Nun reisen sie wieder los, die Wohnmobile – bereit für ein neues Abenteuer. Doch auf dem Campingplatz lauern einige Fallen. Eine Auflistung.
Draussen knallen gerade die Hagelkörner aufs Dach des Wohnmobils, und ich nehme einen weiteren Schluck vom faden Filterkaffee. Auf der Tasse steht: «Today is going to be a good day!»
Ich sitze auf dem umgedrehten Beifahrersitz an einem Tischchen, will etwas sagen, doch es ist so laut, dass eine Unterhaltung unmöglich ist. Ohnehin scheint schon alles gesagt: Das Wetter ist schlecht, die Laune schlecht. Da bleibt nur eines – einen weiteren Schluck vom schlechten Kaffee trinken.
«Today is going to be a good day!» – Von wegen.
Dabei war die Idee eigentlich bestechend. Wir leihen uns ein Wohnmobil und fahren damit auf einen familienfreundlichen Campingplatz. Dort gibt’s ein Schwimmbad, einen Indoor-Spielplatz für die Kinder und Gipfeli zum Frühstück. Die Bilder im Internet waren umwerfend. Der See schön. Die Berge schön.
Die Vorfreude war gross. Plötzlich konnte ich den Camping-Hype verstehen. Konnte begreifen, warum jeden Sommer so viele Menschen in diese unförmigen Kästen steigen, Hunderte Kilometer weit fahren und dann auf Instagram hübsch kolorierte Bilder von ihren Füssen auf dem Klapptisch schicken, während hinten die Sonne im Bergpanorama versinkt. Hashtag Vanlife.
Aber das hier hat nichts von alledem. Anstatt Sonnenuntergang Weltuntergang – draussen wie drinnen. Ich frage mich: Warum machen das so viele Menschen, jedes Jahr? Und vor allem: Was habe ich falsch gemacht?
Eine, die das erklären kann, ist Sandra Schulz. Die Journalistin und Autorin der «Spiegel»-Kolumne «Das Monster und ich» hat einen Wandel von der Anti-Camperin zur Camperin durchgemacht. Heute ist sie regelmässig mit ihrem Wohnmobilmonster unterwegs.
Zur Person
Sandra Schulz
Jahrgang 1975, ist in China aufgewachsen und absolvierte die Berliner Journalisten-Schule. Im September 2021 startete ihre Campingkolumne «Das Monster und ich» im «Spiegel»-Magazin. Im März ist im Penguin-Verlag ihr Buch «Monstertouren» erschienen – mit dem Untertitel «Wie ich herausfand, dass Familiencamping fröhlich macht, auch wenn es nicht immer lustig ist».
Schulz sagt: «Mir war Camping lange fremd. Erst mit der Geburt meiner Tochter, die das Down-Syndrom hat, habe ich mich ihm angenähert.»
Die grosse Welt von vorher sei auf einen Schlag ganz klein geworden. Das Kind kam als Frühchen zur Welt, mit einem schweren Herzfehler. Über Wochen ist Schulz nicht weiter gekommen als ein paar Kilometer zwischen Klinik und zu Hause. «Als sich dann der Zustand stabilisierte und unsere Tochter in die Kita kam, konnten wir uns das erste Mal überlegen, wie wir künftig Ferien machen wollen.» Camping hat ihre Welt wieder gross gemacht.
Hier lauert das Abenteuer bereits hinter der nächsten Kurve. Aber nur, wenn man diese sechs Fehler vermeidet:
Abschottung auf dem Campingplatz
Campen hat etwas sehr Intimes: Innerhalb des engen Wohnmobils ist man sich zwangsläufig nahe. Aber auch ausserhalb gibt es wenig Privatsphäre. Nach dem Frühstück zieht man das Chemieklo wie einen Rollkoffer hinter sich her, nachdem man es unter dem WC des Wohnmobils hervorgezogen hat. Man geht zur Entsorgungsstation, und während der Behälter sich unter Glucksen entleert, spricht man mit anderen Campern über die tollen Restaurants in der Gegend.
Sandra Schulz sagt: «Dass das Intime öffentlich wird, daran muss man innerlich wachsen.» Campen sei etwas Geselliges, man müsse offen sein und auch einmal einen Schwatz mit den Nachbarn halten. «Ich finde es deshalb immer etwas seltsam, wenn Menschen auf dem Campingplatz versuchen, sich komplett abzuschotten – mit Blickschutz und allem.» Wer Ruhe wolle, mache lieber andere Ferien.
Falls man trotzdem einmal einen Rückzugsort brauche, seien Wohnmobile mit internen Türen eine gute Lösung. «Ein Vorhang tut’s auch. Wichtig ist, dass jeder mal kurz durchatmen kann. Oder einfach mal vor die Tür tritt.»
Die Coolness-Falle
Während Corona haben Influencer das Campen cool gemacht. Sie posteten Bilder von schönen Menschen in schönen holzfurnierten Bussen, die an schönen Orten dampfende Tees aus schönen Tassen trinken (ohne Aufdruck). Das hegt falsche Erwartungen. Denn Campingferien sind in Realität weniger glamourös. Der neongrüne Faserpelz, die ausgelatschten Crocs-Schlarpen, das ungewaschene Plastikgeschirr, das in der Plastikwanne liegt, die sich über Nacht mit Regenwasser gefüllt hat.
