Am kommenden Mittwoch muss das klamme GZO Spital Wetzikon eigentlich seine Anleihen zurückzahlen. Doch das Geld fehlt. Kommt es zu einer Kettenreaktion?
Ein Unglück kommt selten allein: Anfang Mai erhielt das GZO Spital Wetzikon vorübergehenden Gläubigerschutz. Dies, weil es sich nicht in der Lage sieht, eine Obligation von 170 Millionen Franken zurückzuzahlen, die eigentlich am Mittwoch fällig wird.
Vor zehn Jahren hatte das Spital diese Mittel für einen «dringend benötigten» Neubau aufgenommen – der jetzt halbfertig ist und wohl noch eine Weile eine Baustelle bleibt. Der Totalunternehmer Steiner, der mit dem Auftrag betraut war, kündete den Vertrag einseitig, nachdem die Nachlassstundung des Spitals bekannt wurde. Diese Woche nun reichte Steiner seinerseits ein Gesuch für Gläubigerschutz ein.
Kurs unter 40 Prozent
Wann die Gläubiger des Spitals Wetzikon ihr Geld wiedersehen werden und wie viel, steht in den Sternen. Diese Unsicherheit kann man aus dem Kurs der Anleihe ablesen. Er notiert unter 40 Prozent.
Das gleiche Debakel könnte sich bei anderen Spitälern wiederholen, da viele unter einer tiefen Profitabilität und hohen Schulden leiden: Das See-Spital in Horgen etwa muss bis in zwei Jahren einen Bond von 100 Millionen Franken zurückzahlen – er notiert bei 75 Prozent. Fast gleichzeitig wird eine Anlage des Spitals Männedorf fällig, das ebenfalls als Wackelkandidat gilt.
Normalerweise sind solche Zahlungsausfälle nicht weiter schlimm. Es geht um verhältnismässig kleine Beträge, die breit gestreut sind, mehrheitlich bei institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen oder Family-Offices.
Auch für die Gesundheitsversorgung sind diese Spitäler unwesentlich: Mit diesem Argument lehnte ja der Regierungsrat des Kantons Zürich einen Antrag des GZO Wetzikon um finanzielle Unterstützung ab.
Trotzdem sind das GZO Wetzikon, das See-Spital Horgen oder das Spital Männedorf natürlich keine normalen Firmen: Das GZO ist eine gemeinnützige Aktiengesellschaft, hinter der nicht nur Wetzikon, sondern elf weitere Gemeinden stehen.
Je nachdem, wie diese nun mit den Gläubigern umspringen, werden sie ein ähnlich fatales Signal an die Investoren aussenden wie der Bund, als er bei der erzwungenen Übernahme der Credit Suisse durch die UBS die Inhaber der sogenannten AT1-Anleihen ausradierte. Am Donnerstag ist deswegen eine Klage bei einem New Yorker Gericht eingegangen – gegen die Schweiz.
Ahnungslose Politiker
«Die Politik ist sich nicht bewusst, dass es schwere Konsequenzen für andere Spitäler hätte, wenn jetzt die Gläubiger des Spitals Wetzikon grössere Abstriche machen müssten: Die Finanzierungskosten würden für alle Spitäler ohne explizite Staatsgarantie steigen», sagt Marc Meili, Kreditanalyst der Rating-Agentur Independent Credit View.
«Und nicht nur für sie, sondern für alle staatsnahen Einrichtungen wie auch Stiftungen oder Baugenossenschaften, die bloss eine implizite Garantie von Kantonen oder Gemeinden haben.» Im Spitalbereich sei dies bereits zu beobachten.
Das bestätigt Patrick Hasenböhler, Kreditanalyst bei der ZKB. Er und sein Team haben die fehlende Unterstützung für das GZO Wetzikon gleich im April zum Anlass genommen, die «Annahmen zu den expliziten/impliziten Garantien für die von uns abgedeckten Spitäler zu überprüfen»: Die ZKB stufte in diesem Rahmen das Rating des Regionalspitals Emmental zurück und auch jenes des See-Spitals.
Auch die Kreditabteilungen von Banken, die Spitälern Geld geliehen haben, gehen jetzt über die Bücher – weil sie im Zweifelsfall davon ausgehen müssen, dass Gemeinden und Kantone nicht für deren Verpflichtungen einspringen.
Misstrauen auch gegenüber soliden Spitälern
Selbst grundsolide Gesundheitseinrichtungen werden von den Anlegern plötzlich misstrauisch beäugt: «Wie stark Investoren Unsicherheit verabscheuen und bei Turbulenzen risikoscheu werden, sieht man etwa beim Kantonsspital Winterthur, das bei uns ein sehr hohes Rating von «AA» hat», sagt Meili.
Die am Markt bezahlten Renditen für die Anleihen dieses Spitals entsprächen nun aber einer wesentlich tieferen Benotung von «BBB», sprich im unteren Bereich des Investment-Grade-Bereichs, kurz vor dem spekulativen Bereich.
Darin sieht der Kreditspezialist auch eine Gelegenheit für Anleger: Zurzeit gebe es diese vor allem bei Kantonsspitälern, selektiv auch bei regionalen Gesundheitseinrichtungen.
Eigentlich ist genug Geld da
Doch die Gemeindepolitik könnte noch einen draufsetzen und das Vertrauen vollends zerstören: Die kriselnden Regionalspitäler verfügten oft über wertvolle und teilweise unbebaute Grundstücke, die sie für die Bedienung der ausstehenden Anleihen und Kredite verwerten könnten, sagt Alex Becker, der ebenfalls für Independent Credit View arbeitet.Das Spital Wetzikon zum Beispiel stehe auf einer Fläche von 40 000 Quadratmetern.
Ein Teil des Grundstückes könnte theoretisch auch abgespalten und verkauft werden. «Das Risiko ist allerdings, dass politisch motivierte Entscheidungen eine wirtschaftlich optimale Lösung verhindern und es damit zu einem unnötig hohen Schuldenschnitt für die Gläubiger kommt. Unter einem solchen negativen Szenario könnte der Markt vergleichbare Schuldner durchaus nochmals deutlich abstrafen.» Betroffen wären dann nicht nur Spitäler.