Der Ausbau der AHV bewirke höhere Steuereinnahmen, frohlockten Gewerkschaften und Medien. Schön wär’s. Die Steuerverwaltung hat das Millionenmärchen überprüft.
Ist das nicht toll? Die Finanzierung der 13. AHV-Rente ist gar nicht so teuer und schmerzhaft, wie die Bundesberner Bedenkenträger immer behaupten. Zumindest teilweise finanziert sie sich quasi von selbst, weil die Rentner automatisch mehr Steuern zahlen, wenn sie eine zusätzliche Monatsrente erhalten. Klingt logisch. Klingt auch schön.
So schön, dass viele Medien die Geschichte freudig verbreiteten, nachdem sie vom Gewerkschaftsbund in Umlauf gesetzt worden war. Die «Basellandschaftliche Zeitung» prophezeite dem Fiskus einen «Geldsegen dank der 13. AHV-Rente». Der «Bund» frohlockte, die zusätzliche Rente spüle allein dem Kanton Bern 45 Millionen in die Kasse. Und die «Luzerner Zeitung» berichtete gar, schweizweit könnten die Steuereinnahmen laut «Experten» um 0,8 bis 1 Milliarde zunehmen. Das klingt wirklich schön.
Zu schön, um wahr zu sein. Als Spielverderberin von Amtes wegen agiert die Eidgenössische Steuerverwaltung. Sie hat im Auftrag des Bundesrats detaillierte Schätzungen angestellt, die zeigen, wie sich der Ausbau der AHV auf die Steuereinnahmen auswirkt. Die Resultate sind Teil der Vorlage zur Umsetzung der 13. Rente, die der Bundesrat soeben in die Vernehmlassung geschickt hat.
Reine Umverteilung
Klar ist, dass die Pensionierten einen Teil der 13. Rente in Form höherer Steuern wieder abliefern werden. Im Jahr der Einführung 2026 dürfte dies Bund und Kantonen zusammen rund 570 Millionen Franken bescheren. Damit fliessen fast 14 Prozent der Zusatzrenten von 4,2 Milliarden zurück zum Staat. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille.
Weil das Geld nicht vom Himmel fällt und auch nicht aus zusätzlicher Wertschöpfung stammt, sondern das Resultat purer Umverteilung ist, fehlt es an einem anderen Ort. Konkret: bei den jüngeren Generationen, die noch im Arbeitsleben stehen. Sie sollen zur Finanzierung der 13. Rente höhere Lohnbeiträge an die AHV bezahlen. In allen Varianten, die der Bundesrat vorschlägt, werden die Kosten ganz oder vorwiegend durch höhere Lohnabzüge gedeckt.
Das wird die verfügbaren Einkommen der erwerbstätigen Altersgruppen schmälern. Personen mit mittleren Löhnen verlieren je nach Variante etwa 330 bis 670 Franken im Jahr. Weil aber die Lohnbeiträge auf der Steuererklärung vom Einkommen abgezogen werden, müssen die jüngeren Haushalte im Gegenzug weniger Steuern bezahlen. Für den Fiskus ist die Gesamtbilanz aus den höheren Steuern der Rentner und den tieferen der Erwerbstätigen entscheidend.
Von wegen Geldsegen
Und da sieht es nicht gut aus. Bei der Bundessteuer resultiert in allen Varianten ein Minus. Anstelle des angeblichen Geldsegens ist mit Steuerausfällen zu rechnen. Ironischerweise sind die Verluste für den Staat dann am grössten, wenn die Variante umgesetzt wird, die von den Gewerkschaften und der SP bevorzugt wird: Sie möchten, dass der Ausbau der AHV möglichst weitgehend durch höhere Lohnbeiträge finanziert wird. Die Alternative, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, erachten sie als weniger sozial.
