Die EU will mit dem Gesetz über digitale Dienste gegen Auswüchse bei grossen Online-Portalen vorgehen. Mit der chinesischen Plattform Tiktok traf sie eine Übereinkunft. Der X-Eigentümer Musk und der EU-Kommissar Breton bekämpfen sich derweil persönlich.
Die grossen Tech-Firmen wie X, Meta, Tiktok und Ali Express auf der einen Seite und die EU-Kommissare Margrethe Vestager und Thierry Breton auf der anderen liefern sich gerade einen Titanenkampf. Es geht um Jugendschutz, aber auch um Falschmeldungen und irreführende Informationen, die beispielsweise Strassenunruhen schüren wie in Grossbritannien oder jüngst in Frankreich sowie in Irland.
Dagegen geht die EU seit neuerer Zeit mit ihrem Gesetz über digitale Dienste (DSA) vor – und sie hat in dieser Woche einen ersten Sieg errungen. Tiktok wird die problematische Belohnungsfunktion Lite Rewards endgültig vom EU-Markt nehmen. Das chinesische Portal reagierte damit auf ein Verfahren, das die EU im April gegen es eingeleitet hatte.
Mit Lite Rewards konnten Nutzer Warengutscheine verdienen, wenn sie Videos likten oder Kommentare schrieben. Tiktok wollte die Anwender auf diese Weise offensichtlich noch enger an sich binden; aus Sicht der EU bestand jedoch die Gefahr, dass Jugendliche immer tiefer in die Welt der Smartphone-App eintauchen und sich dort verlieren. Die EU geht davon aus, dass Tiktok nicht willens oder nicht in der Lage ist, das Alter der Nutzer verlässlich zu überprüfen.
Musk lässt sich nicht abschrecken
Den Fall Tiktok kann die EU damit abhaken, weitere Verfahren gegen die Tech-Firmen laufen dagegen weiter. Meta etwa wird von der EU ebenfalls verdächtigt, zu wenig für den Jugendschutz zu tun. Zudem soll das Kontrollsystem gegen die Verbreitung von Desinformation nicht ausreichend sein. Ali Express ist im Visier der Kommission, weil das Unternehmen angeblich Nahrungsmittelzusätze sowie Pharmaprodukte vertreibt, welche die Gesundheit schädigen und für die erst noch Influencer Werbung machen. Im Kurznachrichtendienst X schliesslich sieht die Kommission eine Brutstätte der Desinformation.
Beobachter in Brüssel sagen, es sei kein Zufall, dass die Kommission ausgerechnet mit Tiktok eine Übereinkunft getroffen habe. Chinesische Tech-Unternehmen schreckten vor einem Konflikt mit der EU zurück und seien bereit, sich der DSA zu beugen. Eine Auseinandersetzung mit der Kommission über Jugendschutz ist nicht nur langwierig und schlecht für das Image, sondern kann auch kostspielig enden. Firmen, die gegen das Gesetz verstossen, büsst die EU mit maximal 6 Prozent des Umsatzes.
Der Kurznachrichtendienst X und sein Eigentümer Elon Musk lassen sich davon aber offenbar nicht abschrecken. Anders als die Tiktok-Führung scheint der amerikanische Unternehmer derzeit nicht daran zu denken, klein beizugeben.
Musk lieferte sich mit dem EU-Kommissar Breton gar Wortgefechte – ironischerweise auf X. Man werde sich vor Gericht sehen – oder vielleicht auch nicht, teilte der Kommissar dem amerikanischen Unternehmer mit. Dieser wiederum liess Breton wissen, er freue sich auf die juristische Auseinandersetzung.
Be our guest @elonmusk ⚖️🇪🇺
There has never been — and will never be — any “secret deal”. With anyone.
The DSA provides X (and any large platform) with the possibility to offer commitments to settle a case.
To be extra clear: it’s *YOUR* team who asked the Commission to… https://t.co/8Wo7DXdap0
— Thierry Breton (@ThierryBreton) July 12, 2024
Breton und Musk mögen sich nicht
X war die erste Plattform, die sich die EU im Rahmen der DSA vorgeknöpft hatte. Im Dezember begann sie ein Verfahren gegen den Kurznachrichtendienst. Die Kommission verdächtigt diesen, zu lasch zu sein, wenn Nutzer verbotene Aussagen tätigen oder irreführende Nachrichten verbreiten.
Mitte Juli gelangte die Kommission zu der «vorläufigen» Auffassung, dass X gegen die DSA verstosse. Unter anderem wirft sie dem Unternehmen vor, dass alle Abonnenten automatisch den verifizierten Status erhielten. Nutzer würden diesen verwenden, um andere Anwender zu täuschen, vermutet die Kommission.
Die Auseinandersetzung der EU mit X wird sich hinziehen, wobei sich die Anhänger der Plattform und von Musk wohl weiterhin lautstark zu Wort melden werden.
Breton dürfte bei der Masse der Twitterer dagegen keine grossen Sympathien geniessen. Schliesslich hat er den Ruf eines leicht abgehobenen Geschäftsmannes und Politikers. In guter französischer Tradition ist er Anhänger eines starken Staates und industriepolitischer Interventionen. Das unterscheidet ihn vom sprunghaften Selfmademan Musk, der sich gerne als Rebell mit libertärer Neigung gibt und rechte Ansichten vertritt.
Während sich die beiden Alphatiere Breton und Musk einen Schlagabtausch liefern und sich offensichtlich nicht mögen, bleibt Bretons Kollegin Vestager auffallend sachlich und im Hintergrund.
Dabei steht die dänische Kommissarin, die für Wettbewerbsfragen und Digitales zuständig ist, eigentlich für den Kampf der EU gegen die mächtigen Tech-Firmen. Die DSA wird eines ihrer grossen Vermächtnisse sein. Vestager wird anders als Breton der neuen Kommission, die Ursula von der Leyen in den kommenden Wochen zusammenstellen wird, nicht mehr angehören.
Vestager hat sich nicht nur für den Jugendschutz starkgemacht. Während ihrer zwei fünfjährigen Amtszeiten hat sie sich stets auch für mehr Wettbewerb und die Konsumenteninteressen im Binnenmarkt eingesetzt. Noch ist nicht bekannt, was Vestager künftig machen wird.