Tipps
Im Hinterhof oder zwischen Häuserfronten eingeklemmt, kann man in Zürich einige schöne Innenhöfe entdecken, die auch kulinarisch überzeugen.
1. «Paneolio»: italienische Klassiker unter der Pergola
Im Zweifelsfall hinter die Fassade schauen, und im Zweifelsfall zweimal Pasta bestellen – so taten wir es beim Besuch des «Paneolio» unweit des Bezirksgebäudes in Zürich. Zum Innenhof gelangt man im Sommer durch eine grüne, dichte Blätterwand. Sofort ist es drinnen um einige Grad kühler und schattiger – ein willkommenes Geschenk, wenn die Sonne auf den Beton knallt. Obwohl sich das Restaurant schon seit fünfzehn Jahren hier befindet und von Daniele Pagliei geführt wird, meint man, in einen regelrechten Geheimtipp gestolpert zu sein.
Über unseren Köpfen zieht sich eine schöne Pergola, die Wände sind mit italienischem Kitsch (Plastikblumen, Bilder von Heiligen und Fischen) dekoriert, und in der handgeschriebenen Menukarte findet man Gutes von Rom bis Sizilien. Als Primi gibt es an diesem Sommertag hausgemachte Spaghetti con Vongole Veraci (34 Franken). Frisch und ein guter Start in den Abend.
Als Secondi wählen wir kein Fleisch (man könnte etwa zum Bistecca Fiorentina oder zum Kalbskotelett greifen), sondern erneut Pasta. Zweierlei, da die Gelüste gross sind: Bucatini Carbonara mit Guanciale, die perfekt al dente und wunderbar cremig sind. Vergessen Sie die in Rahm ertränkte Carbonara, die man in Schweizer Restaurants oft bekommt, bitte sofort! Zusätzlich kommen die Fettuccine all’amatriciana mit Gamberi und Pecorino.
Und wäre das alles nicht schon genug Völlerei, ignorieren wir den lieb gemeinten Hinweis des Kellners «ma è molto grande» und bestellen noch das Brioche Siciliana Gelato e Panna. Als wir dann aus dem lauschigen Pergola-Innenhof, der sich mittlerweile gefüllt hat, hinauskugeln, dunkelt es bereits ein.
Paneolio, Cramerstrasse 8, 8004 Zürich
Text: Jocelyne Iten
2. «Lindenhofkeller»: bayrische Schmankerl und Jasminduft
Wer früh kommt, hat diese Terrasse noch ganz für sich. Vom Lindenhof nur ein paar Schritte entfernt, gibt die Schiefertafel in der Pfalzgasse einen Vorgeschmack darauf, was hier geboten wird: Die Worte «Terrasse offen», ein schäumender Bierhumpen, eine Brezel und Lorbeerzweige. Durch das behagliche, kellerartige Lokal geht es von der Gasse in den quadratischen Innenhof. Hübsch und übersichtlich ist dieser mit den unregelmässig ausgelegten Natursteinplatten und den rund 44 Sitzplätzen an grünen Tischen unter Sonnenschirmen und Lichterketten.
Bei sanftem Jasminduft und Blick auf blühenden Oleander sowie einem bayrischen Wolpertinger – hier ein ausgestopfter Hase mit Geweih – stimmt man sich mit einem erfrischenden Spritz ein: Züriberger-Waldmeister und Verveine, aufgefüllt mit Blanc de Blancs, Eis und Limette (18 Franken). Weinliebhabern empfiehlt sich, die Karte mit rund vierzig verschiedenen Rieslingen zu studieren.
Und das Essen? «Feinbürgerlich» ist das Motto, währschafte Klassiker aus Bayern und der Schweiz – aber auf höchstem Niveau. Nach seiner Laufzeit im Restaurant «Mesa» kann der Chefkoch Sebastian Rösch seine fränkischen Wurzeln im Lindenhofkeller voll ausleben. Gastgeber an seiner Seite ist sein Geschäftspartner und Sommelier Alexander Schmidt. Gäste sind bei ihm und seinem Team in besten Händen.
