Für die einen sind Demonstrationen auf dem Bundesplatz in Bern ein Zeichen gelebter Demokratie. Andere stören sich daran. Doch wem gehört eigentlich der Bundesplatz?
Bern, Bundesplatz. Eine Frau hält einen Pappkarton hoch. Darauf hat sie geschrieben: «Keine Mehrausgaben fürs Militär!» Doch darf die Frau hier auf dem Bundesplatz demonstrieren? Eigentlich nicht, denn seit 1925 sind auf dem Bundesplatz während der Session grundsätzlich keine Demonstrationen erlaubt. Die Frau weiss das, deshalb sagt sie: «Solange ich hier alleine stehe, gilt es nicht als Demonstration.»
Da hat sie natürlich recht. Doch so eindeutig ist es nicht mit dem Demonstrationsverbot auf dem Bundesplatz. 2021 hat die Stadt Bern die Regelung gelockert: Seither werden auch während der Session vermehrt Demonstrationen bewilligt. Allerdings unter Auflagen. Demonstrationen dürfen den Parlamentsbetrieb nicht stören, und es dürfen maximal fünfzig Personen teilnehmen.
Im Inneren des Bundeshauses wird am Mittwoch eine vom Büro des Nationalrates eingereichte Motion besprochen. Das Büro fordert, die Zusammenarbeit für die Nutzung des öffentlichen Raums des Bundeshaus zwischen Stadt, Kanton und Bund zu institutionalisieren. Aber was heisst das genau?
Aline Trede: «Ich war als Einzige dagegen»
Aline Trede ist Fraktionspräsidentin der Grünen. Sie hat sich vor 2021 in mehreren parlamentarischen Vorstössen dafür eingesetzt, dass während der Session Kundgebungen auf dem Bundesplatz stattfinden dürfen. Allerdings wurden allesamt abgelehnt. So ist die heutige Regelung, die ruhige und kleine Kundgebungen zulässt, in ihrem Sinne. «Ich habe selber oft auf dem Bundesplatz demonstriert. Natürlich nicht während der Session.»
Auf der anderen politischen Seite steht der SVP-Nationalrat Christian Imark. Er setzte sich mit mehreren Vorstössen dafür ein, dass der Bund bestimmt, wer sich auf dem Bundesplatz versammeln darf. Derzeit liegt die Kompetenz bei der Stadt Bern, denn der Bundesplatz gehört ihr. Imark wollte das ändern und schlug kurzerhand vor, dass der Bund den Bundesplatz kaufen soll. Die Nationalräte wollten davon nichts wissen.
Für Imark sind Demonstrationen während laufender Session ein Problem der Sicherheit. Auf dem Weg ins Bundeshaus gebe es ein riesiges Dispositiv von Sicherheitspersonal, doch wenn man auf den Bundesplatz hinaustrete, gerate man oftmals in eine Menschenmenge. Wie vergangenen Freitag, als Pro-Palästina-Aktivisten auf dem Bundesplatz Parlamentarier ausbuhten und beschimpften. «Wir dürfen nicht abwarten, bis etwas passiert.»
Imark verweist auch auf die unbewilligte Klimademonstration von September 2020, als Aktivisten während der Session auf dem Bundesplatz campierten. Die Polizei räumte die Kundgebung erst nach zwei Tagen. Im vergangenen Jahr war der Bundesplatz am Frauenstreik voller Demonstrantinnen – damals wurde die Veranstaltung von der Stadt bewilligt, auch wenn es viel mehr Menschen als fünfzig waren.
Trede verortet hier elitäres Denken bei denjenigen, die Demonstrationen auf dem Bundesplatz einschränken wollen. Demonstrationen seien wichtig, auch während der Session, so bleibe der Kontakt zum Volk eng. Zudem sieht sie in den Bestrebungen für ein rigideres Regime einen Seitenhieb gegen links, weil gerade der Frauenstreik und der Klimastreik Auslöser dafür waren, dass nun eine neue Regelung mit der Stadt gefunden werden soll. Obwohl kommerzielle Veranstaltungen wie zum Beispiel ein Beachvolleyballturnier oftmals deutlich lauter seien.
Zudem reibe sich das bürgerliche Parlament mit der linken Berner Stadtregierung. Trede war als einziges Mitglied des Büros des Nationalrates gegen die Motion.
Reto Nause: «Wir würden gerne die Bundesterrasse bespielen»
Zwischen Trede und Imark steht Reto Nause von der Mitte. Er steht sogar zwischen Bund und Stadt, weil er als Sicherheitsdirektor von Bern und als Nationalrat amtet. Nause relativiert die Ausführungen seiner Ratskollegen. Situationen wie den Frauenstreik oder die Klimademonstrationen könne er in den vergangenen Jahren an einer Hand abzählen. Allerdings findet auch er, dass sich Stadt, Kanton und Bund bei der Nutzung des Bundesplatzes besser miteinander absprechen sollten.
Dabei geht es ihm nicht nur um den Bundeshausplatz, sondern auch um die Bundesterrasse, die sich auf der gegenüberliegenden Seite Richtung Aare befindet. Diese gehört nämlich im Gegensatz zum Platz nicht der Stadt Bern, sondern dem Bund. Dort würden sich an einem schönen Sommerabend mehrere hundert Personen versammeln. Es werde laute Musik gespielt, der Abfall bleibe liegen oder lande in den darunterliegenden Strassen.
Nause hat eine Lösung: «Wir würden gerne die Bundesterrasse bespielen», sagt er. Sprich, einen Pop-up-Gastrobetrieb eröffnen, der die Besuchermassen steuert und somit verhindert, dass alle ihre eigenen Getränke und Esswaren mitnehmen. Ein ähnliches Konzept habe bei der Grossen Schanze, einem Park bei der Universität Bern, funktioniert.
Könnte man die Terrasse gegen den Bundesplatz tauschen? Sicher nicht, sagt Nause. «Der Bundesplatz bleibt ein städtischer Platz.» Dieser sei für Bern zentral mit den Veranstaltungen, Märkten und Demonstrationen. Auf dem Bundesplatz findet auch der Zibelemärit statt.
Motion kommt ohne Gegenantrag durch
Zurück auf dem Bundesplatz: 26 Fontänen schiessen hoch. Manche sind kleiner, andere grösser – so, wie die Schweizer Kantone. An diesem sonnigen Tag tanzen Kinder durch das Wasserspiel, schlecken Glacen. Im Bundeshaus drinnen wird die Motion ohne Gegenantrag und Abstimmung durchgewinkt. Wenn der Ständerat das gleich sieht, muss der Bundesrat mit Stadt und Kanton eine Lösung suchen.