Mit seinen neuen Roboterschuhen will On bei Olympia Gold holen. Doch auch im Lifestyle-Bereich hat das Unternehmen grosse Ambitionen.
Ein Roboterarm hält einen Fuss aus Silikon und dreht ihn in rhythmischen Kreisbewegungen immer wieder um die Ferse. Ein anderer Arm sprüht unterdessen dünne weisse Fäden auf den Silikonfuss, ein bisschen wie eine Spinne, die ein Netz spinnt. Immer dichter werden die Fäden, sie wickeln sich um den Fuss herum und bilden ein Gewebe. Schliesslich, nach rund drei Minuten, steht das Produkt: ein weisser Laufschuh, darauf in schwarzer Farbe die Buchstaben O und N.
In den On Labs, einem Showroom, der für den Zeitraum der Olympischen Spiele in der Nähe der Place de la République in Paris eingerichtet wurde, kann man dabei zusehen, wie Roboter das neuste Aushängeschild der Schweizer Schuhfirma herstellen. Der «Lightspray» wird, ebenso wie die gleichnamige Technologie dahinter, von seinen Erfindern als grösste Innovation der Branche seit Jahrzehnten gefeiert.
In den On Labs können Fans der Sportmarke den Robotern beim Arbeiten zusehen.
Ob er das auch einlösen kann, muss sich noch zeigen. Sicher ist: Der Schuh kommt ohne Näherinnen aus, ohne stundenlange Handarbeit, ohne Schnürsenkel und sonstigen «Schnickschnack». Den grössten Teil der Arbeit macht eine Heissklebepistole.
Die Sohle besteht aus sechs Teilen, der Rest des Schuhs nur noch aus einem einzigen – den aufgesprühten Fäden aus geschmolzenem Kunststoff. Das macht die Schuhe so leicht, dass man sie beim Tragen kaum wahrnimmt. Im Preis spiegelt sich diese Sparsamkeit jedoch nicht wider: Stolze 380 Franken soll der Lightspray kosten.
Die Zielgruppe: Spitzensportler
Zielgruppe sind denn auch nicht Herr und Frau Schweizer auf ihrem Sonntagsspaziergang durch die Zürcher Innenstadt. Der Schuh ist für Profi-Athleten wie die Kenyanerin Hellen Obiri konzipiert. Sie gewann damit im April den Boston-Marathon und soll diesen Erfolg nun bei den Olympischen Spielen wiederholen. Im Herbst soll der Schuh aber auch für eine breite Läuferschaft zugänglich werden.
On versucht seit einiger Zeit, das Bünzli-Image loszuwerden, das der Firma vor allem in der Schweiz anhaftet. Nach dem Vorbild von Marken wie Nike und Adidas will On seine Kundschaft vergrössern. Nicht nur Sport-Freaks und Profi-Athleten, sondern auch modebewusste Hipster gehören zur Zielgruppe. Man wolle zur «stärksten globalen Premium-Sportmarke» werden, teilte das Unternehmen Anfang des Jahres mit.
Die Olympischen Spiele bieten On die perfekte Bühne: Wie schon 2021 in Tokio ist die Firma offizieller Ausrüster der Schweizer Sommer-Olympioniken. Darüber hinaus sponsert On fast siebzig Leichtathleten, unter ihnen neben Obiri der Schweizer Läufer Dominic Lokinyomo Lobalu und die deutsche Triathletin Lisa Tertsch.
Swissness für Schweizer Athleten
Die Ausstattung der Schweizer Olympioniken sorgte bereits vor den Spielen für Aufsehen, denn On brach dabei mit einer Tradition: Statt wie sonst ganz in Rot treten die Athleten in diesem Jahr in einem überwiegend weissen Dress auf, der von dezenten Farbklecksen durchzogen wird. Auch für den Verband Swiss Olympic lohnt sich die Zusammenarbeit. Er kann sich in neuer Optik mit einer Schweizer Sportmarke präsentieren, die international für Swissness steht.
Gerade an dieser Swissness gab es in der Heimat in letzter Zeit aber einiges an Kritik. Anfang des Jahres sorgte ein Bericht des Konsumentenmagazins «K-Tipp» für Aufregung, laut dem On den Herstellern in Vietnam deutlich weniger zahlt als Puma oder Nike – von Konsumenten jedoch den höheren Preis verlangt. Wegen der Produktion in Vietnam dürfen On-Schuhe in ihrem Heimatland auch nicht mit einem Schweizerkreuz verkauft werden.
Gerade weil On in seinem Leitbild stets hehre Werte wie Umweltschutz, Menschenrechte und soziale Verantwortung hochhält, waren viele Kunden enttäuscht. An dem Unternehmen zog dies allerdings spurlos vorbei: Das erste Quartal 2024 konnte On mit einem Rekordergebnis abschliessen, der Quartalsumsatz überstieg erstmals mehr als eine halbe Milliarde Franken.
Weniger Bünzli, mehr Fashion
Wachsen kann das Unternehmen vor allem in Asien und in den USA. Letztere gelten als mit Abstand wichtigster Absatzmarkt. Dazu passt die Kooperation mit der Schauspielerin und Mode-Ikone Zendaya, die im Juni dieses Jahres bekanntgegeben wurde. Der Aktienkurs reagierte darauf mit einem Sprung. Mit Zendaya will On endgültig in den oberen Ligen mitspielen und nicht nur die Sport-, sondern auch die Modewelt erobern.
Um die Expansion in der noch jungen Kategorie Bekleidung voranzutreiben, wurde im März eine Tenniskollektion präsentiert. Im Mai lancierte On zuerst eine Kollaboration mit der südkoreanischen Marke Post Archive Faction (PAF), wenige Wochen später folgte die Fortsetzung der Zusammenarbeit mit dem angesagten Luxuslabel Loewe. Davon erhofft man sich einen Image-Transfer.
Hochleistungssport und Mode: Dass die Olympischen Sommerspiele in diesem Jahr ausgerechnet in Paris stattfinden, könnte für On nicht günstiger sein. Hier befindet sich auch die erste je eröffnete On-Boutique, ein Flagship-Store mit einer Fläche von 250 Quadratmetern. Wem das nicht genug ist, der kann die On Labs besuchen, wo noch bis zum Ende der Paralympischen Spiele im September ein Lightspray-Schuh nach dem anderen hergestellt wird. Dazu gibt es kostenlose Getränke und Live-Übertragungen der Wettkämpfe.
Ob sich das Olympia-Engagement langfristig rechnet, muss sich zeigen. Wie die erste Hälfte des bisherigen Jahres gelaufen ist, wird man schon kommende Woche erfahren, denn dann wird On seine Halbjahreszahlen präsentieren. Man kann aber davon ausgehen, dass die bisherige Richtung beibehalten wird: höher, schneller, weiter. Und modischer.