Der Yen bricht auf den tiefsten Stand seit annähernd vierzig Jahren ein. Die akute Schwäche der japanischen Währung dürfte nicht nur mit der lockeren Geldpolitik zu tun haben. Im Prinzip zeigt sie die problematischen Konsequenzen auf, wenn Staatsschulden überborden.
Notenbanker haben es dieser Tage nicht leicht. Den schwierigsten Job hat aber nicht Fed-Chairman Jerome Powell, EZB-Präsidentin Christine Lagarde oder Martin Schlegel als künftiger Vorsteher der SNB, sondern Kazuo Ueda, der Gouverneur der Bank of Japan.
Der Grund dafür ist die Entwicklung an den Devisenmärkten. Der Yen steht massiv unter Druck. Im Vergleich zum Dollar notiert er mit 160.70 ¥/$ auf dem niedrigsten Niveau seit Dezember 1986. Wie die untenstehende Grafik illustriert, hat sich die japanische Valuta in den letzten drei Jahren rund 45% abgewertet, wobei der Kursverlauf im Devisenhandel invers dargestellt wird.
Der Yen handelt nicht nur relativ zum Greenback leichter, sondern zu jeder wichtigen Währung der Welt. Zum Franken beispielsweise hat er seit Anfang Jahr mehr als 6% verloren und schneidet noch schlechter ab als der brasilianische Real und die türkische Lira.
Vage Kommunikation
Die Ursachen für die Schwäche der japanischen Valuta erscheinen auf den ersten Blick offensichtlich. Im Gegensatz zu anderen Zentralbanken hat die Bank of Japan im Nachgang der Covid-Pandemie die Zinsen kaum gestrafft, was Anlagen in Yen im Vergleich zu Dollar, Euro oder Franken unattraktiv macht. Die Renditedifferenz zwischen einjährigen amerikanischen und japanischen Staatsanleihen beträgt volle fünf Prozentpunkte.
Das Problem hat sich zuletzt dadurch verschärft, dass die Bank of Japan nur vage kommuniziert. Sie hat an der historischen Sitzung vom März zwar das Regime negativer Zinsen beendet und die formelle Politik der Kontrolle der Zinskurve aufgegeben. Sie hält die Geldpolitik aber weiterhin extrem locker, indem sie jeden Monat für rund 6 Bio. Yen (38 Mrd. $) japanische Staatsanleihen kauft.
Notenbankchef Ueda liess beim letzten Zinsentscheid vor zwei Wochen durchblicken, dass er die Bondkäufe voraussichtlich beim nächsten Treffen der Bank of Japan Ende Juli drosseln will, möglicherweise sogar in beträchtlichem Umfang. Anscheinend glauben ihm dies Investoren aber erst, wenn sie es sehen – und testen am Devisenmarkt, wie weit sie gehen können.
Symptom und Ursache
Dieses Kräftemessen zu gewinnen, wird für Ueda nicht einfach. Auf einer tieferen Ebene hängen die Schwäche des Yen und Japans lockere Geldpolitik mit der extremen Schieflage der Staatsfinanzen zusammen. Die Schulden belaufen sich auf mehr als 260% des Bruttoinlandprodukts (BIP). Offiziell ist keine andere Regierung einer bedeutenden Volkswirtschaft dermassen verschuldet.
Folglich sieht sich die japanische Notenbank de facto dazu gezwungen, das Gros neu emittierter Staatsanleihen aufzukaufen, um die langfristigen Zinsen niedrig zu halten. Sonst könnten die Zinskosten der Regierung rasch ausser Kontrolle geraten. Im Prinzip wird das Schuldenproblem durch die expansive Geldpolitik auf den Yen transferiert, argumentiert beispielsweise Robin Brooks, Chefökonom beim Institute of International Finance.
Japans desolate Staatsfinanzen wurden lange als problemlos erachtet, weil es im Inselreich keine Inflation und damit keinen natürlichen Aufwärtsdruck bei den Zinsen gab. Doch das hat sich geändert. Aktuell beträgt die Kernrate der Teuerung 2,5%. Die Bank of Japan muss also vor allem darauf hoffen, dass andere Zentralbanken wie das Fed in den USA die Zinsen senken, sich die Renditedifferenz am Bondmarkt reduziert und der Yen in der Folge erstarkt.
Doch Hoffnung ist keine Strategie.