Die duftenden Laugen-«Brezn» mit süchtig machendem, reichhaltigem «Gerupfter»-Käseaufstrich bestellt man à la carte (14 Franken) oder gleich mit der Brotzeit für zwei Personen (65 Franken). Diese umfasst etliche Schmankerl darunter Weizenbrötchen mit Edelweissbutter, Wurstkäsesalat oder köstlicher, grüner Zebratomaten-Essenz mit Jalapeño. Danach ist man eigentlich schon gut genährt, aber das knusprige Spanferkel mit Dörrbirnenmus und Kartoffelsalat (55 Franken) ist einfach zu verlockend, um es auszulassen.
Ideal zum zarten Fleisch mit Knusperkruste: ein «Herrgöttli» Münchner Augustiner-Bräu aus dem originalen Holzfass. Oder man überspringt eine Hauptspeise und wählt Süsses, etwa Sauerampfersorbet (mit Zuger Kirsche und Zitronenbiskuit), ein duftendes Fenchelglacé oder ein weiterer Klassiker: Zitrus-Sorbet mit Turikum-Vodka und frisch geraspelter Zitronenzeste. Gut gefüllt ist dann nicht nur der Magen, sondern mittlerweile auch der Innenhof. Unter den hübschen Lichterketten lässt man den Tag bei angeregtem Geräuschpegel, einer Zigarette oder einem Digestiv selig ausklingen.
Lindenhofkeller, Pfalzgasse 4, Zürich
Text: Kim Dang
3. «Brasserie Café de Paris»: Moules & Frites und grossartiger Wein
In einem urbanen Umfeld am Helvetiaplatz mitten in Zürich liegt die erst kürzlich wieder eröffnete «Brasserie Café de Paris». Die Plätze im Freien sind nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Der Gast hat das Lokal zu durchqueren und steht dann in einem überschaubaren, gemütlichen Innenhof mit schön gedeckten Tischen. Das Angebot ist, der Name des Restaurants verrät es, französisch angehaucht.
Das Entrecôte Café de Paris mit knusprigen Pommes allumettes ist der Klassiker und eine hervorragende Wahl. Moules & Frites gibt es jeden Samstagabend à discrétion. Weitere schmackhafte Alternativen werden abends und mittags serviert. Grossartige Weinauswahl mit französischen und Schweizer Tropfen: Bekannte Namen und Geheimtipps sind gleichermassen zu finden.
Brasserie Café de Paris, Ankerstrasse 113, 8004 Zürich
Text: Peter Keller
4. «Wirtschaft Neumarkt»: mehr Platz draussen als drinnen
Steht man vor dem prächtigen Gebäude der «Wirtschaft Neumarkt», dessen ältester Teil aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt, erahnt man nicht, welch grosser und üppig begrünter Garten sich in dessen Innenhof versteckt. Es ist eine ruhige Oase inmitten der Altstadt. Mit 240 Sitzplätzen bietet diese sogar noch mehr Platz als der gediegene Innenraum mit 80. Serviert wird hier unter Kastanienbäumen, zwischen Laub und Kletterpflanzen, eine unkomplizierte, aber hochstehende Küche, gutbürgerlich mit einem modernen Twist.
Die «kulinarische Kultur Zürichs» wollen Nenad Mlinarevic und Valentin Diem, die zwei bekannten Zürcher Gastronomen, die den «Neumarkt» Ende 2022 übernommen haben, erlebbar machen. Auf dem Teller übersetzt wird das etwa mit Zunftwurst, Forellen-Knusperli oder grilliertem Blumenkohl, im Fokus stehen regionale oder Schweizer Produkte. Seit Anfang Mai serviert das Altstadt-Lokal einen Tavolata-Brunch mit Schweizer Klassikern wie Sauerteigbrot, hausgemachte Konfitüren, Birchermüesli, Bergkäse und Bündnerfleisch, worauf der zweite Gang mit gefüllter Poulardenbrust oder einem geräucherten Auberginen-Steak mit Bohnenpüree und glasierten Erbsen oder einem Tomatensalat mit Avocado folgen.
Wirtschaft Neumarkt, Neumarkt 5 in Zürich
Text: Sonja Siegenthaler
5. «Charlatan Restodisco»: Flamingos und Vitello Forello
Dass man im Szene-Lokal «Charlatan» an der Lagerstrasse sehr gut die Nächte durchtanzen kann, hat sich schon herumgesprochen. Dafür sorgen die ab Mittwoch täglich wechselnden DJ, ein gut gelauntes Team, eine beachtliche Weinkarte und eine ebenso wild zusammengewürfelte Klientel wie das Interior. Hier trifft Malerabdeckband auf Plüsch, Abgeranztes auf Neues, Politiker auf Influencerin.
