Italien macht einen Rückzieher im Wettbewerb um Superreiche und gibt einen ersten Vorgeschmack auf eine schwierige Budget-Runde im Herbst.
Schon zum zweiten Mal überrascht die italienische Regierung die Finanzwelt mit einem sommerlichen Paukenschlag. War es letztes Jahr die Ankündigung einer Zusatzsteuer von 40 Prozent auf Zinsgewinne der Banken, geht es diesmal um die Superreichen. Am Mittwoch hat die Regierung anlässlich der letzten Sitzung vor der Sommerpause die geltende Flat-Tax für besonders wohlhabende Expats von 100 000 auf 200 000 Euro verdoppelt.
Die Pauschalsteuer wird reichen Ausländern oder Italienern gewährt, die sich nach einem mindestens neunjährigen Auslandsaufenthalt für einen Wohnsitz in Italien entscheiden. Mit dem Pauschalbetrag werden alle im Ausland erzielten Einkünfte und Vermögenswerte abgegolten. Derzeit profitieren nach Angaben des «Corriere della Sera» 1186 Personen von dieser Vergünstigung. Sie wurde 2017 nach dem Brexit eingeführt, welcher damals viele in Grossbritannien lebende Europäer zur Rückkehr in ihre Heimat veranlasst hatte.
Nach wie vor viele Anreize
Die Massnahme dürfte kaum auf Widerstand stossen. Politiker von links bis rechts machen den Zuzug reicher Ausländer mitverantwortlich für die starke Erhöhung der Immobilienpreise und der Lebenshaltungskosten in Wirtschaftsmetropolen wie Mailand oder Turin. Das bisherige Regime sei «zu grosszügig» gewesen, begründete Regierungschefin Giorgia Meloni denn auch den Entscheid auf Facebook.
Finanzminister Giancarlo Giorgetti seinerseits versuchte Befürchtungen zu zerstreuen, wonach die Verdoppelung nun zur Abwanderung vieler Superreicher aus Italien führen könnte. Selbst der neue Steuersatz sei immer noch «interessant» für reiche Expats, sagte der Lega-Minister an einer Pressekonferenz in Rom. Doch für Giorgetti sind die Möglichkeiten Italiens, im Wettlauf um Superreiche mitzumachen, limitiert: «Wenn dieser Wettbewerb beginnt, werden Länder wie Italien, das nur über einen sehr begrenzten steuerlichen Spielraum verfügt, unweigerlich verlieren.»
Unterhalb der Schwelle der Superreichen verfügt das Land noch immer über ein ansehnliches Instrumentarium, um Ausländern und ausgewanderten Italienern den Umzug oder die Heimkehr zu versüssen. Wer seinen steuerlichen Wohnsitz nach Italien verlegt, kommt in den Genuss eines starken Steuervorteils: Nur 50 Prozent des Einkommens werden besteuert. Die Begünstigung gilt für diejenigen, die mindestens drei Jahre im Ausland gelebt haben und sich verpflichten, ihren Wohnsitz für mindestens fünf Jahre in Italien beizubehalten.
Damit will Rom etwas gegen den sogenannten «Brain-Drain» tun, den Wegzug qualifizierter Arbeitskräfte – allerdings mit durchzogenem Erfolg bisher. Denn neben den steuerlichen Aspekten zählen gerade für jüngere Hochqualifizierte andere Faktoren: Gute Arbeitsbedingungen, weniger Bürokratie, Aufstiegschancen – Rahmenbedingungen, bei denen Italien oft nicht mithalten kann.
Harte Budgetdebatte
Die Ankündigung vom Mittwoch gibt einen Vorgeschmack auf die grosse Haushaltsdebatte, die Italien nach der Sommerpause erwartet. Bis Ende September muss Finanzminister Giorgetti der EU einen Plan vorlegen, der aufzeigen soll, wie Rom seine Finanzen mittelfristig in den Griff zu kriegen gedenkt. Im letzten Juni hat Brüssel gegen Italien und sechs weitere EU-Mitgliedstaaten ein sogenanntes Defizitverfahren angekündigt. Gemäss Schätzungen dürfte Italien danach Budgetkorrekturen im Rahmen von zehn bis zwölf Milliarden Euro vornehmen müssen.
Dazu kommen rund 20 Milliarden Euro, die die Regierung für bereits beschlossene Massnahmen (darunter zum Beispiel Steuererleichterungen für Geringverdiener oder Investitionen im Gesundheitswesen) aufbringen muss. Alles in allem ist es eine herkulische Aufgabe, welcher sich Giorgetti in den nächsten Wochen und Monaten annehmen muss – dies dazu noch innerhalb einer Regierungskoalition, die dazu neigt, immer wieder neue Ausgaben zu beschliessen.
Immerhin scheint die Regierung die Herausforderung etwas weniger hektisch anzugehen als im letzten Sommer. Die damals gleichsam über Nacht entstandene und mit niemandem abgesprochene Zusatzsteuer für Banken musste Giorgia Meloni weitgehend zurückfahren, nachdem deswegen an der Mailänder Börse die Bankaktien eingebrochen waren.