Ein sorgfältiger Umgang mit historischen Bauten kann auch ökologisch nachhaltig sein. Das zeigt sich an zwei unterschiedlichen Schulhäusern.
Der Denkmalschutz gerät zunehmend unter Druck. Die staatlichen Hüter der historischen Bausubstanz stören manchmal die Kreise bauwilliger Grundeigentümer. Die steigenden Ansprüche an die energetische Sanierung von Gebäuden oder damit verbundene Auflagen erleichtern die Ausgangslage nicht.
Sind Schutzinventare ein Hindernis, um fossile Heizenergie zu vermeiden und Gebäude besser zu isolieren? Gefährden sie also das Ziel, bis Mitte des Jahrhunderts eine ausgeglichene CO2-Bilanz zu erreichen? Die Fragen entzünden sich oft an Baudenkmälern. Diese machen zwar nur einen geringen Prozentsatz des gesamten Gebäudeparks aus, sind aber oft erneuerungsbedürftig.
Der Zürcher Kantonsrat hat gegen den Willen des Regierungsrats im Oktober 2022 eine Motion überwiesen, mit der Abstriche an gesetzlichen Bestimmungen für die Sanierung von Schutzobjekten verlangt werden. Konflikte entstehen oft, wenn der Heimatschutz Beschwerde einlegt. Der private Verband nimmt die Interessen der «alten Steine» wahr, wie sich Martin Killias, Präsident des Schweizer und des Zürcher Heimatschutzes, einmal ausdrückte.
Kulturelle und ökologische Nachhaltigkeit
Die staatliche Denkmalpflege hat dagegen eine vermittelnde Rolle. Sie wahrzunehmen, wird zunehmend schwieriger. Dass die energetische Sanierung von historischen Gebäuden heikle Fragen aufwerfen kann, stellt Roger Strub nicht in Abrede, Klimaschutz sei aber sehr wohl ein Thema. Strub leitet als stellvertretender Denkmalpfleger des Kantons Zürich den Bereich Bauberatung. Zur «Konservierung von architektonischem Kulturgut» hat er dort studiert, wo sich diese Frage wie an kaum einem anderen Ort stellt, in Venedig.
Die Denkmalpflege verwehre sich der ökologischen Nachhaltigkeit keineswegs, sagt Strub im Gespräch mit der NZZ. Auch sie beschäftige sich mit einer endlichen, nicht erneuerbaren Ressource: Ein Schutzobjekt, das kaputtgehe, sei unwiederbringlich verloren. CO2-Neutralität mit dem Ersatz einer fossilen Heizquelle zu erreichen, sei in der Regel gut machbar. Problematisch seien starre technische Vorgaben und Labels, für die gewisse Standards zu erreichen seien.
«Zielsetzung der Denkmalpflege ist es, bei jeder Sanierung eine signifikante Verbesserung der Energieeffizienz zu erreichen, ohne den Denkmalwert wesentlich zu schmälern», sagt Strub. Dem stehe zum Beispiel die einseitige Festlegung eines bestimmten Dämmwerts für die Gebäudeisolation im Weg. Das laufe oft auf eine vorgezogene Interessenabwägung hinaus, die das Gebäude gar nicht berücksichtige, sagt Strub. Dann gehe es nur noch darum, ob der Wert erfüllt werde oder nicht.
Für ihn sollte deshalb die tatsächlich erreichte Verbrauchsreduktion bei der Verteilung von Fördermitteln für energetische Sanierungen stärker honoriert werden, und weniger eine ganz bestimmte Baumassnahme. Auch aus ökonomischen Gründen sei oft zu hinterfragen, ob sich alle Massnahmen, die es für ein bestimmtes Label brauche, wirklich rechneten. Die Untersuchung dieses Grenznutzens werde meist ausgeklammert, sagt Strub.
Das Erreichen eines Labels wie Minergie P lasse sich nun einmal nach aussen besser verkaufen als die schlichte Aussage, die Energieeffizienz habe sich verbessert. Das aber erschwere Lösungen, die dem vorhandenen Bestand angepasst seien, stellt Strub fest. Dadurch gerate die Denkmalpflege rasch ins Abseits.
Nach über 100 Jahren eine Wärmepumpe
Dass dennoch gute Lösungen möglich sind, zeigt sich anhand von zwei denkmalgeschützten Schulhäusern, an deren Sanierung die kantonale Denkmalpflege mitwirkte. Eines thront prominent an einem Abhang über Turbenthal im Tösstal. Die Schutzwürdigkeit des 1915 erbauten Schulhauses Risi ist unbestritten. Der markante Bau samt Turnhalle aus den 1930er Jahren ist das typische Beispiel eines Landschulhauses und umfassend erhaltenswert.
Dennoch erwies sich die Sanierung in diesem Fall als relativ einfach. Die Ölheizung wurde durch eine Grundwasser-Wärmepumpe ersetzt und die Dämmung stark verbessert. Die Innenausstattung ist sorgfältig restauriert. Die alten Radiatoren aber mussten ersetzt werden, um die Heizung wegen der Wärmepumpe mit einer tieferen Vorlauftemperatur betreiben zu können. Labels wurden keine angestrebt, doch der geforderte Energienachweis ist erfüllt.
