#ZEITFÜRSKLIMA (02)
Die indonesische Sozialunternehmerin Denica Riadini-Flesch ist Gründerin des klimaneutralen Modelabels SukkhaCitta und neue Trägerin des «Rolex Award for Enterprise». Sie erklärt, weshalb wir uns auf unsere Wurzeln zurückbesinnen sollten, um verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen.
Was haben Sie als Erstes getan, als Sie heute Morgen zur Arbeit gekommen sind?
Denica Riadini-Flesch: Nachdem ich aufgewacht bin, wusste ich, dass ich von morgens bis abends Interviews geben würde, weil gestern die Zeremonie zu Ehren der fünf neuen Laureates des Rolex-Preises für Unternehmungsgeist stattgefunden hat. Normalerweise würde ich aber zuerst meditieren, bevor ich mit der Arbeit beginne.
Was beschäftigt Sie als treibende Kraft von SukkhaCitta zurzeit am meisten?
Die grösste Herausforderung ist sicher die Skalierung unseres Programms für regenerative Landwirtschaft. In Indonesien erleben wir schon jetzt veränderte Wettermuster – die Jahreszeiten sind nicht mehr regulär. Traditionell beginnen wir mit dem Baumwollanbau Anfang Januar. Dieses Jahr ist dies nicht so: Wir warten noch immer auf Regen, denn die Baumwollsorte, die wir pflanzen, ist niederschlagsabhängig. Die Klimaveränderung ist für uns bereits spürbar. Im ländlichen Indonesien wird es immer schwieriger, Ackerbau zu betreiben.
SukkhaCitta bedeutet «Glück» im Sinne von «glücklich sein». Inwiefern hat Ihr Sozialunternehmen lokalen Handwerkerinnen und Bäuerinnen Glück gebracht?
Unser Modell der nachhaltigen Veränderung beginnt damit, sicherzustellen, dass Frauen eine neue Chance im Leben erhalten, ganz gleich, wo sie geboren wurden. Frauen in den ländlichen Gebieten Indonesiens haben keinen Zugang zu Einrichtungen, die ihnen eine selbstgewählte Karriere ermöglichen würden. Damit meine ich nicht nur Schulen, sondern auch Arbeitsorte oder den Kontakt mit Kunden. SukkhaCitta agiert hier als Brücke und verbindet die Handwerkerinnen mit Menschen auf der ganzen Welt. Unser Ziel ist es, diese Frauen auszubilden und zu ermächtigen, die Art und Weise zu verändern, wie Kleidung hergestellt und getragen wird.
Mit welcher Absicht?
Es geht um eine Wahl: Wir als Konsumentinnen und Konsumenten haben die Wahl, die Lebenssituation dieser Frauen zu verbessern und gleichzeitig gemeinsam etwas gegen die Klimaveränderung beizutragen. Den Namen SukkhaCitta habe ich für mein Unternehmen gewählt, weil ich dank meinen Begegnungen mit den ländlichen Handwerkerinnen die wahre Bedeutung von Glück kennengelernt habe: Es ist nicht das, was wir bekommen oder haben. Sondern das, was wir empfinden, wenn wir in der Lage sind, etwas zum Besseren zu verändern und Teil von etwas Grösserem zu sein.
Ihr grosser Einsatz für eine regenerative, soziale Landwirtschaft wurde nun mit dem Rolex-Preis für Unternehmungsgeist gewürdigt. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung?
Von den Auszeichnungen, die ich erhalten habe, ist der «Rolex Award for Enterprise» der bedeutendste. Er nimmt die Stimmen von Frauen wahr, die sonst nicht gehört werden. Jener, die wir auf Indonesisch «Ibu», sprich «Mutter», nennen. Diese Handwerkerinnen stellen in ihren Dörfern Kleider her und zeigen einen Durchhaltewillen, der mich vor acht Jahren inspiriert hat, SukkhaCitta zu gründen. Dass ich nun Teil der globalen «Perpetual Planet Initiative» von Rolex bin, gibt mir das Gefühl, auf meiner Reise zur Veränderung nicht allein zu sein. Stattdessen fühle ich mit dieser grossen, weltweiten Gemeinschaft von Change-Makern verbunden, die sich alle auch zu so einer Reise aufgemacht haben.
Dass ich nun Teil der globalen «Perpetual Planet Initiative» von Rolex bin, gibt mir das Gefühl, auf meiner Reise zur Veränderung nicht allein zu sein.Denica Riadini-Flesch
Bis 2030 wollen Sie 10 000 Menschenleben zum Besseren verändern und 1000 Hektaren Land regenerieren. Wie weit ist dieses Projekt fortgeschritten?
Stand Ende Januar 2024, beeinflusst SukkhaCitta rund 1500 Menschen, und die traditionellen Anbaumethoden haben über 30 Hektaren degradiertes Land regeneriert. Durch die Verwendung von 100 Prozent natürlichen Farben konnten zudem mehr als drei Millionen Liter giftiger Farbstoffe vermieden werden, die sonst in die Gewässer Indonesiens geflossen wären. Die nächste Station unserer Reise ist der Frage gewidmet, wie man Technologie für unsere Initiative einsetzen könnte. Im Moment gehe ich in die Dörfer und bilde die Frauen vor Ort persönlich aus. Der «Rolex Award for Enterprise» wird dabei helfen, unser Lehrprogramm zu digitalisieren. Ausserdem entwickeln wir eine App, die es möglich machen soll, die Zahl unserer Handwerkerinnen zu vergrössern und Frauen in entlegenen Landesteilen in ihren jeweiligen Dialekten zu erreichen.
