Das Regelwerk sollte für ein weltweit koordiniertes Vorgehen im Falle einer Pandemie sorgen. Das hätte der Vertrag nur bedingt geleistet. Zu Fall gebracht hat ihn nun der Streit um Geld.
Der geplante weltweite Pandemievertrag ist vorerst gescheitert. Initiiert hatte ihn im November 2020 der Präsident der Europäischen Rates, verhandelt wurde unter Führung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Nach gut zwei Jahren Diskutieren und Feilschen konnten sich die Vertreter zahlreicher Länder nicht auf einen Text einigen. Dieser hätte an der Generalversammlung der WHO, die am Montag (27. Mai 2024) in Genf begonnen hat, verabschiedet werden sollen.
Eine neue Pandemie hätte der Vertrag nicht verhindert. Zoonosen, also das Überspringen von Erregern von Tieren auf Menschen, entstehen regelmässig. Das Abkommen in seiner jetzigen Form hat keine durchschlagenden oder neuen Ideen geliefert, um eine Zoonose schneller zu entdecken. Oder die Ausbreitung neuartiger Erreger einzudämmen.
Mehr Wachsamkeit ist nötig – nicht mehr Bürokratie
Viele der im letzten Textentwurf aufgelisteten Regeln zur Vorbereitung auf eine Pandemie ebenso wie deren Management hätten zudem zu einer Bürokratisierung der Abläufe beigetragen. Regierungen hätten verstärkt in die Produktion von Pandemieprodukten eingreifen sollen.
Auch hätten Erkenntnisse zu Erregern nur in von der WHO zertifizierten Datenbanken gespeichert werden sollen. Das würde die schnelle und einfache Weitergabe von wichtigen wissenschaftlichen Informationen erschweren.
Doch gerade das ist zu Beginn einer Pandemie eine der wichtigsten Aktionen überhaupt. Die von Politikern erlassenen Massnahmen müssen auf den Fakten über die Eigenschaften eines Erregers beruhen. Der Informationsaustausch hat während der Corona-Pandemie gut funktioniert, es sind keine neuen Vorgaben für die Wissenschaftergemeinde nötig.
Zweifellos sinnvoll ist die im Pandemievertrag erwähnte Forderung, dass es mehr Wachsamkeit benötige, um neuartige Erreger schnell zu erkennen. Die sollte eigentlich nach der verheerenden Corona-Pandemie in jedem Land selbstverständlich sein. Die Realität sieht vielerorts aber anders aus. So zeigt sich bei dem Ausbruch der Vogelgrippe bei Milchkühen, wie wenig offenbar die USA gelernt haben. Der Erreger ist gefährlich, doch entgegen den Regeln der Seuchenbekämpfung wird seitens der Behörden wenig getan, um ihn einzudämmen.
Inakzeptable Forderungen der ärmeren Länder
Gescheitert ist der Vertrag jetzt am Nord-Süd-Konflikt, konkret an finanziellen Forderungen der ärmeren Länder. Sie wollten zum Beispiel erreichen, dass sie im Austausch für Informationen über Erreger oder Virusvarianten, die in ihren Ländern entdeckt und charakterisiert wurden, einen Anteil an Impfstoffen oder auch Medikamenten erhalten.
Die ärmeren Länder stützen ihre Forderungen auf die Erfahrungen während der Corona-Pandemie. Tatsächlich wurden die Impfstoffe zuerst in den reicheren Staaten angeboten – weil diese mehr zahlten. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass für die Entwicklung der 2021 verwendeten Impfstoffe, also der ersten weltweiten Impfkampagne, genetische Informationen aus chinesischen sowie europäischen Labors verwendet worden waren.
Die Forderung, Informationen über ein potenzielles Pandemievirus nur gegen die Lieferung von Impfstoffen oder Medikamenten preiszugeben, ist ein gefährlicher Kuhhandel. Denn derzeit können nur Pharmaunternehmen in reicheren Ländern solche Substanzen entwickeln. Gibt ein Land nicht schnellstmöglich vorhandene Informationen über einen potenziell gefährlichen Erreger bekannt, kostet das in allen Ländern rund um den Globus Menschenleben.
Die Frage, wie ärmere Länder im Ernstfall schnell zu ausreichend Impfstoffen, Medikamenten und auch anderen Pandemieprodukten kommen, ist wichtig. Aber sie darf nicht so bürokratisch gelöst werden, wie es im nun gescheiterten Pandemievertrag vorgesehen war.