Die Preise für Edelmetalle verspüren erneut Auftrieb. Die Margen von Minenkonzernen weiten sich dadurch aus, was sich in steigenden Kursen und höheren Ausschüttungen reflektieren wird. Wie gross das Potenzial ist, werden die anstehenden Quartalsberichte zeigen.
Es ist eine der grössten Überraschungen im bisherigen Verlauf des Jahres: Der Goldpreis ist am Spotmarkt seit Anfang Januar um 18% avanciert. Für das Edelmetall, das sich sonst eher gemächlich bewegt, ist das ein eindrücklicher Sprung.
Mit 2468.84 $ pro Unze hat die Notierung diese Woche ein Rekordhoch markiert. In Franken und Euro resultiert eine Performance von rund 24% bzw. 20%.
Auftrieb verspürt auch der Preis für Silber. Der «kleine Bruder» von Gold, der einen volatileren Charakter hat, verbucht seit Anfang Jahr einen Kursgewinn von 26%.
Wie oft an den Finanzmärkten ist es schwierig zu sagen, welche Faktoren für diese Kursbewegungen verantwortlich sind. Gut denkbar ist, dass die steigende Wahrscheinlichkeit baldiger Zinssenkungen in den USA die Preise von Edelmetallen positiv beeinflusst. Eine Rolle spielen möglicherweise ebenso Spekulationen, dass es bei einer zweiten Präsidentschaft von Donald Trump zu einer Abwertung des Dollars und steigenden geopolitischen Risiken kommen könnte.
«Die Korrelation zwischen Gold, Realzinsen und dem Dollar ist nicht «gebrochen», wie manche Marktteilnehmer glauben», heisst es im Ausblick des World Gold Council per Mitte Jahr. Gemeint ist damit die überraschende Entwicklung, dass der Goldpreis gestiegen ist, obschon die Zinsen in den USA und der Dollar bis Anfang Mai fester tendiert hatten. Historisch steht Gold in einem solchen Umfeld normalerweise unter Druck.
«Tatsächlich hat diese Konstellation vermutlich verhindert, dass der Goldpreis nicht noch weiter gestiegen ist», argumentieren die Marktbeobachter des Branchenverbands. Im Prinzip sei es einfach so, dass andere, dominantere Faktoren den höheren Zinsen und dem festen Dollar entgegengewirkt hätten.
Zentralbanken sorgen für stetige Nachfrage
Die starke Performance lässt sich deshalb möglicherweise anhand fundamentaler Faktoren erklären. Dazu zählen allen voran die kontinuierlichen Goldkäufe der Zentralbanken. Vor allem in östlichen Schwellenländern werden Reserven aufgebaut. Aktuelle Daten bis Ende Mai zeigen, dass in den ersten fünf Monaten des Jahres die Türkei, China und Indien zu den grössten Käufern gezählt haben – ein Trend, der sich schon seit einiger Zeit beobachten lässt.
Nachdem sich die Käufe der Zentralbanken in den letzten zwei Jahren jeweils auf ein Rekordvolumen von mehr als 1000 Tonnen belaufen haben, hat sich ihre Aktivität am Markt zwar etwas abgeschwächt. Wichtig ist in dieser Hinsicht aber, dass der höhere Goldpreis die Diversifikation von Reserven verteuert. In Dollar gerechnet kaufen Zentralbanken also weiter in grösserem Stil zu.
Für temporäre Verunsicherung im Markt hatte vor einigen Wochen die Nachricht gesorgt, dass die People’s Bank of China (PBoC) im Mai und Juni offiziell keine Transaktionen mehr getätigt habe. In der Vergangenheit hatte Chinas Zentralbank aber auch schon für eine gewisse Zeit lang keine Goldkäufe mehr ausgewiesen, worauf sich später herausstellte, dass sie den Bestand heimlich erhöht hatte.
Tatsache ist: Chinas Bedarf bleibt gross. Gemäss dem Internationalen Währungsfonds hält die PBoC lediglich 4,9% ihrer Reserven in Gold, wogegen der globale Durchschnitt der Zentralbanken bei 16% liegt.
Gold-ETF verzeichnen Zuflüsse
Klar ist ebenso, dass asiatische Privatinvestoren weiterhin in bedeutendem Umfang in Gold investieren. Beobachten lässt sich dies nicht nur anhand des Kaufs von Münzen und Barren, sondern auch an den Mittelzuflüssen kotierter Goldfonds. Asiatischen Gold-ETF sind gemäss dem World Gold Council im Juni 560 Mio. $ zugeflossen. Das ist der sechzehnte Monat mit Zuflüssen in Folge.
