Ein Richter verlangt die sofortige Auslieferung der Essensvorräte. Dies bringt die Regierung in Erklärungsnot.
Die Regierung von Präsident Milei hortet seit Monaten 5000 Tonnen Lebensmittel, die eigentlich für die Versorgung sozialer Einrichtungen bestimmt sind. Das konnte die linksperonistische Zeitung «El Destape» gerade genau belegen – und hat damit die Regierung von Präsident Javier Milei unter Druck gebracht. Ein Richter hat die Regierung am Montag dazu verpflichtet, die Lebensmittel innert 72 Stunden an Suppenküchen, Krippen oder Armenkantinen zu verteilen.
Der Skandal kocht nun in der Öffentlichkeit weiter hoch: Die noch von der vorherigen Regierung gekauften Vorräte an Reis, Nudeln oder Milchpulver nähern sich dem Verfallsdatum. Die Regierung Milei begründete diesen Lieferstopp damit, dass nicht klar sei, welche sozialen Einrichtungen tatsächlich und welche nur auf dem Papier existierten. Die Regierung Milei hat jetzt gegen das Urteil Einspruch erhoben: Sie sieht den Richterspruch als rechtswidrige Einmischung der Justiz in die Regierungsarbeit.
Die Lebensmittelpreise haben sich in einem Jahr verdoppelt
«El Destape» schätzt, dass rund 250 000 Familien über mehrere Wochen hinweg von den Lebensmitteln leben könnten. Die Armutsrate ist in den vergangenen zwölf Monaten nach oben geschnellt. Nichtoffizielle Statistiken belegen, dass 60 Prozent der Bevölkerung in Armut leben. Ein Drittel der Kinder und Jugendlichen ernährt sich laut einer Untersuchung der katholischen Kirche vom letzten Jahr mangelhaft. Auch haben sich die Lebensmittelpreise in den letzten zwölf Monaten mehr als verdoppelt, so das Statistikamt Indec. In einem Land, in dem Millionen von Menschen nicht genug zu essen hätten, sei es unmoralisch, Lebensmittel zu horten, um damit Politik zu machen, erklärte der Richter Sebastián Casanello.
Der Regierung des libertären Präsidenten Milei sind die angeblich 44 000 Suppenküchen im Land ein Dorn im Auge. Für Milei sind sie ein Instrument der populistischen Politik der linksperonistischen Vorgängerregierungen. Mit den sozialen Einrichtungen werde ein Netz von politischen Abhängigkeiten zum Stimmenfang unterhalten. Die staatlichen Lebensmittelprogramme seien zudem völlig intransparent und damit anfällig für Korruption.
Federico Sturzenegger, der ökonomische Chefberater der Regierung Milei, hat nun eine marktnahe Alternative vorgestellt, um die staatliche Einlagerung und Verteilung von Lebensmitteln künftig auf den privaten Sektor zu übertragen. Soziale Einrichtungen sollen Kaufoptionen für Lebensmittel bekommen, mit denen sie sich dann selbständig im Detailhandel eindecken sollen. Ob und wie das funktionieren wird, ist völlig offen. Es sei komplex, die Verhältnisse zwischen dem Staat und den sozial Bedürftigen neu zu regeln, wenn das über viele Jahre politisch eingespielt gewesen sei, sagt der politische Beobachter Carlos Pagni, Kolumnist bei der konservativen Tageszeitung «La Nación».
Es scheint, dass der Skandal grössere politische Dimensionen erlangen könnte. Denn der linke – nicht peronistische – Oppositionspolitiker Juan Grabois hat die Klage auf Auslieferung der Lebensmittel bei der Justiz eingereicht. Die Regierung führe einen Krieg gegen die Armen, sagt der Aktivist, der erfolglos versucht hatte, bei den letzten Wahlen Oppositionskandidat für das Präsidentschaftsamt zu werden.
Das Ministerium für Humankapital ist umkämpft
Milei wiederum hielt erstmals seit Wochen wieder eine Kabinettssitzung ab. Zuvor war er in Spanien und in den USA unterwegs gewesen und hatte im Silicon Valley Unternehmer und Universitäten besucht. Bei der Kabinettssitzung war die für die Zuweisung von Lebensmitteln zuständige Ministerin für Humankapital nicht anwesend.
Das Ministerium gilt als dasjenige mit dem höchsten Budget. Entsprechend umkämpft sind die Posten im Ministerium. In den Medien wird nun spekuliert, ob gar Geheimdienstmitarbeiter die Informationen an den linken Oppositionsführer Grabois weitergeleitet haben.