Der Abwehrspieler zeigt abermals einen erhobenen Zeigefinger. Prompt wird sein Foto von Islamisten verbreitet. Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art.
Antonio Rüdiger hat es wieder getan: Der Abwehrspieler, der mit Real Madrid jüngst gegen Borussia Dortmund die Champions League gewann, hat den Zeigefinger erhoben – diesmal im Trikot der deutschen Fussballnationalmannschaft.
Es ist eine eher heitere Pose, der Spieler lächelt und wirkt ganz anders als auf jenem Foto, mit dem er sich Ende März via Instagram seinen Anhängern zum Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan zeigte: Mit ernster Miene kniete er auf einem Gebetsteppich und wünschte allen Muslimen einen gesegneten Ramadan.
Die Geste ist äusserst umstritten
Die Geste wurde damals schnell zum Gegenstand aufgeregter Diskussionen, denn sie wird auch unter Fachleuten zwiespältig gesehen: Einerseits gehört der sogenannte Tauhid-Finger für viele Muslime zum Gebet, andererseits ist die Geste von Islamisten und auch Terroristen gekapert worden, wie zum Beispiel dem IS. Die Islamwissenschafterin Susanne Schröter sagte der NZZ, Rüdiger bediene sich einer eindeutig salafistischen Bildsprache, wohingegen der Islamismus-Experte Hamed Abdel-Samad den Fingerzeig des Fussballspielers für harmlos hielt: Man solle sich um die wirklich gefährlichen Islamisten kümmern und den Fussballer in Ruhe lassen.
Zur Sprache gebracht hatte die Diskussion damals das Medienportal «Nius», geleitet vom ehemaligen «Bild»-Chefredaktor Julian Reichelt. Rüdiger hat Reichelt aufgrund der Veröffentlichung wegen Volksverhetzung angezeigt. Auch diesmal war es Reichelts Portal, das Rüdiger in den Fokus rückte.
Nur ist das aktuelle Foto eben in einem anderen Zusammenhang entstanden: Die Uefa hatte anlässlich der bevorstehenden Europameisterschaft Spieler zu einem Fototermin geladen. Auch aus der deutschen Mannschaft waren einige Fussballer dabei, unter ihnen Rüdiger und der Torhüter Marc-André ter Stegen. Die Spieler wurden gebeten, verschiedene Posen zu zeigen, darunter sei auch diejenige mit dem ausgestreckten Zeigefinger. Die Uefa erklärte auf Anfrage: «Das auf den Bildern gezeigte Symbol ist – wie viele andere während der Fotosessions gezeigte – eine typische Pose des Feierns.» Es sei «nicht mit religiösen und/oder politischen Implikationen zu verbinden.»
Allahu Akbar! ☝️@ToniRuediger ❤️💪🏿 pic.twitter.com/WgQyhImpHn
— Generation Islam (@genislam1) June 11, 2024
Dieser Wunsch ist durchaus verständlich. Nur lassen sich Assoziationen nicht vorgeben. Es ist eben der Betrachter, der den Kontext herstellt – und gäbe es die Vorgeschichte Rüdigers nicht, dann wäre die Geste womöglich unverfänglich. Nur versah Rüdiger im Jahr 2020 einen Instagram-Beitrag, der von einem populären Mixed-Martial-Arts-Kämpfer veröffentlicht worden war, mit einem Like. Abgebildet war der französische Staatspräsident Emmanuel Macron – auf seinem Gesicht war der Abdruck einer Profilsohle ins Foto retuschiert worden. Der Beitrag war eine Reaktion auf Macrons Kampfansage an den Islamismus. Kurz zuvor war der französische Lehrer Samuel Paty von einem Islamisten ermordet worden. Die Bildunterschrift in Russisch lautete: «Und möge Allah all diejenigen bestrafen, welche die Ehre der besten Menschen des Propheten Mohammed verletzen.»
Damals entschuldigte sich Rüdiger. Doch die Vorgeschichte ist für die Deutung alles andere als trivial. Und man fragt sich, warum der Deutsche Fussballbund (DFB) angesichts der jüngsten Geschehnisse um Rüdiger nicht ein wenig aufmerksamer ist. Jegliche Diskussion, die nun abseits des Fussballs um Rüdiger kreist, ist der Vorbereitung des Teams auf die Europameisterschaft alles andere als dienlich.
Zumal das Bild bereits eine fragwürdige Verwendung gefunden hat: Die Vereinigung Generation Islam wusste mit dem Foto etwas anzufangen: Sie veröffentlichte es auf dem sozialen Netzwerk X und versah es mit folgendem Kommentar: «Allahu Akbar!»
Islamisten verbreiten das Foto
Solch eine Zweckentfremdung kann dem DFB, der stets bemüht ist, sich gegen jedwede Form von Diskriminierung und Extremismus zu positionieren, keineswegs recht sein. Auch dem Spieler schadet das. Generation Islam zählt gemäss Bundesverfassungsschutz zu den islamistischen Organisationen, die wie Realität Islam und Muslim Interaktiv eine «ideologische Nähe zu der in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegten Hizb ut-Tahrir aufweisen». Propagandistisch seien sie sehr rege und behaupteten «eine staatlich gesteuerte Islamfeindlichkeit». Zudem sähen sie «in der deutschen Integrationspolitik eine Art ‹Assimilationsterror›».
Gerne hätte man vom DFB erfahren, was der Verband zu tun gedenkt, um Nationalspieler davor zu bewahren, von einem solchen Milieu eingespannt zu werden. Eine Anfrage an den Verband blieb allerdings unbeantwortet.