Auch in Europa hat das Interesse von Investoren zuletzt wieder zugenommen, womit Goldfonds weltweit nach einer längeren rückläufigen Entwicklung im Juni zum zweiten Monat in Folge Zuflüsse verzeichnen konnten. Schwach blieb die Nachfrage dagegen bisher in Nordamerika, wo im ersten Halbjahr 4,9 Mrd. $ aus Gold-ETF abgeflossen sind – die grösste Summe in drei Jahren. Aufgrund des höheren Goldpreises sind die bewirtschafteten Mittel nordamerikanischer Goldfonds im ersten Semester allerdings um 7,7% gestiegen.
«Die treibenden Kräfte im Goldmarkt sind die enorme Verschuldung praktisch aller Regierungen, der Bedarf nach einer Diversifizierung der Zentralbankreserven sowie der Vertrauensverlust in Regierungen», erklärt Heinz Isler, Berater institutioneller Investoren in Genf. Hinzu komme das Risiko einer erneuten Inflationswelle in den nächsten Jahren sowie die Gefahr einer deutlichen Abwertung von Währungen, hält der Rohstoffspezialist in einem Bericht an seine Kunden fest.
Mit Blick auf das zweite Halbjahr beginnt für Gold bald eine entscheidende Phase. Saisonal entwickelt sich der Preis in der Periode von August/September bis Februar in der Regel am besten. Das hat damit zu tun, dass die Nachfrage nach Schmuck und Münzen von Käufern aus Ländern wie Indien und China gegen Ende Sommer anzieht.
Minenaktien haben Aufholpotenzial
Die Rahmenbedingungen für Investments erscheinen somit günstig. Die Anzeichen mehren sich, dass sich nun auch die amerikanische Wirtschaft abkühlt. Wenn die Zinsen in den USA weiter sinken und sich der Dollar abschwächt, dürften Edelmetalle weiterhin gut laufen. Entsprechend sollten Aktien von Minengesellschaften überdurchschnittlich profitieren.
Der VanEck Gold Miners ETF (GDX) befindet sich nach einem verhaltenen Start ins Jahr seit Ende Februar im Aufwärtstrend. Gemessen am Stand von Anfang Januar resultiert ein Plus von gut 22%. Praktisch die gleiche Performance verzeichnet der VanEck Junior Gold Miners ETF (GDXJ), der kleinere Minengesellschaften umfasst. Der US-Leitindex S&P 500 notiert rund 16% fester.
Bemerkenswert ist, dass Minenaktien seit Beginn der Rally klar besser abschneiden als der Goldpreis. Tendenziell ist das ein ermutigendes Signal für den Sektor.
Unter den grössten Goldkonzernen haben sich AngloGold Ashanti, Kinross Gold und Agnico Eagle Mines dieses Jahr bisher am besten entwickelt. Bei den kleinen bis mittelgrossen Werten sind Wesdome Gold Mines, New Gold und Alamos Gold gut im Rennen. Gefragt sind auch die Silbertitel Coeur Mining, Pan American Silver und Hecla Mining.
Trotz der erfreulichen Performance besteht für Minenaktien aus einer längerfristigen Perspektive weiterhin reichlich Aufholpotenzial, wenn man die Wertentwicklung von Edelmetallen als Vergleich heranzieht. Über den Zeitraum der vergangenen zehn Jahre hinkt der VanEck Gold Miners ETF dem Goldpreis noch immer weit hinterher.
Der frappante Unterschied in der Performance spiegelt sich in den Bewertungen. Relativ zum Goldpreis handeln alle grossen Minenkonzerne zu einem deutlichen Abschlag. Besonders gross ist die Diskrepanz im historischen Vergleich momentan bei den Branchenleadern Newmont und Barrick Gold. Newmont beispielsweise hat seit 2013 durchschnittlich zu einer Prämie von 3% zum Goldpreis gehandelt, aktuell besteht ein Discount von etwa 18%.
Der nächste Katalysator
Wie es mit Aktien von Goldminenkonzernen in den kommenden Wochen und Monaten weitergeht, hängt primär von einer Frage ab: Werden sich bald auch westliche Investoren – speziell aus dem angelsächsischen Raum – vermehrt im Sektor engagieren?