Da hilft nur eines: die eigenen Ansprüche herunterschrauben. Das kennt auch Sandra Schulz: «Als wir das erste Mal mit dem Wohnmobil losgezogen sind, wollte ich auch die coole Camperin sein. Doch ich fragte mich ziemlich schnell, wie das gehen soll, wenn ich abends das Fussteil des Campingstuhls heraushole.»
Hinzu kommt, dass Wohnmobile – wegen ihrer Farbe als «Weisse Ware» verschrien – als nicht besonders hip gelten. Viele Camper versuchten, dieses Manko mit Ausrüstungsgegenständen wettzumachen, sagt Schulz. «Auch wir. Ich kaufte einen gepunkteten Outdoor-Teppich. Er sollte eine gewisse Beschwingtheit ausstrahlen, sollte zeigen, dass hier Leute wohnen, die alles etwas entspannter nehmen – auch wenn das natürlich nicht immer stimmt.»
Doch am Ende kommt es auf all das gar nicht an, denn: Camper sind ziemlich uneitel. Man kann herumlaufen, wie man will. Ausgelatschte Crocs-Schlarpen haben auch etwas Gutes.
Der falsche Campingtyp
Sie denken, Sie seien der reisende Typ. Der Abenteurer, der jeden Tag an einen anderen Ort fährt. Und dennoch sind Sie nicht glücklich, denn tief drin wissen Sie, dass Sie während der Sommerferien eigentlich lieber drei Wochen am gleichen Ort verbringen.
Dann sind Sie nach Sandra Schulz kein Reisender, sondern ein Steher. «Das ist so etwas wie ein Dauercamper, aber mit Motor, ausgeschaltetem Motor.» Beides ist okay, solange man weiss, was man ist –und keine falschen Erwartungen an sich hat.
Während die Steher herumstehen, sollten es die Reisenden mit ihrem Bewegungseifer aber nicht übertreiben. Tägliche Roadtrips von über 200 Kilometern können schnell zur Strapaze werden. «Vor allem mit kleinen Kindern sollte man anfangs keine langen Touren planen», sagt Schulz. Oder zumindest ein paar Highlights auf der Strecke einbauen. Genauso wichtig: Mindestens zwei Nächte an einem Ort bleiben, damit man nicht nur am Ein- und Auspacken ist.
Zu viele Pläne
Ein Wohnmobil hat den Vorteil, dass man sofort weiterreisen kann, wenn es nicht passt. Deshalb bringt es auch nicht viel, die ganzen Ferien schon zu verplanen. Im Gegenteil, oft sind es die unerwarteten Sachen, an die man gern zurückdenkt. Deshalb: lieber einmal eine Landstrasse nehmen als eine Autobahn.
Dem Navi sollte man aber nicht blind vertrauen. Wie riesig ein Wohnmobil wirklich ist, merken viele erst, wenn sie das Dach an einer niedrigen Brücke abrasiert haben. Oder wenn sie in einem schmalen Gässchen einer italienischen Altstadt stecken bleiben. Deshalb gilt: die Route besser vorab checken.
Die einfachen Dinge vernachlässigen
Wer die perfekten Campingferien will, wird scheitern. Ein Wohnmobil ist ein enger Raum, alle müssen sich arrangieren, und alle sind erholungsbedürftig. «All das produziert Nebengeräusche», sagt Sandra Schulz. Doch anstatt diese Nebengeräusche auszublenden, sollte man sie lieber akzeptieren – und mit Humor nehmen.
Wirklich Freude während Campingferien machen laut Sandra Schulz ohnehin die einfachen Dinge: morgens ein guter Kaffee. Abends warme Kleider, damit man beim Schlafen nicht friert. Und dazwischen etwas Gutes zum Essen. «Wenn man es ausspricht, klingt das alles wahnsinnig banal. Aber diese Dinge können einem die Ferien retten.»
Das falsche Wetter
Zugegeben, darauf hat man keinen Einfluss. Aber man kann sich fragen, ob man sich eine Woche Camping wirklich antun will, wenn die Wetter-App nur graue Wolken und dicke blaue Tropfen anzeigt. Schulz sagt: «Regen im Wohnmobil ist schon etwas schwierig, vor allem mit kleinen Kindern.» Da kann man nicht einfach mal entspannt ein Buch lesen oder angeregt über Politik diskutieren. «Wenn es wirklich schüttet und gar nicht mehr aufhört, ziehen wir weiter.»
Was aber, wenn der Campingplatz schon Monate zuvor gebucht worden ist? «Ich empfehle eher, erst aufs Wetter zu achten und dann dorthin zu fahren, wo die Sonne scheint – anstatt weit im Voraus zu buchen und dann im Regen herumzusitzen.» Es könne zwar sein, dass man sein Wohnmobil mitten auf einem Hühnerhof abstellen muss, weil es sonst nirgends mehr Platz gibt. «Doch lieber Hühnerhof mit Sonne als schlechte Laune bei schlechtem Wetter.»
Das war wohl auch unser Fehler. Denn als sich irgendwann die Wolken lichteten, hatten auch wir noch ein versöhnliches Campingferien-Ende. Wir konnten die schönen Berge und den schönen See geniessen. Nur der Kaffee blieb schlecht. Dafür konnte ich zum ersten Mal etwas mit dem Tassenaufdruck anfangen. Dort stand: «Happy Camper».