Hinter dieser Aussage steht eine simple Strategie, um Marktkorrekturen zu überstehen, starke Aktien zu identifizieren und beständige Gewinne zu sichern. Die Frage, die Sie sich stellen müssen, ist einfach: Besitze ich einen Tennisball oder ein Ei?
English version
«Einfachheit ist die höchste Stufe der Vollendung»
Leonardo da Vinci, ital. Universalgelehrter (1452–1519)
Wann hält man, und wann steigt man aus?
Dies ist eine der schwierigsten Fragen, wenn es ums Investieren geht.
Aktien zu kaufen ist einfach. Aber wann sollte man verkaufen? Auf diese Frage bin ich in einem früheren Artikel eingegangen. Aber von Zeit zu Zeit bewegt sich der Markt auf eine träge Art und Weise, die es schwierig macht, Entscheidungen zu treffen.
Wir befinden uns derzeit in einer solchen Marktphase. Es ist eine Art «Goldlöckchen»-Phase, geprägt von moderatem Wachstum und einer Inflation, die sich auf einem vertretbaren Niveau einpendelt – die Suppe ist weder zu kalt noch zu heiss. Alles stellt sich als «genau richtig» heraus. Allerdings kommt noch hinzu, dass der Markt beginnt, sich verstärkt von Narrativen leiten zu lassen. Die Spitzenreiter dieser Narrative steigen kräftig an, während der breite Markt nur auf der Stelle tritt.
Nur einige wenige Aktien liefern die Performance und übertreffen den breiten Index, während der Rest der Portfoliobeteiligungen sich nicht bewegt, weder nach unten noch nach oben. Letztere sind zu gut, um sie zu verkaufen, aber zu schlecht, um sie zu ignorieren. Sie stellen unsere Geduld auf die Probe.
Geht es Ihnen im laufenden Jahr auch so?
Prozentualer Anteil der S&P 500-Aktien, die den Index im Lauf des Kalenderjahres übertreffen
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Alles, was mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) zu tun hat, treibt den Markt heute an.
Die Hauptnutzniesser des KI-Booms sind, quasi als Schaufellieferanten, die Halbleiterkonzerne mit Nvidia als Vorzeigebeispiel. In frischen und starken Bullenmärkten steigen drei von vier Aktien mit dem Markt. Wenn aber, wie gegenwärtig der Fall, nur eine Handvoll Aktien besser abschneidet als der Markt, ist dies ein Zeichen für einen reifenden Bullenmarkt oder ein negativ verzerrtes Risiko-Ertrags-Verhältnis, zumindest für den Moment. Dünne Luft, wie wir es gerne nennen.
Ausserdem profitieren die wenigen aktuellen Gewinner von einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Warum? Weil sie die einzigen sind, die besser abschneiden als die anderen. Da sie das aktuelle Narrativ prägen, beginnen Marktteilnehmer und passives Geld, ihnen unabhängig von den Fundamentaldaten in bester FOMO-Manier («Fear of missing out» oder die Angst, einen grossen Gewinn zu verpassen) hinterherzulaufen. Diese Zuflüsse beschleunigen die Bewegung. Für solches Herdenverhalten nehme ich immer meinen Lieblingschart von 1720 zur Hand. Mein Freund Alfons Cortés, ein Marktveteran im, wie er es nennt, 53. Lehrjahr, hat ebenfalls gerade in seinem neusten Artikel darüber geschrieben.
Isaac Newton und die Südsee-Aktienblase, Dezember 1718–1721
Abgesehen vom KI-Narrativ sind wir mit einer einfachen Tatsache konfrontiert: Es gibt einen grossen Prozentsatz von Unternehmen, die in einem so ruhigen und stetigen Bullenmarkt, wie wir ihn derzeit erleben, unterdurchschnittlich abschneiden. Wenn ihre Kurse jetzt nicht steigen, wann werden sie es dann tun? Etwa, wenn die Zeiten für Aktien noch besser sind als heute? Höchstwahrscheinlich nicht. Es besteht also die Gefahr, dass man ein schwächeres oder angeschlagenes Unternehmen besitzt.
Bedenken Sie, dass nur 4% aller Aktien für die Gesamtrendite des S&P 500 verantwortlich sind. Ausserdem ist Kaufen und Halten oder «unsere bevorzugte Haltedauer ist ewig» eine Illusion. Warren Buffett, der in diesem Zusammenhang oft zitiert wird, hielt 60% der 230 Aktien, die er in seiner Karriere gekauft hat, weniger als ein Jahr lang. Nur neun von ihnen hielt er mindestens ein Jahrzehnt lang.
