Gefangene aus Dänemark sollen ihre Strafen künftig in einem kosovarischen Gefängnis absitzen. Doch die Idee birgt auch Probleme.
Dänemarks Gefängnisse stehen vor einem Kollaps. Während die Zahl der Häftlinge in den letzten Jahren stark zugenommen hat, mangelt es an Gefängnispersonal. Viele Aufseher haben ihren Job gekündigt, und Interessenten gibt es nur wenige. Die Lage ist ernst, denn es geht letztlich um einen funktionierenden Rechtsstaat: Wer gegen das Gesetz verstösst, soll angemessen bestraft werden können – und nicht milder davonkommen, weil im Land keine freie Zelle zur Verfügung steht.
Um das Problem zu lösen, will Dänemark 300 Häftlinge in Kosovo unterbringen. Dabei geht es um Straftäter aus Staaten ausserhalb der EU und der Efta, die nach verbüsster Haft Dänemark verlassen müssen. Der Plan geistert schon seit mehreren Jahren herum. In Kosovo waren nicht alle gleich begeistert von der Idee. Am Donnerstag hat aber Kosovos Parlament dem Vorhaben mit einer Zweidrittelmehrheit zugestimmt.
Gefängnisinsassen, die später ohnehin das Land verlassen müssen, schon während der Haft in ein anderes Land auszulagern – das klingt nach einer zweckmässigen Lösung. Damit will die Regierung in Kopenhagen nicht zuletzt auch signalisieren: Die Zukunft von Verbrechern liegt nicht in Dänemark. Aber die Idee birgt auch Probleme.
Kosten unklar
Dänemark ist eines der teuersten Länder Europas, Kosovo eines der ärmsten und günstigsten. Umgerechnet wird die Miete der Gefängnisplätze Dänemark für zehn Jahre 200 Millionen Franken kosten. Um Kostenersparnisse geht es der Regierung in Kopenhagen aber nicht, und es ist auch fraglich, ob mit dem Outsourcing gespart werden kann. Im Gegenteil: Es steht sogar die Befürchtung im Raum, dass das Projekt die Steuerzahler am Ende teuer zu stehen kommen könnte.
Die Strafen in Kosovo müssen nach dänischem Recht vollstreckt werden. Dazu gehört, dass die Häftlinge während des Gefängnisaufenthalts das Recht auf Besuch haben. Mindestens eine Stunde pro Woche solle ein Gefangener auch in Kosovo mit seinen Nächsten verbringen können, schrieb die Tageszeitung «Politiken» vor einem Jahr mit Verweis auf die Justizvollzugsdienste.
Wenn Verwandte in Dänemark leben, müssen sie zunächst von Kopenhagen nach Pristina fliegen und von dort weiter in die 50 Kilometer entfernte Stadt Gjilan fahren, wo das gemietete Gefängnis liegt. Im Gefängnis sind Wohnungen für den Besuch vorgesehen, aber die Reisekosten muss zumindest partiell der dänische Staat übernehmen. Noch ist unklar, wie hoch die Kosten dafür ausfallen werden.
Hinzu kommt der Umbau der Infrastruktur – denn auch diese muss den dänischen Standards genügen. Dabei geht es auch um Sicherheitsvorkehrungen. Laut den Justizvollzugsdiensten werden die Arbeiten etwa zwei Jahre in Anspruch nehmen. Hinzu kommt die Ausbildung des kosovarischen Personals. Die Angestellten werden unter einer dänischen Gefängnisleitung arbeiten und müssen mit der dänischen Gesetzgebung, den dortigen Sicherheitsmassnahmen und Konfliktmanagement vertraut sein. Eine Gefängnisstrafe in Kosovo soll sich nicht von einer in Dänemark unterscheiden.
Direkte Abschiebungen
Dänemarks Justizminister Peter Hummelgaard zeigt sich dennoch erfreut über das Ja des kosovarischen Parlaments. «Es ist für uns von entscheidender Bedeutung, mehr dänische Gefängnisplätze zu sichern. Auch wird die Massnahme dazu beitragen, unser angeschlagenes Gefängnissystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen», lässt er sich in einer Medienmitteilung zitieren. «Gleichzeitig ist es ein klares Signal an kriminelle Ausländer, dass ihre Zukunft nicht in Dänemark liegt und sie daher hier auch keine Strafe absitzen sollten.» Die Straftäter sollen nach Ablauf ihrer Haftstrafe in Kosovo direkt in ihr Heimatland abgeschoben werden.
Nicht alle sehen die Sache gleich positiv. Das Abkommen wird heftig kritisiert. So forderte der Uno-Ausschuss gegen Folter die dänische Regierung bereits im letzten Jahr dazu auf, die Pläne fallen zu lassen. In einem Bericht wurden Bedenken geäussert, dass der Zugang der Insassen zu medizinischer Versorgung in Kosovo beeinträchtigt sein könnte. Auch das Risiko potenzieller Folter oder von Misshandlungen durch Gefängnispersonal wurde genannt. Aus denselben Gründen sehen dänische Menschenrechtsorganisationen die Pläne kritisch.
Bei der Gewerkschaft der dänischen Gefängnisbeamten glaubt man indessen nicht, dass 300 Gefangene das System merklich entlasten werden. In Dänemark wird Untersuchungshaft häufiger angeordnet als in den meisten anderen europäischen Ländern. In den letzten Jahren wurden auch viele Strafen erhöht. Der Gewerkschaftsvorsitzende Bo Yde Sörensen sagt zur Sendeanstalt DR: «Ich kann mir kaum vorstellen, dass Dänemark weniger Gefangene bekommt, weil wir 300 nach Kosovo schicken.» Die frei werdenden Plätze werden wohl schnell aufgefüllt.