Vernetzung und Verkehrswende sind zwei der grössten Wachstumstrends der kommenden Jahre. Ein deutsches Firmenduo führt bei IT-Systemen für den öffentlichen Nahverkehr. Die Auftragsbücher sind prall gefüllt.
Fahnen, Tröten, Jubel – die Europameisterschaft läuft. Und mit ihr die Diskussionen um «hängende Spitze» oder «Zwischenräume besetzen». Eine Übung, mit der man auch bei der Geldanlage punkten kann. Auch hier können die Zwischenräume spannend sein. The Market liefert mit Init Innovation in Traffic Systems und Ivu Traffic Technologies zwei solche Beispiele.
Die beiden deutschen Unternehmen profitieren von drei Grosstrends:
- Die Nachhaltigkeit: Verkehrsbetriebe und Kommunen müssen aufgrund von EU-Vorgaben ihre Emissionen von Kohlendioxid (CO2) senken.
- Die Urbanisierung und damit verbunden die Verkehrswende auch innerhalb der Städte: Immer mehr Menschen zieht es in die Ballungsräume. Nach Kalkulationen der Vereinten Nationen sollen 2050 gut zwei Drittel der Weltbevölkerung dort leben. Vor allem Bus und Bahn sollen ihnen angesichts von Dauerstau und Klimawandel Bewegungsspielräume eröffnen.
- Die Digitalisierung mitsamt ihrer neuesten Facette, der künstlichen Intelligenz (KI): Damit kann auch die Verkehrssteuerung smarter werden.
Genau an der Schnittstelle dieser drei Grosstrends tummeln sich Init und Ivu. Beide Unternehmen sorgen dafür, dass der öffentliche Verkehr so effizient und nachhaltig wie möglich läuft – und zwar durch den Einsatz von Technologie.
Init mit Sitz in Karlsruhe hat den Schwerpunkt auf Bus und Nahverkehr gelegt und liefert auch Hardware, ein Allround-Paket für Verkehrsbetriebe. «Das Geschäftsmodell von Init ist recht einfach», sagt Finanzchef Marco Ferber. Es beginnt in der Regel mit einem ersten Auftrag, typischerweise via Ausschreibung eines oder mehrerer operativer Systeme. Diese Systeme bestehen dann in aller Regel aus einer zentralen Software und Hardware-Komponenten in den Fahrzeugen. Basierend auf diesem Erstkontakt würden Kunden neben der Wartung der Software häufig Systemerweiterungen, neue Funktionen und Updates bestellen. «Darüber hinaus wächst und verändert sich häufig die Flotte, was Potenzial für Nachlieferungen mit sich bringt.» Schon heute bindet das Unternehmen KI etwa zur Optimierung von Prozessen in der Planung ein.
Ein Geschäftsmodell, das Grossaufträge mit sich bringt, wie zuletzt vom Londoner Verkehrsverbund Transport for London (TfL) oder aus Atlanta. In der US-Metropole soll Init ein neues Ticketing-System einführen. Das anfängliche Auftragsvolumen liegt bei gut 100 Mio. $, das Projekt ist auf zehn Jahre angelegt. Mit zusätzlichem Potenzial: «Bei Abschluss von weiteren Optionen für Betrieb und Wartung über zehn Jahre kann sich das nochmals verdoppeln», sagt Alexander Lippert, Fondsmanager von GS&P. Der Kontrakt mit London ist rund 80 Mio. £ wert und läuft ebenfalls über zehn Jahre.
Jeder weitere Grossauftrag hilft dem Unternehmen, seine Marktposition zu festigen und die Marge zu verbessern. Der Umsatz hat sich in zehn Jahren von rund 100 Mio. € im Jahr 2013 auf zuletzt etwas über 210 Mio. verdoppelt. 2024 sollen es laut Prognosen über 220 Mio. sein. Bei einem Verhältnis von Nettoschulden zu Ebitda von 1,4 im Jahr 2023 hat das Unternehmen ausreichend finanziellen Spielraum zur Verfügung, um Wachstumspläne umzusetzen.
Gleichzeitig konnte die Profitabilität laufend verbessert werden. Laut Bloomberg-Konsens dürfte der operative Gewinn auf Stufe Ebitda bis 2026 auf rund 56 Mio. € steigen, das entspräche mehr als einer Verdopplung gegenüber 2020. Die entsprechende Marge lag 2023 bei etwas über 13%. 2026 soll sie gemäss Schätzung fast 17% erreichen.
Das Erfolgsgeheimnis von Init ist für Fondsmanager Lippert die Kombination aus Betriebsleitsystem und Ticketing samt dem automatisierten Abbuchen. Das funktioniere reibungslos und schnell. Gut für die Verkehrsbetriebe und damit auch gut für Init – und ihre Aktionäre.
Ivu setzt auf Software im Bahnverkehr
Ivu ist in derselben Nische unterwegs, legt aber ihren Schwerpunkt eher auf Software und eher auf den Bahnverkehr. In vielen europäischen Ländern setzen die Staatsbahnen auf das Unternehmen, zum Beispiel in Deutschland, Schweden, der Schweiz und Italien. Dabei können einzelne Module wie Ticketing, aber auch Komplettlösungen angeboten werden. Die Entwicklung des Umsatzes in den vergangenen zehn Jahren ist vielversprechend – er verdreifachte sich knapp und stieg auf über 110 Mio. € im Jahr 2023. Dank ihrer Nettocashposition verfügt auch Ivu über den nötigen Manövrierraum, um zum Beispiel in die Marktposition zu investieren.
