Der Spezialist für medizinische Isolatoren bietet vieles, was Anlegerherzen höherschlagen lässt. Doch es gibt Punkte, die auch Bauchschmerzen bereiten.
Spannende Titel sind selten frei von Risiken. Sogenannte No-Brainer, mit denen Anlegerinnen und Anleger nichts falsch machen können, existieren nicht. Um es gleich vorwegzunehmen: Es gibt Gründe, die gegen den jetzigen Kauf der Aktie sprechen, die in dieser Analyse vorgestellt werden soll. Es gibt aber auch Gründe, warum sie zu einem der spannendsten Investment Cases der nächsten Jahre werden kann.
Es geht um das Schweizer Medtech-Unternehmen Skan.
Mit einem Börsenwert von rund 1,8 Mrd. Fr. ist die Gesellschaft dem Mid-Cap-Segment zuzuordnen. Nicht besonders gross, aber alles andere als klein. Trotzdem listet Bloomberg lediglich drei Sell-Side-Analysten auf, die sie abdecken. Das ist bereits der erste Punkt, der einigen Investoren Bauchschmerzen bereitet.
Unternehmen, auf die nur wenige Analysten schauen, gelten als weniger gut durchleuchtet. Will heissen: Das Risiko – etwa bezüglich Geschäftsprognosen, die wenig mit der Realität zu tun haben – wird hier naturgemäss als höher eingeschätzt als bei einer Nestlé, auf die die gesamte Analystenwelt schaut.
Doch das Geschäft von Skan sowie seine Aussichten sind zu spannend, um die Aktien deswegen gänzlich zur Seite zu schieben. Ein Merkmal der Schweizer Unternehmenslandschaft ist, dass es neben den hiesigen Weltkonzernen wie Roche oder Nestlé zahlreiche gut geführte kleine und mittlere Gesellschaften gibt, die in ihrer Nische zu Weltmarktführern heranwachsen.
Weltmarktführer bei Isolatoren
Die Nische der Baselbieter Skan sind sogenannte medizinische Isolatoren, die für die grossen Biotech- und Pharmakonzerne dieser Welt immer wichtiger werden. Konkret handelt es sich um meterlange Isolierkammern, in denen Wirkstoffe in keimfreier Umgebung abgefüllt und gemischt werden können – quasi wie eine Käseglocke für die Wirkstoffproduktion.
An der Wachstumsentwicklung lässt sich ablesen, dass das Geschäft gut läuft. Insbesondere in den letzten Jahren – nicht zuletzt ausgelöst durch die Coronapandemie – ist der Umsatz auf Touren gekommen. Doch anders als bei anderen Coronaprofiteuren im Biotech-Segment wie Tecan oder Sartorius stellte sich der Schub während der Pandemie nicht als übertrieben heraus.
Das zeigt sich sowohl an der Umsatzentwicklung, die ohne Delle nach oben zeigt, als auch am Aktienkurs. Skan ging im Herbst 2021 an die Börse, just zu dem Zeitpunkt, als die durch Corona ausgelöste Aktienrally ihren Höhepunkt erreichte. Während seitdem sowohl Pharmazulieferer- als auch Medtech-Valoren starke Korrekturen durchliefen, die bis heute nicht aufgeholt wurden, notieren die Titel von Skan über dem damaligen Eröffnungskurs von 75 Fr.
Die Aktienkursentwicklung allein betrachtet mag zwar nicht unbedingt begeistern, im Branchenvergleich schlägt sich Skan jedoch mehr als wacker.
Seit 2018 weist Skan ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 20% aus. Für das laufende Jahr rechnet das Management mit einem Plus zwischen 15 und 19%. Der Konsens – zu dem nur wenige Analysten beitragen – liegt leicht darüber. Zuletzt hat das Unternehmen Aufträge verloren, weil es mit der Nachfrage nicht nachkam und Grossprojekte stornieren musste. Für Fondsmanager Marc Possa hat das aber auch Vorteile.
«Die Herausforderung ist es, das bevorstehende Wachstum auch umzusetzen», sagt der CEO und Partner der VV Vermögensverwaltung, der mit dem von ihm verwalteten SaraSelect-Fonds in Skan investiert ist. «Eine Book to Bill Ratio von momentan 1 ist gesünder als eine von 1,5, wie es noch 2022 der Fall war.» Die Book to Bill Ratio gibt das Verhältnis von Auftragseingang zum Umsatz an.
Trend hin zu Spritzen, weg von Tabletten
Die vielversprechenden Wachstumsaussichten liegen in den zahlreichen strukturellen Trends begründet, von denen Skan langfristig profitieren dürfte. Komplexere Medikamente, die per Spritze injiziert werden müssen, gewinnen gegenüber Tabletten als Verabreichungsform an Bedeutung. «Vor zehn Jahren waren alle Blockbuster-Medikamente Tabletten zum Einnehmen, in fünf bis zehn Jahren werden wohl 70% gespritzt», sagt Remo Rosenau, Research-Leiter bei der Helvetischen Bank, die Skan zuletzt in ihre Schweizer Favoriten im Small- und Mid-Cap-Bereich aufgenommen hat.