Weshalb fokussieren Sie gerade auf lokale Handwerkerinnen?
Für diese Frauen ist es in Ländern wie Indonesien aus kulturellen Gründen sehr schwierig, ihre unmittelbare Umgebung zu verlassen. Von ihnen wird erwartet, dass sie sich um ihre Familie kümmern und zu Hause bleiben. Deshalb fokussiere ich auf Frauen, die in Dörfern arbeiten und nicht in Fabriken. Sie sind die am meisten marginalisierten Personen in der globalen Modeindustrie und haben eine Veränderung am nötigsten. Wir setzen den Hebel auch bei Bestehendem an: Deshalb beziehen wir die lokale Kultur, traditionelle Landwirtschaftsmethoden sowie generationenalte Handwerkskunst in unsere Lieferkette ein. Wir erfinden das Rad also nicht neu, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Stattdessen greifen wir auf Wissen und Traditionen zurück, die sich seit Jahrhunderten bewährt haben und eine soziale Lebensweise in Harmonie mit der Natur sicherstellen.
Es ist Ihnen bereits gelungen, mehr als 450 Handwerkerinnen für SukkhaCitta zu rekrutieren. Was beeindruckt Sie an diesen Frauen am meisten?
Sie haben mir gezeigt, was es bedeutet, ein sinnvolles Leben zu leben, und mir mehr über Nachhaltigkeit beigebracht als jedes Lehrbuch. Heute ist Nachhaltigkeit ein Trend, der neu und cool erscheint, doch in Wahrheit haben unsere Vorfahren über Generation hinweg einen Lebensstil aufrechterhalten, der in Einklang mit der Natur stand. Heute sind wir so weit von unseren Wurzeln entfernt, dass der Klimawandel wie ein abstraktes Konzept erscheint. Durch unsere Kleidung sind wir aber mit Missständen wie der Abholzung, der Unterbezahlung von Frauen oder der Umweltverschmutzung verbunden.
Was können Sie dagegen unternehmen?
Die einzige Lösung, die wir dagegen haben, ist, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und auf diese Tatsachen aufmerksam zu machen. Denn nur so können sie Entscheidungen treffen, die sie dazu befähigen, ein sinnvolles Leben zu führen und die Welt zum Besseren zu verändern. Als Teil der «Perpetual Planet Initiative» von Rolex haben wir die Macht, dieses Wissen zu aktivieren, die Geschichten unserer «Ibus» in die Welt hinauszutragen und andere Frauen zu ermutigen, sich auf ihr kulturelles Erbe zu besinnen.
SukkhaCitta
2016 gründete die indonesische Sozialunternehmerin Denica Riadini-Flesch das klimaneutrale Modelabel SukkhaCitta. Das Ziel ist es, die Ausbeutung von Frauen zu beenden und gleichzeitig den Planeten zu schützen. SukkhaCitta (Indonesisch für Glück) arbeitet direkt mit Handwerkerinnen und Bäuerinnen in Dörfern zusammen, ermöglicht ihnen mehr Selbstbestimmung, faire Löhne und fokussiert auf Nachhaltigkeit sowie die Bewahrung lokaler Traditionen. Dies, indem regenerative, traditionelle Anbautechniken angewandt, Pestizide und giftige Farbstoffe vermieden werden. Die Kleidungsstücke werden online und über ausgewählte Geschäfte verkauft, sodass Zwischenhändler wegfallen. Durch die direkte Verbindung zwischen den Handwerkerinnen und Bäuerinnen auf dem Land und den Verbrauchern sowie Konsumenten kann SukkhaCitta existenzsichernde Löhne zahlen – durchschnittlich haben sich diese um 60 Prozent erhöht. Dies kommt nicht nur den Frauen und ihren Familien zugute, sondern auch den Dorfgemeinschaften.
Perpetual Planet Initiative
Mit ihrer Perpetual Planet Initiative hat sich Rolex langfristig verpflichtet, Persönlichkeiten sowie Organisationen in ihrem Bestreben zu fördern, die Umwelt zu schützen und die Wissenschaft zu nutzen, um die heutigen ökologischen Herausforderungen zu verstehen und Lösungen dafür zu finden. Um dieses nachhaltige Engagement in der Deutschschweizer Öffentlichkeit noch sichtbarer zu machen, bündeln das Unternehmen NZZ und die Uhrenmanufaktur Rolex nun ihre Kräfte in der Verlagsserie «Zeit fürs Klima» – sie ist nationalen und internationalen Persönlichkeiten gewidmet, die aktiv zur Erhaltung des Planeten beitragen. In der Westschweiz tut es «Le Temps» der NZZ gleich.
Dieser Inhalt wurde von NZZ Content Creation erstellt. Weitere Infos dazu gibt es hier.







