Hier tagte bis zu ihrer Auflösung die Volkskammer der DDR, noch häufiger aber Veranstaltungen Ablenkung vom öden Alltag. Das macht den Palast anfällig für nostalgische Erinnerung.
Berlin ist ein Souvenirshop seiner selbst. Vielleicht war man es einfach leid, immer nur Plastikminiaturen des Fernsehturms und des Brandenburger Tors zu verkaufen, und so hat man auch das alte, in den fünfziger Jahren gesprengte Stadtschloss wieder auf den Markt gebracht. In Originalgrösse und einer Spritzgussoptik, wie man sie eben von Souvenirs kennt.
Mit gewisser historischer Berechtigung hätte man hier, dem Dom gegenüber, auch den Palast der Republik wieder aufbauen können. Das Erinnerungskapital der Berliner wäre dabei bedeutend höher gewesen. Aber das ging nicht. Nicht mit «Erichs Lampenladen», diesem früheren architektonischen Mischwesen, einerseits Sitz der Volkskammer der DDR und andererseits ein Ort der Massenbespassung.
«Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart», heisst eine Ausstellung des Berliner Humboldt-Forums. Seit 2021 arbeitet das Forum in moderner Architektur hinter den falschen Barockfassaden des Schlosses. Rund um seine ethnologischen Sammlungen soll es den Blick auf die Vergangenheit postkolonialistisch schärfen, und so ist die Schau über den geschleiften Republikpalast ein halb ironisches, halb zynisches Unterfangen.
Die Notlüge der Lautsprecher
Das neue Stadtschloss ist selbst eine Art Kolonialisierungsgewinner. Es steht dort, wo ehemals der DDR-Protzbau stand. 2008 mussten dessen Ruinen endgültig weichen, denn schon 1990 hiess es: Gefahr im Verzug. Der beim Bau verwendete Asbest sei ein Problem. Manche halten das bis heute für eine Mystifikation. Sie sind der Meinung, dass sich das wiedervereinigte Deutschland auch hier prominenter ideologischer Bauten Ostberlins habe entledigen wollen.
Wenn die Ausstellung «Hin und weg» behauptet, dass der Palast der Republik Gegenwart sei, dann ist das eine Notlüge. Man wandert durch eine Sammlung von Ausstattungsgegenständen, die nur im nostalgischen Sinn anschlussfähig sind. Das ewige deutsche «Weisst du noch?», mit dem den Phantomen eines versunkenen DDR-Alltags Leben eingehaucht werden soll, ist auch hier zu spüren. Ein Chor der Erinnerungen dringt aus den Lautsprechern der Ausstellung.
Bei den meisten, die den echten Palast der Republik noch kannten, ist Bedauern herauszuhören, dass es ihn nicht mehr gibt, bei manchen auch Zorn darüber. Man kann Bauten abreissen, aber keine Erinnerungen.
Die Inneneinrichtung im Palast der Republik gab sich betont modernistisch und bunt.
«Hin und weg» kann nur das zeigen, was noch da ist. Vieles ist verloren und zerstört, und so wirkt noch das Banalste in der Ausstellung fast wie ein Juwel. Geschirr aus dem Spree- und aus dem Palastrestaurant, ein verschnörkelter Stuhl aus der Weinstube. Lederne Sitzgarnituren aus dem Foyer, ein paar der ehemals 5000 Stahlrohrstühle, bronzene Türgriffe. Poppig bunte Untersetzer aus dem «Jugendtreff». Ein Exemplar der Zeitschrift «FF dabei» mit der Cover-Story «Gabi hinterm Disco-Pult». Im Republikpalast war öfter Disco als Volkskammer. Von dieser kann man aber auch noch zwei Delegiertenstühle sehen.
Tummelfeld der Stasi
Aus dem sich seit seiner Gründung allzu technokratisch gebenden Arbeiter- und Bauernstaat sollte ab den siebziger Jahren eine Soft-Touch-DDR werden. Zumindest im Gefühl der Bürger. Auch dafür war der neue Veranstaltungsort da. Udo Lindenberg, Carlos Santana und Herman van Veen durften hier auftreten, während die Staatssicherheit im Gebäude vor ihren Überwachungsmonitoren sass.
In der Ausstellung findet sich eines dieser Exemplare, nebst dem Protokoll einer Observierung. Der Dialog der Stasi-Beamten, die auf dem Parkplatz vor dem Veranstaltungsort Verdächtige ausmachen und ihre Kameras nur äusserst mühsam in Position bringen, ist absurdes Theater und Teil jener potemkinschen Politik, für die das megalomane Projekt Republikpalast ganz insgesamt stand.
Das Gebäude, dessen grosser Saal 5000 Menschen fasste, sollte für die Bürger zu einem öffentlichen Wohnzimmer werden. Eingerichtet mit piefiger Protzigkeit und durchweht vom Duft der Hyazinthen, die in den Blumenkübeln wuchsen, ist es dem Palast der Republik gelungen, sich vom Staat, der dahinterstand, ein Stück weit zu emanzipieren.
