Nairobi ist eine Metropole mit Hunderten von Gemeinschaften. Doch sie sind oft durch Mauern und andere Grenzen getrennt. Nicht so im Jaffery Sports Club. – Die neue Sommerserie «Streifzug durch…» präsentiert einzigartige Viertel in faszinierenden Städten und vermittelt Insider-Tipps für Entdecker.
«Nairobi ist wie New York vor hundert Jahren», sagte neulich einer der etwas älteren und beleibteren Männer im Fitnessstudio des Jaffery Sports Club – einem Ort, an dem man auch Gehör findet, wenn man etwas älter und beleibter ist. «Wir haben Kriminalität, Armut, der Verkehr ist chaotisch, es wird gebaut wie verrückt. Aber gib uns ein paar Jahrzehnte, und wir sind auf einer Stufe mit New York.»
Auf den Bänken und unter den Hanteln ächzte es, vielleicht als Zustimmung. Auf jeden Fall war die Analyse nicht schlecht. Und vielleicht war sie auch nicht zufällig hier zu hören, im Jaffery Sports Club, einem Ort, an dem sich Nairobi wie kaum anderswo vermischt. Draussen, in den Strassen, wären die Worte im Baulärm und Verkehrsgetöse untergegangen.
Nairobi ist eine Metropole mit vielleicht fünf Millionen Einwohnern, niemand weiss es genau, die Stadt wächst zu schnell. Sie besteht aus Hunderten von Gemeinschaften: Kenyaner, indischstämmige Kenyanerinnen, weisse Kenyaner, Europäerinnen, Somalier, Afrikanerinnen aus allen möglichen Ländern, eine Stadt von sehr Reichen und sehr Armen, von Migranten, Expats und solchen, die die Stadt nie verlassen haben. Doch meist leben die Gruppen getrennt: die Reichen hinter hohen Mauern, an deren Toren Wächter Autos und Menschen inspizieren. Die Armen in Slums, deren Grenzen oft noch den Linien entsprechen, die britische Kolonialisten einst gezogen hatten, um die Stadt in weisse und in afrikanische Viertel zu teilen.
Das Jafferys ist anders. Die Wächter am Tor kontrollieren selten, der Eintritt ist frei. Um einen pedantisch gestutzten Cricketrasen zieht sich eine 440-Meter-Bahn aus Hartgummi, und auf dieser bewegt sich Nairobi. Verschleierte Somalierinnen, Kenyaner in hautenger Sportkleidung, europäische Expat-Mütter, amerikanische Expat-Väter, indische Senioren, chinesische Kleinkinder. Die Jüngsten werden in Kinderwagen geschoben. Der Älteste ist vielleicht der ehemalige Generalstabschef der kenyanischen Armee. Er ist bald neunzig – und täglich hier. Man kann hier Leute spazieren und rennen sehen, defilieren, schlendern, stolzieren, spurten und hinken. Die Stile sind so vielfältig wie die Gesichter.
Um die Bahn verteilt: ein Klubhaus, eine Moschee, zwei Restaurants, ein Spielplatz, zwei Felder für die Tennisabwandlung Padel, eine mobile Bibliothek, ein Fitnessstudio.
Das Jafferys wirkt so friedlich, wie wenn es aus Zeit und Raum gefallen wäre. Als ob der Wahnsinn der Stadt darum herum abgeblockt würde. Man könnte es eine Oase nennen. Nur liegt es nicht in der Wüste. Vielleicht ist es eher das Auge des Sturms.
Gebaut hat die Anlage in den 1990er Jahren eine Gemeinschaft schiitischer Muslime, die einst aus Indien eingewandert waren. Zuvor waren sie während zweier Jahrzehnte durch die Stadt gezogen, ohne festen Ort, um sich in der Freizeit zu treffen, Cricket und Volleyball zu spielen. Der Boden, den sie erwarben, war günstig, er lag damals ausserhalb der Stadt.
«Nairobi ist eine der besten Städte der Welt, aber auch ein schwieriger Ort zum Leben», sagt Mukhtar Assaria, der Sekretär dieses Klubs ohne zahlende Mitglieder, in seinem kleinen Büro neben der Bahn. Assarias Urgrossvater war Ende des 19. Jahrhunderts aus Indien nach Ostafrika gekommen, um sich als Händler zu versuchen. Er war wie andere Einwanderer nicht immer willkommen. «Bei uns», sagt Mukhtar Assaria, «sollen sich die Leute fühlen, als ob ihnen der Ort gehörte.»
Im Jafferys ist das soziale Gefüge nicht komplett aufgehoben. Viele Besucher sind so wohlhabend wie das Quartier, das um den Klub gewachsen ist. Manchmal landet ein Helikopter auf dem Rasen und holt den Mehrheitsführer des kenyanischen Parlaments ab. Der Fitnessinstruktor hingegen kommt zu Fuss aus dem nächsten Armenviertel.
Und doch mischt sich hier Nairobi. Zum Beispiel im Fitnessstudio, wo die älteren Männer am lautesten ächzen und besserwissern. Zum Beispiel darüber, wie übergriffig die neuste Steuererhöhung der Regierung sei, deren Vertreter auf der Bahn draussen Runden drehen. Die Sätze beginnen oft mit: «Das Problem in Kenya ist . . .»
Damit das Miteinander Bestand hat, gibt es ein paar Regeln: kein Alkohol, keine Haustiere, keine Musikboxen. Und die wichtigste: Auf der Bahn gehen alle im Gegenuhrzeigersinn. Ausnahmslos, ob Parlamentarier oder Slumbewohner. Mukhtar Assaria, der Sekretär, sagt: «Ist das nicht das Gesetz der Natur? So dreht sich die Erde um die Sonne. Die Erde um ihre eigene Achse.»
Alle halten sich daran, obwohl hier manche Naturgesetze nicht gelten. Nur die Briten mit ihrem Linksverkehr, sagen sie im Jafferys, hätten geglaubt, sich über die Bewegungsgesetze hinwegsetzen zu können. Die Briten, die Nairobi einst getrennt, die Grenzen und Mauern gezogen, und die Klubs gegründet haben, die keine Kenyaner aufnahmen. So gesehen ist das Jafferys auch ein Stück Dekolonisation. Aber eine, die auch die Briten und ihre Nachfahren willkommen heisst.
Insider-Tipps
Essen: Im «Golden Spoon» neben der Laufbahn gibt es indische Grillspezialitäten. Tipp: Mutton Kebab.
Trinken: Fünf Minuten zu Fuss entfernt vom Jaffery Sports Club liegt das «Pallet Café» in einem üppigen Garten. Und noch einmal fünf Minuten weiter gibt es im «Crafty Chameleon» vor Ort gebrautes Bier.
Schlafen: Im «Social House Nairobi» gibt es eine Kaffeerösterei, peruanische Küche, Live-Musik und Zimmer für rund 100 Franken pro Person und Nacht. https://thesocialhouse.ke
Hingehen: Die Circle Art Gallery zeigt Werke von aufstrebenden und etablierten Künstlern aus Ostafrika. Unseen Nairobi zeigt (meist afrikanische) Arthouse-Filme und hat eine Dachterrasse, vor der nachts die Skyline Nairobis glitzert.
Machen: Spazieren oder Joggen auf der Bahn im Jaffery Sports Club. Oder sich auf die Bänke daneben setzen und die Leute beobachten.
Vermeiden: Auf der Laufbahn im Uhrzeigersinn gehen.