«Die Systeme sind für die Kunden kritisch und können nicht ohne weiteres ausgetauscht werden», sagt Felix Gode, Fonds-Advisor des Alpha Star Aktien, der in Ivu investiert. «Insgesamt ist die Preissetzungsmacht damit gut.» Sprich, Kostensteigerungen können auch weitergereicht werden. Das zeigt auch die Margenentwicklung der vergangenen zwei Jahre. Der Gewinn auf Stufe Ebitda lag 2020 bei etwas mehr als 8 Mio. €, 2024 sollen es etwas mehr als 18 Mio. sein. Aus starker Marktposition dürfte das Wachstum weitergehen.
Die Nische als Schutz vor Konkurrenz
Beide Unternehmen sind führend in ihrer Nische. «Gerade langfristige Verträge, wie sie etwa mit Bahnbetreibern abgeschlossen werden, sind für Dritte nur sehr schwer zu kapern, wenn ein Unternehmen als Dienstleister installiert ist», sagt Fondsmanager Stefan Dudacy, der gegenwärtig mehr als 10% des von ihm verwalteten Allianz German Small and Micro Cap Fonds in die beiden Aktien investiert hat.
Die Unternehmen haben einen Burggraben. Dieser macht es für Konkurrenten schwierig, das Unternehmen aus seiner Marktposition zu verdrängen. Denn um solche Software und Hardware anbieten zu können, müssten neue Wettbewerber zunächst kräftig in Forschung und Entwicklung investieren. Dies dürfte sich angesichts des Vorsprungs von Init und Ivu und der begrenzten Marktnische, in der sie tätig sind, nicht lohnen.
Ein weiterer Schutz vor Konkurrenz sind die engen Kundenbeziehungen. Init-Finanzchef Ferber sagt dazu: «Unsere Kunden sind im Wesentlichen regionale Player, die nur begrenzt im Wettbewerb stehen, aber weltweit vernetzt sind.» Wenn ein Verkehrsverbund mit den Leistungen der Deutschen zufrieden ist, spricht sich das in der Branche herum.
Beide Unternehmen sind vergleichsweise klein: Der Börsenwert von Init beträgt gut 400 Mio. €, der von Ivu 250 Mio. Damit bleiben sie unter der Wahrnehmungsschwelle vieler Analysten. «Bei den Dax-Konzernen gibt es über den Daumen weltweit dreissig Analysten, die entsprechende Unternehmen abdecken. Bei Ivu und Init sind es vielleicht zwei oder drei Analysten», sagt Dudacy. Für Pensionsfonds, Versicherer und andere Grosskunden, die Analysten mit ihren Studien zu Käufen animieren wollen, sind beide Börsenwerte schlicht zu klein.
Damit haben sowohl Init als auch Ivu Eigenschaften von verborgenen Schätzen, «Hidden Gems», wie Starinvestor Peter Lynch kleine, von Analysten wenig beachtete Unternehmen mit grossem Wachstumspotenzial nannte. Sie können oft zu einem Preis erworben werden, der unter ihrem inneren Wert liegt, sodass sie dann den Blue Chips den Rang ablaufen.
Die Aktien haben in den vergangenen zehn Jahren deutlich zugelegt, wobei sich die Ivu-Papiere zuletzt etwas seitwärts bewegten. Profitiert hat auch die Besitzerfamilie von Init, die knapp 50% der Aktien hält. Bei Ivu halten die Gründer rund 20% der Titel.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) auf Basis des geschätzten Gewinns von Init beträgt 23 für 2024 und 17 für 2025. Das ist etwas höher als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, angesichts des erwarteten profitablen Wachstums und der starken Marktposition scheint die leichte Prämie jedoch verkraftbar. Die Aktien von Ivu sind im historischen Vergleich eher günstig. Das KGV für 2024 liegt derzeit bei 19, jenes für 2025 bei knapp 17. Die Bewertung ist jedoch durch den pandemiebedingten Verlust im Jahr 2020 verzerrt.
Das Staatssäckel ist derzeit kein Bremsklotz
Die langfristigen Wachstumsaussichten sind gut. «Es sind aus meiner Sicht kontinuierliche und nachhaltige Faktoren, die Ivu über einen langen Zeitraum Rückenwind geben werden», sagt Fonds-Advisor Gode. Etwa das Programm der Europäischen Union «Fit for 55», mit dem sie den CO2-Ausstoss bis 2030 um 55% senken will. Davon ist gerade auch der öffentliche Verkehr betroffen, die Staaten sind gehalten, Bus und Schiene auf Nachhaltigkeit zu trimmen. Unternehmen wie Init und Ivu dürften dauerhaft davon profitieren. Im Fall von Init glaubt Fondsmanager Lippert ausserdem, dass der Markt das Potenzial des Geschäftsmodells für profitable, wiederkehrende Umsätze noch unterschätzt.
Das Risiko, dass der Rückenwind ausbleibt, sei eher gering. «Bislang sind keine wesentlichen Bremseffekte zu sehen», urteilt Fonds-Advisor Gode. Das Gegenteil sei der Fall: Vor allem in Ländern wie zum Beispiel Italien konnte Ivu zuletzt eine erhebliche Anzahl an Aufträgen gewinnen.
Fazit: Drei Grossthemen wie grüne Verkehrswende, Urbanisierung und Digitalisierung sind besetzt, die Bewertungen liegen im Rahmen, die Aussichten dank dem staatlichen Rückenwind gut – die Ausgangsposition von Init und Ivu passt. Das dürfte sich auch an der Börse in einem Aufwärtstrend niederschlagen. Ein Standard-Investment sind beide Unternehmen nicht, dazu sind sie zu klein und ihr Kurs deutlich schwankungsanfälliger als etwa der der Schwergewichte im Leitindex. Aber in ihren Nischen ist das Duo gut positioniert – und als Investment in einem Core-Satellite-Ansatz attraktiv.