Tatsächlich konnte man wohl unter den kulinarischen und popkulturellen Angeboten einer simulierten Freiheit die ungemütliche Präsenz des Hausherrn für ein paar Stunden vergessen. Das verschaffte dem Palast der Republik weit über sein Bestehen hinaus seinen Status als Nostalgie-Ort.
Nach dem Mauerfall und nachdem der Asbest entfernt worden war, feierte das Haus ab 2003 eine kurze Auferstehung. Von der freien Szene als «Volkspalast» in Besitz genommen und höchst erfolgreich bespielt, kommt es zur ideologischen Dekontamination. Allerdings wird auf etwas Eigenem beharrt: dass Ostberlins Kunst den Westen Deutschlands nicht braucht.
Die Zwischennutzung des Palastes der Republik ist ein ortsgebundenes Interregnum, ein kulturelles Durchatmen, bis es endgültig so weit ist. Der Republikpalast verschwindet ganz, und es dauert nicht lange, bis der Hamburger Unternehmer Wilhelm von Boddien die Idee hat, an gleicher Stelle das Berliner Stadtschloss wieder aufzubauen. Zumindest drei seiner Fassaden. Der moderne innere Teil und die spreeseitige Architektur stammen vom Italiener Franco Stella.
Ein Hauch von Unbeschwertheit umgab den Palast der Republik. Das macht ihn zum beliebten Objekt der Nostalgie.
Zum Baubeginn des Palastes der Republik im Jahr 1973 befand sich Ostberlin in einem Prestigewettkampf mit dem westlichen Teil der Stadt. Jenseits der Mauer arbeitete man am Internationalen Congress Centrum ICC, allerdings mit anderen Ressourcen. Von Anfang an bedeutete das DDR-Projekt ökonomisches Chaos. Selbst staatliche Wohnbauten und Infrastrukturprojekte mussten dafür zurückgestellt werden.
Aber es fehlten nicht nur die Mittel, sondern auch die technologischen Möglichkeiten. Das Thermofassadenglas besorgte man sich in Belgien, die Rolltreppen in der Bundesrepublik, die Armaturen kamen aus Dänemark und die Klimaanlagen und Bühnenscheinwerfer aus Österreich. Die Gastronomiegeräte wurden in der Schweiz gekauft.
Die künstlerische Ausstattung immerhin war Eigenbau. Wanddekor aus Meissener Porzellan. Das Grossgemälde «Die rote Fahne – Kampf, Leid und Sieg» aus der sozialistisch realistischen Werkstatt von Willi Sitte. Auf eher prosaische Weise haben Kampf und Leid auch die vierzehn Jahre begleitet, in denen der Palast der Republik vollen Dienst tat. Das Dach war niemals dicht, die Fassadenfenster zersprangen regelmässig. Der zum Brandschutz angebrachte Asbest zerbröselte und wurde zur Gefahr. Ein Fiasko in jeder Hinsicht.
Die nur dreijährige Bauzeit, die zu den Mängeln geführt hat, war einem fixen politischen Termin im Mai 1976 geschuldet: dem IX. Parteitag der SED. Ein anderer, noch entscheidenderer historischer Augenblick war dann der 7. Oktober 1989. Da musste sich die Volkskammer für ihre Feier des 40-jährigen Bestehens der DDR schon im Sitzungssaal des Republikpalastes verschanzen. Draussen demonstrierten die Massen gegen den Staat, und die Mauer sollte bald fallen.
Ort der Selbstabschaffung
Im August 1990 beschliesst die erste frei gewählte Volkskammer am gleichen Ort den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Das ist der grosse historische Hin-und-weg-Moment, wenn man so will.
Im Gefühl gar nicht so weniger Menschen war das Verschwinden des Palastes der Republik ein hochsymbolisches Ereignis, ein Eroberungsakt von Westen nach Osten. Dieses Bild will und kann die Ausstellung nicht ganz entkräften. Bedeutungsschwer und als Zeichen des grossen politisch-wirtschaftlichen Paradigmenwechsels liegt der Motorblock eines VW Golf VI in der Halle. Er ist aus dem Stahl gemacht, der früher die Aussenhaut des Republikpalastes trug.
Zur Eröffnung der Ausstellung «Hin und weg» war auch Sabine Bergmann-Pohl gekommen, die Präsidentin der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Sie hatte eine launige Geschichte zu erzählen: Die Glocke, mit der sie das Ergebnis der Abstimmung der DDR über den Beitritt zur Bundesrepublik bekanntgab, bewahrte sie später («Damit sie nicht auch noch wegkommt!») bei sich zu Hause auf, bis westliche Beamte das historische Stück zur offiziellen Verwahrung verlangten. Trotz gelegentlichen Nachforschungen: Es ward seither nie wieder gesehen.
«Hin und weg». Der Palast der Republik ist Gegenwart. Eine Ausstellung im Berliner Humboldt-Forum. Bis 16. Februar 2025. Der Katalog kostet 34.90 Euro.