Die Vorteile von injizierten Medikamenten liegen auf der Hand: Sie dringen viel direkter ins Blut als Tabletten und müssen daher nicht überdosiert werden – was einerseits Ressourcen spart, aber auch mit weniger Nebenwirkungen für die Patienten verbunden ist. Die Analysten von Berenberg sehen Skan aufgrund der technologischen Führerschaft gut positioniert, um in dem hoch regulierten Wachstumsmarkt der Produktion von injizierbaren Medikamenten weitere Marktanteile zu gewinnen.
Grundsätzlich lässt sich eine Verschiebung von traditionellen Reinräumen, in denen sich Menschen bewegen und Verschmutzungen verursachen können, hin zur überlegenen Isolatortechnologie beobachten. Das regulatorische Umfeld für die Herstellung von injizierbaren Medikamenten wird immer strenger. Isolierkammern sind steriler und haben darüber hinaus den Vorteil geringerer Betriebskosten. Skan sitzt hier mit ihrer technologischen Führerschaft in der Pole Position, um davon langfristig zu profitieren.
GLP-1-Fantasie
Ein weiterer Punkt, der in den Augen einiger Beobachter unterschätzt wird: der extreme Schub der Nachfrage nach aseptischen und aseptisch-toxischen Herstellprozessen, der durch den Boom von GLP-1-Medikamenten – in erster Linie geht es hier um die sogenannten Fettwegspritzen – noch einmal verstärkt wird. Die Pharmariesen Eli Lilly und Novo Nordisk bauen ihre Produktionskapazitäten massiv aus, um der Nachfrage Herr zu werden.
«Die Übernahme des Auftragsherstellers Catalent durch Novo Nordisk sorgte für eine Schockwelle in der Branche der Pharmaproduktion», sagt Possa. «Catalent hatte achtzig Kunden, die sich nun einen neuen Produzenten für ihre Wirkstoffe suchen müssen.» Diese Produzenten wiederum müssen ihre Kapazitäten massiv erhöhen. Der Profiteur dieser Entwicklung: Skan.
Hinzu kommt der Reshoring-Trend: Aufgrund der erhöhten Regulierungsanforderungen, aber auch wegen der geopolitischen Entwicklungen verlagern seit einigen Jahren mehrere in Europa und den USA ansässige Pharmaunternehmen ihre Produktionskapazitäten von Asien nach Europa und in die USA. Nicht nur die Analysten von Berenberg, die die Skan-Aktien zum Kauf empfehlen, erwarten dadurch weiteren Rückenwind für das Geschäft der Baselbieter.
Die Aussichten für das Geschäft sind also gut und machen die Gesellschaft aus Anlegerperspektive interessant. Zudem verfügt sie über eine schuldenfreie Bilanz, die kaum Goodwill und damit wenig Potenzial für Abschreibungen enthält. Eine hohe Kapitalrendite, die stets über den Kapitalkosten liegt, führt darüber hinaus dazu, dass sie stetig Mehrwert für die Aktionäre generiert.
Wäre da nicht die Bewertung…
Doch das alles hat einen Preis – und führt zu dem Punkt, der vielen Investoren bei Skan die grössten Bauchschmerzen bereitet: zur sportlichen Bewertung.
Ein für die nächsten zwölf Monate geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 45 ist zwar im Branchenvergleich nicht übermässig hoch und befindet sich etwa auf dem Niveau von Ypsomed, die vom Markt bereits als klarer GLP-1-Profiteur identifiziert wurde. Zudem notiert die Bewertung von Skan auf dem tiefsten Stand seit dem Börsengang. Trotzdem sind die Aktien anfällig für starke Kursrücksetzer, sollten die Zahlen doch einmal enttäuschen – etwa bei der Publikation der Halbjahresergebnisse am 20. August.
Rosenau von der Helvetischen Bank bereitet dies jedoch keine Sorgen. «Der Hauptgrund für eine hohe Bewertung ist das zu erwartende Wachstum – und die guten Wachstumsperspektiven von Skan sind plausibel», sagt der Chefanalyst der Helvetischen Bank. «Reinräume werden zunehmend durch Isolatoren ersetzt. Immer mehr moderne Medikamente brauchen hochreine Produktionsmethoden.» Zudem weist er darauf hin, dass die Bewertung des Peptidherstellers Bachem spürbar höher sei, obwohl sein Geschäft kapitalintensiver sei.
Bei Skan ist es wohl wie bei fast allen Qualitätsunternehmen, denen ein grosses Wachstum vorhergesagt wird: Günstig sind sie selten zu haben. Für alle, denen die derzeitige Bewertung Bauchschmerzen bereitet, sind die Titel ein perfekter Kandidat für die Watchlist. Wenn die Börsen das nächste Mal in den Korrekturmodus schalten und die Kurse auf breiter Front nach unten ziehen, bietet sich die Möglichkeit, Positionen in hoch bewerteten Qualitätsaktien wie Skan aufzubauen.