In der Königsklasse des Motorsports gibt es mehrere auffällige Teamchefs. Sie schauen aufs Geschäft und auf ihr Ego. Und glauben, dass Erfolg käuflich ist.
Der Bart ist grauer geworden, die Brille markanter, aber die Stimme ist immer noch gleich rau und fordernd geblieben. Flavio Briatore bewegt sich durch die Boxengasse der Formel 1, als wäre er nie weg gewesen.
Offiziell weilte der 74-Jährige nur für eine Art Familientreffen beim Grand Prix von Monaco. Mit der dreissig Jahre jüngeren Gattin Elisabetta Gregoraci und seinem Sohn Nathan Falcon traf er eine andere Lebensgefährtin, Heidi Klum, mit der er die Tochter Leni hat. Ein ganz privates Teammanagement, Briatore machte davon sogar ein Selfie.
Natürlich geht es nicht nur um tolle Eindrücke, wenn der ehemalige Benetton-Statthalter durch die Startaufstellung schlendert. Sein Interesse ist immer auch geschäftlich. Vor dem Grand Prix von Kanada am Wochenende machten daher bereits Gerüchte die Runde, wonach der angeschlagene Alpine-Rennstall den Italiener gern als Berater verpflichten würde. Der vorläufige Tiefpunkt für das französische Team war die Kollision der beiden Fahrer Esteban Ocon und Pierre Gasly in der ersten Runde in Monaco; das ganze Team ist ein sportlicher und personeller Scherbenhaufen. Und nun soll ausgerechnet Briatore ihn kitten?
In den neunziger Jahren führte Briatore Benetton zum Erfolg
Das Comeback mag verwundern, schliesslich hatte Flavio Briatore den Alpine-Vorläufer Benetton und Michael Schumacher in den neunziger Jahren zum Champion getrimmt und das Kunststück unter der Renault-Fahne 2005 und 2006 mit Fernando Alonso wiederholt.
Als er zwei Jahre später jedoch den Brasilianer Nelson Piquet in Singapur aus taktischen Gründen absichtlich in die Streckenmauern krachen liess, galt er als Persona non grata und hätte zunächst lebenslang gesperrt werden sollen. Doch die Formel 1 ist in vielerlei Hinsicht ein schnelllebiges Geschäft, der Wille zur Vergebung ist gross, wenn Not besteht.
Trotz gut gepflegtem Playboy-Image ist Briatore ein gnadenloser Manager, der dem Erfolg alles unterordnet. Bis heute zieht der ausgebildete Skilehrer für seine Entdeckung Fernando Alonso im Hintergrund die Strippen. Auch dank seinem Charisma kann er ganze Teams über ihre Grenzen treiben. Er kennt alle Tricks der Branche, erlaubte wie nicht erlaubte. Schumacher wurde wegen der Machenschaften von Benetton den Schmähnamen «Schummel-Schumi» lange nicht los. Doch wenn fachliche Erfahrung gefragt ist wie nun im Renault-Konzern, dann ist vieles möglich. Die Taktik, im Abstiegskampf einen Schleifer an Bord zu holen, kennt auch der Fussball. Nur bewegen sich diese Fussballtrainer selten auf Jetset-Niveau.
Stroll will mit Aston Martin durchstarten
Macht und Motoren, das scheint ein ganz besonderes Magnetfeld zu sein. Die schillerndsten Charaktere der Formel 1 sind daher nicht unbedingt die, die in den Cockpits der Rennwagen sitzen. Unter den Team-Bossen der Königsklasse herrscht jedenfalls kein Mangel an auffälligen Persönlichkeiten. Sie schauen auf den Sport, aufs Geschäft und auch aufs eigene Ego. Voller Überzeugung, dass sich Erfolg letztlich kaufen lässt.
Über das Vorhaben von Lawrence Stroll, der am Wochenende beim Grand Prix von Kanada sein Heimspiel in Montreal hat, titelte das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» in aller Bescheidenheit: «Ein Quantum Grössenwahn». Der Kanadier, der seine Milliarden in der Kleiderbranche gemacht hat und mit der Modemacherin Raquel Diniz in zweiter Ehe verheiratet ist, würde seinen Sohnemann Lance zu gern in einem Weltmeisterteam sehen.