Während im Fall von Gold globale Faktoren wie die fundamentale Nachfrage aus Asien und dem Nahen Osten den Preis massgeblich mitbestimmen, werden die Kurse von Minenaktien an den Börsen in New York, Toronto und London gestellt. Zu einem Katalysator, der das Interesse verstärkt auf die Branche lenkt, könnten deshalb die anstehenden Unternehmensabschlüsse werden.
Der Fokus wird sich in der Berichtssaison auf die Entwicklung der operativen Margen richten. Durch den Anstieg des Goldpreises sollte sich die Ertragskraft der meisten Unternehmen wesentlich verbessert haben. Dies, obschon ihre Kostenbasis wie in anderen Branchen angesichts von Inflation bei Löhnen, Energie und Equipment in den letzten Jahren zugenommen hat.
Hierzu ein simples Beispiel: Die Cash-Kosten, ein grober Anhaltspunkt für die Ausgaben zum Betrieb einer Mine, dürften sich gemäss Schätzungen von Bank of America für die drei Branchenriesen Newmont, Barrick und Agnico im zweiten Quartal durchschnittlich auf knapp 1030 $ pro Unze belaufen haben. Der durchschnittliche Goldpreis betrug 2338 $, woraus sich eine Gewinnspanne von mehr als 1300 $ je Unze ergibt. Die Vergleichswerte zum ersten Quartal und zum Gesamtjahr 2023 belaufen sich auf eine Marge von rund 1070 $ bzw. 985 $.
Die Cash-Kosten sind nur ein Teil des Aufwands bei der Goldproduktion. Das Beispiel deutet jedoch an, wohin der Trend bei den Margen dieses Jahr geht. Nimmt man Analystenschätzungen zu den nachhaltigen Gesamtkosten (All-in Sustaining Costs, AISC), die über die Lebenszeit einer Mine anfallen, und einen Goldpreis von 2300 $ als Basis, steigt die Marge von Newmont dieses Jahr um 75% auf über 800 $ pro geförderter Unze. Im Fall von Barrick und Agnico nimmt sie jeweils rund 60% zu.
Cash ist King
«Folglich werden Anleger genau darauf achten, welche Minenunternehmen in der Lage sind, die Kosten unter Kontrolle zu halten und – was noch wichtiger ist – die Kapitalerträge für Aktionäre massgeblich zu steigern», denken die Analysten des kanadischen Brokers BMO. «Die Kosteninflation und die angespannte Lage auf dem Markt für qualifizierte Arbeitskräfte wirken sich nach wie vor auf die Betriebskosten aus, scheinen sich aber abgeschwächt zu haben», halten sie fest.
Den Auftakt zur Berichtssaison macht Newmont nächsten Mittwoch (25. Juli). Ende Monat folgen mit Agnico, Kinross und Alamos weitere prominente Vertreter der Branche. Pan American Silver ist am 7. August an der Reihe. Barrick präsentiert den vollständigen Abschluss am 12. August. Die Vorabzahlen des Konzerns haben diese Woche leicht enttäuscht. Die Gesamtkosten sind im Vergleich zum ersten Quartal um 1 bis 3% gestiegen, sollen sich aber im zweiten Halbjahr mit dem Hochfahren der Produktion ermässigen.
«Wegen des schlechten Wetters im Winter ist die Gold- und Silberproduktion im ersten Quartal üblicherweise schwach, aber im zweiten Quartal, wenn der Frühling kommt, besser. Das dürfte sich positiv auf die Ergebnisse auswirken», meint Branchenbeobachter Fred Hickey. «Der wichtigste Faktor ist jedoch der massive Anstieg der durchschnittlich realisierten Preise im zweiten Quartal gegenüber dem ersten.»
Interessant wird deshalb vor allem auch, was die Unternehmen zur Ausschüttungspolitik sagen. Die Verschuldung ist in den meisten Fällen gering, was angesichts des robusten Cashflows Spielraum für Dividendenerhöhungen und Rückkäufe von Aktien ermöglichen sollte. Bei Agnico etwa erwarten Analysten, dass der freie Mittelfluss pro Aktie 2024 auf gut 3.60 $ zunimmt, nach 1.90 $ im Vorjahr. Signifikante Zuwächse werden ebenso für Newmont und Barrick erwartet.
Die Aussichten für Goldminenaktien sind damit intakt. Temporäre Schwächephasen bieten eine gute Gelegenheit, Positionen zu eröffnen oder auszubauen. Zu den Favoriten von The Market zählen Newmont, Agnico Eagle Mines und Pan American Silver. Wer sich im Sektor engagiert, muss allerdings mit wilden Kursausschlägen umgehen können.