Drei Viertel der Uno-Mitglieder erkennen Palästina bereits als Staat an. Hinzu kommen nun Norwegen, Irland und Spanien. Seit dem 28. Mai 2024 erkennen sie Palästina neu als unabhängigen Staat an.
«Wir glauben, dass dauerhafter Frieden nur auf der Grundlage des freien Willens eines freien Volkes gesichert werden kann.»
Doch was bedeutet das konkret? Und welchen Einfluss hat das auf den Konflikt?
Ein Staat wird im Völkerrecht nach der Drei-Elemente-Lehre definiert. Laut dieser setzt die Anerkennung eines Staates voraus, dass «ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und eine Staatsgewalt vorhanden sein müssen».
Um das Kriterium eines Staatsgebiets zu erfüllen, ist keine genaue Grenze erforderlich – es genügt ein unstrittiges Kernterritorium. Beim Staatsvolk reicht ein Mindestmass an Zugehörigkeitsgefühl. Das letzte Kriterium, die Staatsgewalt, bezeichnet einfach gesagt das Vorhandensein einer stabilen Regierung.
Aber weshalb ist eine Anerkennung im Falle Palästinas so kompliziert?
Das Hauptproblem ist, dass wir vor Ort einen anhaltenden Konflikt haben, in dem sich zwei Seiten mit völlig unvereinbaren Ansprüchen gegenüberstehen. Die Palästinenser wünschen sich zwar einen unabhängigen Staat, doch um das zu erreichen, müssten noch unzählige Fragen geklärt werden. Bisher ist man davon ausgegangen, dass das in Verhandlungen möglich ist.
Eine Anerkennung allein ändert rechtlich vorerst nichts. Und sie bedeutet auch nicht automatisch die Legitimierung der jeweiligen Regierung. Das heisst im Beispiel von Norwegen, Irland und Spanien: Sie erkennen Palästina als Staat an – mit den Grenzen von 1967 –, erkennen aber nicht die Hamas an.
Vielmehr geht es bei der Anerkennung durch die drei Staaten darum, ein politisches Zeichen zu setzen.
«Netanyahu verursacht so viel Schmerz, so viel Zerstörung und so viel Groll in Gaza und dem Rest Palästinas, dass die Zweistaatenlösung ernsthaft gefährdet ist.»
Diese Länder haben gesagt, dass sie ein starkes Signal aussenden wollen für die in ihren Augen einzige Alternative – für eine politische Lösung in diesem Konflikt, die Zweistaatenlösung. Und sie hoffen, dass mit dieser Anerkennung der Prozess für eine Zweistaatenlösung eine neue Dynamik erhält.
Ziel der Zweistaatenlösung ist, dass die zwei Länder nebeneinander friedlich koexistieren. Sie sieht vor, dass die Israeli und die Palästinenser ihr eigenes Land, ihre eigene Regierung und ihre eigenen Grenzen haben.
Eine Anerkennung soll also ein erster Schritt sein, um dieser Lösung näher zu kommen. Aber von einer Zweistaatenlösung sind wir momentan weit entfernt.
Israel reagiert auf die Anerkennung mit grosser Empörung und zieht aus allen drei Ländern seine Botschafter ab. Auf dieser Karte fällt noch etwas anderes auf. Auch die Schweiz hat Palästina nicht als Staat anerkannt.
Heisst das jetzt im Umkehrschluss, dass die Schweiz gegen eine Zweistaatenlösung ist?
Nein, die Schweiz unterstützt explizit das Konzept der Zweistaatenlösung. Allerdings ist der Bundesrat der Auffassung, dass eine dauerhafte politische Lösung, die zufriedenstellend ist, nur durch Verhandlungen herbeigeführt werden kann.
Die gleichen Gründe gelten auch für einige andere Länder, welche zwar eine Zweistaatenlösung an und für sich befürworten, aber Palästina nicht anerkennen. So zum Beispiel auch die USA.
«Wir glauben, dass eine Zweistaatenlösung, die sowohl den Israeli als auch den Palästinensern gerecht wird, nur über direkte Verhandlungen zwischen den Parteien erzielt werden kann.»
Das Signal, das Norwegen, Irland und Spanien senden, ist symbolisch.
Mit ihrer Ankündigung erhoffen sich Spanien, Irland und Norwegen, einen neuen politischen Prozess anzustossen. Allerdings scheinen wir – Stand heute – so weit entfernt von einem Prozess zur Zweistaatenlösung wie kaum je zuvor. Wir haben den Krieg im Gazastreifen, und wir haben eine Situation im Westjordanland, die sich massiv verschärft hat. Es sieht überhaupt nicht danach aus, als würden sich die Konfliktparteien demnächst gemeinsam an einen Tisch setzen und einen politischen Prozess aufgleisen. Dafür gibt es momentan keine Anzeichen. Und deshalb glaube ich auch nicht, dass dieser Schritt einer Anerkennung Palästinas jetzt eine neue Dynamik auslösen wird.