Mit anderen Worten: Er verkaufte seine Verlierer schnell und liess die Gewinner laufen, wie es jeder tun sollte. Aber das klingt einfach nicht nach einer mitreissenden Marketingstrategie.
Im gegenwärtigen Marktumfeld ist es an der Zeit, die Spreu vom Weizen zu trennen. Deshalb müssen Sie sich jedes Mal, wenn der Markt einen Kursrückgang erleidet, eine einfache Frage stellen:
Besitze ich einen Tennisball oder ein Ei?
Wertvolle Erkenntnisse
Marktkorrekturen sind unvermeidlich. Sie sollten sogar als gesund angesehen werden. Und sie bieten wertvolle Erkenntnisse über den Markt und Ihr Portfolio.
Denn der aussagekräftigste Teil der Kursentwicklung einer Aktie ist ihr Verhalten bei Rücksetzern. Hier können Sie erkennen, ob Sie einen Tennisball oder ein Ei halten. Aber woher wissen Sie, was was ist?
Durch Beobachtung der relativen Performance der Aktie.
Springt sie zurück wie ein Tennisball oder platscht sie wie ein Ei? Die besten Aktien erholen sich in der Regel am schnellsten. Nachdem eine Aktie gestiegen ist, kommt es irgendwann zu einem kurzfristigen Rückgang des Kurses. Wenn es sich um eine gesunde Aktie handelt, sind die Einbrüche nur kurz und werden bald durch Käufe unterstützt, die die Aktie innerhalb weniger Wochen zu neuen Höchstständen treiben sollten – sie springt zurück wie ein Tennisball.
Ein Beispiel sind die Gesundheitsunternehmen Novo Nordisk, ein Unternehmen, das wir in unserem Portfolio besitzen, und Pfizer, ein Unternehmen, das wir nicht besitzen. Beachten Sie, wie schnell sich Novo Nordisk (schwarz) nach dem Rückschlag im Herbst 2022 wie ein Tennisball erholt und neue Höchststände erreicht, während Pfizer (orange) sich als Ei entpuppt.
Novo Nordisk, Pfizer und S&P 500 im Herbst 2022 Pullback
Novo Nordisk, Pfizer & S&P 500 seit dem Rückschlag vom Herbst 2022
Einfach halten
Was für die Kursentwicklung gilt – der «Good Chart» – gilt auch für die Fundamentaldaten – die «Good Story».
Wie können Sie sich als Anleger am besten darauf vorbereiten, die unvermeidlichen scharfen Korrekturen und Bärenmärkte in Ihrem Leben zu überstehen? Stellen Sie sicher, dass Sie Tennisbälle (Aktien von qualitativ hochwertigen Unternehmen) in Ihrem Portfolio haben und keine Eier (minderwertige Aktien), die nach dem Aufprall auf den Boden platzen werden.
Bei einer allgemeinen Börsenkorrektur werden beide fallen. Aber hohe Qualität erholt sich irgendwann, minderwertige Qualität nicht.
Anstatt sich auf Ihre Gewinner zu konzentrieren, müssen Sie Ihre Verlierer, die Eier, aus Ihrem Portfolio entfernen. Oder wie Peter Lynch es ausdrückte: Die Gewinner zu verkaufen und die Verlierer zu halten ist, als würde man die Blumen schneiden und das Unkraut giessen. Das ist das Lieblingszitat von Warren Buffett, das er sogar in seinem Jahresbrief 1988 hervorhob. Wie gesagt: Reduzieren Sie Ihre Verluste (Eier) schnell und lassen Sie die Gewinner (Tennisbälle) laufen.
Sie sehen, es spielt keine Rolle, ob Sie sich auf die Fundamentaldaten oder die technischen Daten einer Aktie konzentrieren. Es ist ganz einfach. Sie wollen auf beiden Seiten der Gleichung mit Tennisbällen spielen. Bei Chartmustern ist es nur etwas leichter, ihnen zu folgen.
Letztlich ist die Einfachheit die höchste Stufe der Vollendung.
Und wir müssen nur zwei Dinge wissen:
Tennisbälle springen.
Eier nicht.
Thierry Borgeat