Je stärker aber die Lohnbeiträge erhöht werden, desto grösser fallen die Steuerausfälle für den Bund und die Kantone aus – desto klarer ist auch, dass sich die 13. Rente nicht einmal teilweise von selbst finanziert. Am deutlichsten zeigt sich dies in den Varianten, die keinerlei Erhöhung der Mehrwertsteuer vorsehen und nur bei den Lohnbeiträgen ansetzen. Werden diese von 8,7 auf 9,7 Prozent erhöht, müssen die Erwerbstätigen rund 850 Millionen weniger Steuern bezahlen (Bund und Kantone zusammen). Gleichzeitig bezahlen die Pensionierten «nur» 570 Millionen mehr. Ergibt gesamthaft Steuerausfälle von 280 Millionen Franken.
Auffällig ist, dass sich die Effekte zwischen Bund und Kantonen stark unterscheiden. Bei der Bundessteuer macht sich die steile Progression bemerkbar. Die Pensionierten haben zwar im Durchschnitt höhere Vermögen, erzielen aber tiefere Einkommen. Folglich gelten für sie bei der Bundessteuer deutlich mildere Steuersätze als für jüngere Haushalte. Das bedeutet: Jeder Franken, der von einem Erwerbstätigen zu einem Rentner verschoben wird, ist für den Fiskus im Durchschnitt ein Verlustgeschäft. Das trägt dazu bei, dass die 13. Rente beim Bund in jeder Variante Ausfälle verursacht.
Höhere Mehrwertsteuer bremst die Wirtschaft
Die Kantone müssen ebenfalls mit Verlusten rechnen, wenn sich die Linke damit durchsetzt, dass vor allem die Lohnbeiträge steigen. Falls aber ein Teil der 13. Rente über die Mehrwertsteuer finanziert wird, sieht es für die Kantone besser aus – zumindest auf den ersten Blick. In diesem Fall können sie tatsächlich Mehreinnahmen erwarten, laut den Zahlen des Bundes dürften sie für alle Kantone zusammen 100 bis 150 Millionen betragen.
Das ist gemessen an der «Geldsegen»-Rhetorik und den Kosten des AHV-Ausbaus recht bescheiden. Zudem ist die Rechnung auf den zweiten Blick unvollständig, weil sie ausblendet, dass alle Haushalte (auch die Pensionierten) höhere Mehrwertsteuern an die AHV abliefern müssen. Für mittlere Lohnklassen macht das 200 bis 290 Franken im Jahr aus. Dies würde das Wirtschaftswachstum und damit auch die Entwicklung der Steuereinnahmen bremsen. Überdies sind auch Bund, Kantone und Gemeinden «Konsumenten», auch sie müssten höhere Mehrwertsteuern bezahlen. Allein dies fällt stärker ins Gewicht als die Mehreinnahmen bei den kantonalen Einkommenssteuern.
Abstimmung im September 2025
Fazit: Die 13. AHV bewirkt kein Steuerwunder. Ihre Finanzierung bleibt dornenreich. Denn leider entpuppen sich auch andere, vermeintlich schmerzlose Optionen, die in den letzten Wochen herumgeboten wurden, als Illusionen. Die Mitte-Partei schlägt eine neue Steuer auf Finanzmarkttransaktionen vor, die Linke hat die Idee einer nationalen Erbschaftssteuer lanciert.
Auch mit diesen Vorschlägen macht der Bundesrat kurzen Prozess: Sie kommen aus seiner Sicht schon nur aus rein praktischen Gründen nicht infrage, weil sie sich gar nicht schnell genug einführen lassen. Die AHV muss die 13. Rente zwingend ab 2026 auszahlen, auch wenn sie dadurch Defizite schreibt, auch wenn ihr Fonds sich leert. Um dies zu verhindern, hat der Bundesrat seine Vorlage so getaktet, dass die Finanzierung ab 2026 greift. Das geht nur, wenn man bestehende Finanzierungsquellen anzapft. Das Volk kann dabei mitreden. Gegen höhere Lohnbeiträge ist ein Referendum möglich. Wird auch die Mehrwertsteuer erhöht, haben Volk und Stände obligatorisch das letzte Wort. Diese Abstimmung müsste spätestens im September 2025 stattfinden.