Bei so viel Kuriositäten Drinnen kann man leicht vergessen, dass das «Charlatan» auch einen wunderschönen (und grossen!) Innenhof mit Palmen, Flamingos und vielen Sitzmöglichkeiten hat.
Hier ist man geschützt vor dem Halligalli der Langstrasse nebenan und verköstigt sich etwa bei einem Vitello Forello mit gepufften Kapern, einem Melonen-Gazpacho und etwas vom Grill wie King Crab Legs mit Café de Paris, Rinds-Rib-Eye mit Chimichurri oder ein paar Wiedikerli. Aber auch Vegetarierinnen lassen die «Scharlatane» nicht verkümmern und bieten ihnen die Wahl zwischen Gemüselasagne, grillierter Aubergine mit Hummus, Minze und Granatapfel oder Zitronenravioli mit Zucchiniblüten.
Wer danach genug Fleisch gegessen und Sitzfleisch bewiesen hat, geht ab 22 Uhr – wieder drinnen – zum Tanz über.
Charlatan Restodisco, Lagerstrasse 119, 8004 Zürich
Text: Jocelyne Iten
6. «Lou’s»: amerikanisches «comfort food»
Politisch mögen die USA momentan kein Vorbild sein, kulinarisch aber schon. Ganz besonders im «Lou’s» nahe dem Bahnhof Wiedikon. Das 2023 eröffnete Restaurant serviert «comfort food» im amerikanischen Stil: Mac’n’Cheese, Fried Chicken, Pastrami, Grilled Cheese, Buffalo Cauliflower, Smashed Burgers und Ribs. Die Küche und der Ort sind gleichermassen unkompliziert, aber überlegt. Ein (wenn à 35 Franken eher teures) Highlight sind etwa die Reuben Sandwiches mit vegetarischer Pilzfüllung, Käse und Sauerkraut, die man so nirgends sonst bekommt in der Stadt. Ebenso die perfekten, nicht übertrieben gewürzten Pickles, die jedem Gericht beigelegt werden.
Wenn man sich beim Vorbeigehen fragt, warum denn die Terrasse zur Strasse hin im Sommer nicht rappelvoll ist: Es sitzen alle im grünen, kieselsteinigen Innenhof, der auch am Abend – das «Lou’s» hat unter der Woche nur abends und am Wochenende zusätzlich zum Brunch geöffnet – noch etwas Tageswärme gespeichert hat. Zur Abkühlung gibt es eine grosse, selbstverständlich in Englisch geschriebene Getränkekarte mit Cocktails wie Buttermilk-Margaritas oder Cucumber-Gimlets.
Lou’s, Zweierstrasse 106, 8003 Zürich
Text: Jana Schibli
7. «Rémy»: Casual Fine Dining im Quartier
In derselben Gegend wie das «Lou’s» befindet sich das «Rémy». Im ehemaligen «Seebähnli» kochen Simon Müller und sein Team Hochstehendes in lockerem Ambiente. Im Sommer läuft man gerne direkt durch das schwarz gestaltete und deswegen eher dunkle Lokal direkt in den Innenhof.
Während nebenan eine Nachbarin die Wäsche aufhängt, studieren wir die Karte, auf der ein kleines Snack-Angebot (Süsskartoffeln Croquetas, Jahrgangssardinen oder Pommes Meunier mit Mythenspeck) aufgelistet ist.
Im «Rémy »soll man aber eigentlich das Surprise Menu probieren – sofern der ganze Tisch damit einverstanden ist, denn die Gerichte sind zum Teilen. Man wählt zwischen vier bis sechs Gängen, Vegi oder Fleisch und mit oder ohne Wein-Pairing. Serviert werden dann kleine Häppchen, etwa Spinatknödel mit Sbrinz-Espuma an einer Eigelbsauce und Sommertrüffel, ein Lammnierstück mit Jus, Rhabarber Relish und eingelegtem Rettich.
Hört man am Wochenende etwas später am Abend ein paar Beats durch die Luft hallen, dann sind es höchstwahrscheinlich jene von Sihl Records. Der Bruder Andreas Müller führt gleich nebenan einen Vinyl-Store.
Rémy, Kalkbreitestrasse 33, 8003 Zürich
Text: Jocelyne Iten