, dass die Privatbank im ersten Quartal 1,8 Mrd. Fr. Neugeld angezogen hat. Das entspricht einer annualisierten Wachstumsrate von hohen 7%. Zudem hat auch das Asset Management wider Erwarten die Blutung gestoppt und hat – zwar erst wenig, aber immerhin – wieder Neugeld angezogen.
Die Analysten der UBS sehen darin einen Schlüsselfaktor für den Investment Case von Vontobel.
Welche Aktie bietet das grösste Potenzial?
Mit Blick auf die lange Frist, beginnend mit dem für 2026 geplanten Abschluss der Integration der Credit Suisse, dürften die Aktien der UBS das grösste Kurspotenzial aufweisen. Die schwedische Beteiligungsgesellschaft Cevian Capital, die im Dezember mehr als 1 Mrd. Fr. neu auf die Grossbank gesetzt hat, sieht deutliches Steigerungspotenzial in den Aktien.
Vorerst dürften die Unwägbarkeiten der Integration sowie die Kapitaldiskussion die Kursentwicklung aber noch bremsen.
Kurz- bis mittelfristig bieten EFG und Julius Bär das grösste Kurspotenzial. EFG hat zwar mittlerweile mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut 12 zum langjährigen Schnitt der grösseren Konkurrentin Bär aufgeschlossen. Die neue Verlässlichkeit, mit der das Management um Giorgio Pradelli inzwischen liefert, hat das möglich gemacht.
Zwei Dinge sprechen jedoch dafür, dass der Lauf anhalten könnte: Erstens dauern Trends oft länger, als man erwartet. Zweitens dürfte der Analystenkonsens die eingangs erwähnten positiven Währungs- und Markttreiber noch unterschätzen. Die meisten Schätzungen stammen noch von Anfang Jahr, sodass darin der Anstieg des Dollars sowie die gute Börsenentwicklung noch nicht berücksichtigt sind.
Das gilt auch für die Erwartungen an Julius Bär. Trotz des gestern gemeldeten mauen Neugeldzuflusses dürfte der Anstieg der verwalteten Vermögen sowie die regere Kundenaktivität die Analysten veranlassen, ihre Gewinnerwartungen etwas höherzuschrauben.
Bei Bär kommt dazu, dass der Vertrauensverlust weiterhin auf den Aktien lastet. Gelingt es einem neuen CEO, es wiederherzustellen, wird das den Kurs positiv beeinflussen. Der Fall Benko dürfte ein isoliertes Ereignis gewesen und das Geschäftsmodell von Bär trotz einiger Schrammen weiterhin intakt sein.
Am schwierigsten einzuschätzen ist Vontobel. Die früher so verlässliche Vermögensverwalterin hat zuletzt immer wieder enttäuscht – mit Ausnahme des jüngsten Quartals. Vontobel wächst zwar mit der Privatbank profitabel. Doch das gewichtige Asset Management hat auch 2023 und zum wiederholten Mal einen im zweistelligen Prozentbereich niedrigeren Vorsteuergewinn geliefert als noch im Jahr davor.
Entsprechend sind die Aktien von Vontobel die einzigen dieser vier Bankaktien, die den SPI in den letzten fünf Jahren nicht übertroffen haben. Dennoch: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von weiterhin mehr als 13 liegt die Bewertung von Vontobel immer noch einen Tick über derjenigen von Bär und EFG.
Attraktive Ausschüttungen
Was für alle vier Bankaktien spricht, ist die Ausschüttung: Vontobel bietet 5,4% Dividendenrendite, EFG 4,7% und das gar steuerfrei. Bei Julius Bär locken ebenfalls 4,7% Rendite, bei UBS sind es zwar erst 2,6%. Letztere hat jedoch noch für dieses Jahr einen Aktienrückkauf über 1 Mrd. $ in Aussicht gestellt und will das Rückkaufvolumen über die Jahre auf gegen 6 Mrd. $ ausbauen.
EFG kauft bereits eigene Aktien zurück und hat gemäss Analystenprognosen das Potenzial, solche Programme künftig auszuweiten. Ebenso wird von Bär noch im Verlauf dieses Jahres ein neues Rückkaufprogramm erwartet. Der erneute Kapitalaufbau in den ersten vier Monaten des Jahres nach dem Benko-Debakel würde das bereits jetzt wieder zulassen.