Die Grenze der Energieeffizienz bildete das mächtige, mit Ziegeln bedeckte Walmdach. Das Anbringen einer Solaranlage wäre hier die Faust aufs Auge gewesen und wurde gar nicht erst erwogen.
Interessant ist das zweite Beispiel, das Sekundarschulhaus Watt in Illnau-Effretikon. Zunächst, weil sein Schutzcharakter weniger offensichtlich ist. Erhaltenswert ist nicht einfach, was schön ist, sondern typisch für die Zeit war. Laut Inventarblatt ist die Anlage aus den 1960er Jahren ein «städtebaulicher Meilenstein zwischen ländlicher Idylle und Verstädterung Effretikons». Der Architekt Manuel Pauli zeigte viel rohen Beton, der später in Verruf geriet und heute wieder mehr Wertschätzung erfährt.
Seit der Eröffnung erlitt das Schulhaus mehrere Auffrischungen mit zweifelhaftem Ergebnis. Die Architekturzeitschrift «Hochparterre» hat diese wechselhafte Geschichte mit sich ändernden Vorlieben für Gestaltung und Farbgebung ausführlich erzählt. Schliesslich erhielt das Schulhaus nach der Jahrhundertwende einen lachsroten Anstrich, der laut «Hochparterre» die «Spannung zwischen den grauen Betonbauten und der grünen Umgebung zerstörte».
Im Gemeinderat von Illnau-Effretikon gab es denn auch einen Vorstoss von bürgerlicher Seite, das Schulhaus Watt sei aus dem Inventar der kantonalen Denkmalschutzobjekte zu entlassen, um eine einfachere und kostengünstigere Erneuerung möglich zu machen. Der Stadtrat liess sich jedoch nicht beirren und hielt an der Sanierung im Bestand fest.
Das Resultat kann sich sehenlassen, hat doch das Schulhaus Watt weitgehend das ursprüngliche Aussehen wieder erhalten. Auch ohne Ersatz der Heizung konnte der Wärmebedarf um die Hälfte reduziert werden. Die Stadt liess mit einer Nachkontrolle die Effekte messen, wie sie vor kurzem bekanntgemacht hat. So ist durch die Erneuerung der Gebäudetechnik der Wärmeverbrauch um 35 Prozent gesunken, weitere 15 Prozent kamen durch eine Betriebsoptimierung samt dem Coaching der Hauswartung dazu.
Der Schutzstatus verhinderte in diesem Fall auch nicht die Installation von drei Photovoltaikanlagen auf dem weitläufigen Flachdach mit einer beträchtlichen Leistung. Neben der energetischen Sanierung mussten im Baudenkmal noch andere zeitgemässe Anforderungen erfüllt werden, wie ausreichende Fluchtmöglichkeiten und hindernisfreie Zugänge zu schaffen.
All das war möglich ohne Vorgaben für Labels. Der Stadtrat von Illnau-Effretikon wollte den Spielraum erhalten und witterte die Gefahr. Das geht aus seiner Antwort auf die Forderung nach Entlassung aus dem Schutzinventar hervor. Dieser Weg nehme nicht nur viel Zeit in Anspruch. Ein möglicher Gerichtsentscheid nach einem Rekurs berge das Risiko einer Unterschutzstellung mit deutlich strengeren Auflagen, schrieb er 2017. Das gefährde das Ziel, im Einvernehmen eine Gesamtlösung zu erarbeiten, und würde Stadt und kantonaler Denkmalpflege die Hände binden.
Weiche Ränder statt fixe Standards
Für Roger Strub ist das Schulhaus Watt ein gutes Beispiel dafür, dass bei Gebäuden aus den 1950er bis 1970er Jahren, die sanierungsbedürftig werden, energetisch viel möglich ist. Eine neuere Entwicklung kommt der Denkmalpflege entgegen: Immer wichtiger wird in einer Gesamtbetrachtung die graue Energie, die in einem Gebäude enthalten ist.
«Kulturelle Nachhaltigkeit, das Bewahren von Zeitzeugen, hat auch eine energetische Dimension», sagt Strub. Das Schulhaus Risi wird seit über 100 Jahren genutzt und musste nie ersetzt werden. Auch durch den Abriss des Schulhauses in Illnau-Effretikon wäre sehr viel graue Energie verlorengegangen. Werfe man diesen Aspekt in die Diskussion ein, stünden Baudenkmäler nicht so schlecht da.
Strub fordert mehr Offenheit und «weiche Ränder», wenn es um die Sanierung von Baudenkmälern geht. Und Klarheit über die Rollen. Neben dem privaten Heimatschutz üben auch noch die unabhängigen Kommissionen für Denkmalschutz eine Wächterfunktion aus.
«Die externen Kommissionen dürfen einen fachlichen Scheuklappenblick haben, und wir müssen ihn kennen und auch selbst beherrschen», sagt Strub. Aber für die Aufgabenerfüllung der Denkmalpflege bilde das in einer Interessenabwägung eine Grundlage neben anderen und sei nur ein Schritt auf dem Weg zu einer Lösung.