Das scheiterte bisher an den Fähigkeiten des gleichwohl talentierten Sprösslings, und mit dem Kauf des Mittelklasseteams Force India war es auch nicht getan. Also musste ein Masterplan her: neue Rennfabrik, neuer Windkanal, neues Personal. Die altehrwürdige Sportwagenmarke Aston Martin hat er gleich dazugekauft. Und jüngst Fernando Alonso als Fahrlehrer für Stroll junior. Seit sieben Jahren wird an dem Projekt gebastelt, so viel Geduld hat Lawrence Stroll gewöhnlich nicht, wer will schon ewig Fünfter sein?
Der Motorsport hat andere schon Demut gelehrt, in Stroll aber schlummert ein Vulkan. Nach den jüngsten Enttäuschungen soll die Führungsmannschaft seines Teams zum Rapport hinter verschlossenen Türen bestellt worden sein. Hoffentlich waren diese auch schallgedämpft. Denn der 64 Jahre alte Stroll klingt wie ein Motor aus der Zwölfzylinder-Ära. Insbesondere dann, wenn ihm etwas nicht passt. So bekommt er meist doch, was er will.
Um das Ziel zu erreichen, irgendwann der beste Rennstall zu sein, möchte Stroll senior am liebsten den Red-Bull-Stardesigner Adrian Newey oder den Ferrari-Technikchef Enrico Cardile verpflichten. Die Überzeugungskraft steckt ebenso in Strolls Persönlichkeit wie in seinem Portemonnaie.
John Elkann hat Hamiltons Wechsel zu Ferrari geschickt eingefädelt
An Geld herrschte im italienischen Agnelli-Clan noch nie ein Mangel, ebenso wenig an Streit unter den Fiat-Erben. Diese verbindet eine wilde Familiengeschichte, die kürzlich wieder vor Gericht gelandet ist. John Elkann, der aus dem Automobilunternehmen von Grossvater Gianni ein globales Imperium namens Stellantis geschmiedet hat, flüchtet deshalb gern in die Welt des Motorsports. Vor allem, seit Ferrari wieder hoffähig geworden ist.
Wie Briatore machte auch Elkann jüngst in Monaco ein Selfie. Allerdings vor der Fürstenloge und der Siegerehrung für Charles Leclerc. Als Einziger in der jubelnden Menge in Rot stand der 48-Jährige in feinem blauen Tuch da und flüchtete im richtigen Moment vor der Champagnerdusche.
Ferrari president John Elkann and Mercedes motorsport boss Toto Wolff meeting in the Monaco paddock just now pic.twitter.com/OIu8jJJcLv
— Andrew Benson (@andrewbensonf1) May 26, 2023
Das feine Lächeln mag gar nicht mehr von Elkanns Gesicht schwinden, und das hat nicht nur mit diesem Prestigeerfolg zu tun. Man muss nicht unbedingt aussehen wie ein Alphatier, um eins zu sein. Elkann hat nach anderthalb erfolglosen Ferrari-Jahrzehnten nicht nur einen radikalen Kurswechsel angeordnet, er greift in bester Familientradition auch persönlich ein.
Scheinbar aus dem Nichts schafft er den Sensationstransfer des Rekordweltmeisters Lewis Hamilton nach Maranello. Eingefädelt hatte er diesen nicht etwa an einer Rennstrecke, sondern auf Partys und Empfängen, bei denen sich der Mercedes-Pilot und der Ferrari-Boss immer wieder trafen und sich befreundeten. Jahrelang schlug der Brite das immergleiche Ansinnen des gebürtigen New Yorkers Elkann freundlich aus. Doch wer ein echter Boss in der Formel 1 sein möchte, der begreift ein Nein nicht als Antwort. Sondern als Antrieb.
‹Lewis joining Ferrari is an important sign of how much he believes he can achieve great things with us› John Elkann ❤️😭 pic.twitter.com/lWqZwDhJSo
— Mona (@Monaaa_LH44) March 13, 2024