Betrüger fälschen immer wieder die Identität von Prominenten, um ihre Opfer um hohe Geldbeträge zu bringen. Mit künstlicher Intelligenz werden die Betrugsversuche noch schwieriger zu erkennen.
Auf diese Idee muss man erst einmal kommen: Als Lockvogel für einen Liebesbetrug wählen Betrüger ausgerechnet den SP-Präsidenten Cédric Wermuth aus. Sie erstellen auf Facebook mehrere gefälschte Profile des bekannten Politikers und reichern diese mit echten Bildern im falschen Kontext an. Sie hoffen, dass leichtgläubige Userinnen darauf reagieren und mit dem falschen Wermuth in Kontakt treten.
Mit falschen Identitäten und vorgetäuschten Liebesschwüren versuchen sie, ihre Opfer so lange um den Finger zu wickeln, bis diese Geld überweisen. Obwohl jedermann die Kontaktdaten von Wermuth im Internet auffinden kann und den Betrug so aufdecken könnte, geht die Rechnung für die Betrüger zunächst auf: Eine Frau erklärt sich dazu bereit, dem vermeintlichen Wermuth 100 000 Franken zu überweisen.
Nigeria gehört zu den Hotspots für Betrüger
Das berichteten die CH-Media-Zeitungen am Montag. Erst als die betroffene Bank die merkwürdige Transaktion auf ein Konto ohne Wermuths Namen verdächtig vorkommt, fliegt der Schwindel schliesslich auf. Das Betrugsopfer ist ohne finanziellen Schaden davongekommen. Und Wermuth hat inzwischen Anzeige erstattet.
Auch wenn die Vorstellung, dass der SP-Präsident via Facebook Liebesbeziehungen anknüpft und dann um Geld bettelt, ziemlich weltfremd klingt: Liebesbetrug – oder sogenannter Romance-Scam – ist keine Seltenheit. Jedes Jahr zahlen Opfer mehrere Millionen Franken an solche Betrüger. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur SDA unter Kantonspolizeien waren es 2022 über vier Millionen Franken. In einem Fall, den die NZZ recherchierte, bezahlte ein Opfer im Verlauf den Betrügern fast 300 000 Franken.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundes (PKS) verzeichnet für das vergangene Jahr fast 700 Fälle von Romance-Scam. Die Täter lullen ihre Opfer mit Zuneigung und Liebesschwüren so lange ein, bis diese anbeissen, Vertrauen haben und sich vielleicht gar verlieben. In den meisten Fällen sind Frauen die Opfer, doch es gibt auch die umgekehrte Variante.
Nur wenige Fälle werden aufgeklärt – 2023 waren es knapp 18 Prozent. Dies liegt unter anderem daran, dass die meisten Täter aus dem Ausland agieren. So gilt Nigeria als einer der Hotspots: Das Land ist arm, die staatlichen Strukturen sind schwach, die Rechtshilfe funktioniert oft eher schlecht als recht.
Ausserdem ist die Amtssprache in Nigeria Englisch, was die Kommunikation mit europäischen Opfern erleichtert. Woher die Täter im Fake-Wermuth-Fall kommen, ist allerdings unbekannt. Sie müssen aber mit den Verhältnissen in der Schweiz gut vertraut sein. In ihren gefälschten Einträgen auf Social Media erwähnten sie laut den CH-Media-Zeitungen auch politische Entwicklungen.
Dass ein bekannter Politiker als Liebeslockvogel eingesetzt wurde, macht den Fall besonders pikant. Im Kanton Aargau war dies laut Kriminalpolizei sogar der erste solche Fall. Dass mit prominenten Köpfen Vertrauen geweckt werden soll, kommt aber immer wieder vor.
Im Frühjahr wurde bekannt, dass das Finanzdepartement von Karin Keller-Sutter juristisch gegen unbekannte Betrüger vorging, nachdem diese im Namen der Bundesrätin für eine angeblich vom Bund entwickelte Investitionsplattform geworben hatten. Eine klassische Masche: Mit gefälschten Online-Artikeln mit angeblichen Prominenten locken die Täter die Opfer auf dubiose Plattformen, um sie dort abzuzocken.
Besonders beliebt bei den Betrügern sind Moderatorinnen und Moderatoren. Sie flimmern regelmässig über die Bildschirme und gelten bei vielen TV-Zuschauern als vertrauenswürdig. So tauchen seit einiger Zeit gefälschte Artikel über Sandra Boner auf. Über die Moderatorin von SRF Meteo werden schockierende Geschichten verbreitet, die Betrugsopfer zum Anklicken von bestimmten Webseiten animieren sollen.
Experten befürchten, dass mit der zunehmenden Verbreitung von künstlicher Intelligenz (KI) die Zahl solcher Betrugsversuche steigen wird. So beobachtet das Bundesamt für Cybersicherheit eine Zunahme der Verwendung von KI für Phishing- und Betrugsversuche. Dadurch wird es für die anvisierten Opfer immer schwieriger, echte von falschen Nachrichten zu unterscheiden.
Schockanrufe mit falscher Identität
Solche sogenannten Deepfakes machen bereits die Runde. So kursiert seit kurzem ein Video, das angeblich den «Tagesschau»-Moderator Roger Aebli im TV-Studio zeigt. In dem mit KI produzierten und über die sozialen Netzwerke verbreiteten Film empfiehlt der vermeintliche Aebli eine Casino-App. In Deutschland wurde die Schauspielerin Uschi Glas für diese Masche missbraucht, in den USA Tom Hanks. SRF hat inzwischen Strafanzeige gegen die Hersteller des Deepfake-Videos eingereicht.
Doch auch die Identität von Personen aus dem privaten Umfeld potenzieller Opfer kann mithilfe von künstlicher Intelligenz perfekt nachgestellt werden. Solche Stimmen werden laut Bundesamt für Cybersicherheit für Schockanrufe verwendet. Dabei rufe ein angeblicher Polizist an und erkläre, dass der Sohn oder die Tochter in einen Unfall verwickelt sei und man eine Kaution bezahlen müsse.
Als Beweis und Druckmittel wird dann laut dem Bundesamt eine fabrizierte Aufzeichnung abgespielt, in welcher die Person mit einer für das Opfer erkennbaren Stimme dramatisch um Hilfe bittet. Wegen solcher Fälle ist das Strafgesetzbuch kürzlich um eine zusätzliche Bestimmung ergänzt worden. Seit vergangenem September wird zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verurteilt, «wer die Identität einer anderen Person ohne deren Einwilligung verwendet, um dieser zu schaden oder um sich oder einem Dritten einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen».