In der Schweiz tritt am 1. September ein Verbot mehrerer Neophyten-Arten in Kraft. Was bereits im Garten wächst, bleibt von der neuen Regelung unangetastet. Ennet der Grenze löste sie dennoch Ängste aus.
Selten wählt der Bund so klare Worte wie im Kampf gegen die Neophyten: Es gehe um die Gefahr einer «Invasion», einer «Einschleppung» von fremden Pflanzen aus dem Ausland, die «ausgerottet» werden müssten, heisst es in Berichten des Bundesamts für Umwelt zum Thema. Die Worte sind hart, die Wirkung mau.
Der Bund versucht seit mehr als zwanzig Jahren, invasive Pflanzen aus den heimischen Gärten, Wäldern und Wiesen zu verbannen – wenn sie dann fremd sind. Er warnt vor wirtschaftlichen Schäden in Millionenhöhe, die diese Fremdlinge sonst anrichten würden. Von gesundheitlichen Schäden bei Mensch und Tier. Von einer Reduktion der Biodiversität. Das gälte es zu verhindern. Mit allen Mitteln.
Feinde schaffen, wo keine sind
Das Motto: Wer keine natürlichen Feinde hat, dem gebe man künstliche Feinde. Zuerst schwebte dem Bundesrat vor, die gesamte Schweizer Bevölkerung in den Kampf gegen die grünen Eindringlinge einzuberufen. Neu sollte jeder, der in der Schweiz ein Fleckchen Grün besitzt, selbst dafür sorgen, dass dieses frei von Neophyten bleibt. Die Behörden sollten diese bürgerliche Pflicht mit Bussen und amtlichen Rodungsmassnahmen durchsetzen können. Zur Gesetzesänderung kam es jedoch nicht, die Revision scheiterte. Anfang März hat der Bundesrat nun eine sanftere Massnahme verabschiedet, die die Schweizer in ihren Gärten in Ruhe lässt.
Mehrere Pflanzen wie Kirschlorbeer, Schmetterlingsflieder und Blauglockenbaum dürfen in der Schweiz ab dem 1. September nicht mehr importiert, verkauft, verschenkt, vermietet oder getauscht werden. Was bereits im Garten wuchert, darf dort bleiben. Und wer am 31. August noch einen Kirschlorbeer kaufen will, darf den auch ab September noch einpflanzen. Also alles nur halb so schlimm, könnte man meinen. Im Inland regte sich dagegen nur vereinzelt Widerstand. Die Neophyten wuchern derweil munter weiter.
Die Deutschen fürchten um ihre Hecken
In Deutschland hingegen hat das Verbot nach der Verabschiedung Pflanzenfreunde aufgeschreckt, besonders Liebhaber des Kirschlorbeers. «Schweiz verbietet Kirschlorbeer – Vorbild für Deutschland?», titelt die «Berliner Morgenpost» im März. Und auch der Münchner «Merkur» fragt sich, ob solch ein Verbot auch in Deutschland möglich sei.
Die Deutschen fürchten um eine ihrer beliebtesten Heckenpflanzen. Der Kirschlorbeer schützt zuverlässig vor ungeliebten Blicken der Nachbarn und Passanten. Die Pflanze ist blickdicht, pflegeleicht, reagiert weder auf Temperaturen noch auf Trockenheit besonders empfindlich, wächst mehrere Meter hoch. Ideal also, um seinen Garten von der Aussenwelt abzuschotten. Dass die Heckenpflanze giftig ist, für nistende Vögel ungeeignet und Insekten keine Nahrung liefert, ist nebensächlich. Der Kirschlorbeer wurde 2013 zur deutschen «Giftpflanze des Jahres» ernannt. Hauptsache, ausgezeichnet.
Aber droht dem Kirschlorbeer in Deutschland ein ähnliches Schicksal wie in der Schweiz? Die «Berliner Morgenpost» und der «Merkur» haben zur Sicherheit beim Bundesumweltministerium nachgefragt und können Entwarnung geben. In Deutschland drohe auf die Schnelle kein Verbot. Deutschland müsse sich an die EU-Gesetze zur Bekämpfung von invasiven Arten halten, teilte das Ministerium mit. Und da gelte der Kirschlorbeer zwar als potenziell invasiv, jedoch stehe er nicht auf der Verbotsliste. Es hat also auch Vorteile, EU-Mitglied zu sein.
Die «Süddeutsche Zeitung» («SZ») mokiert sich derweil über das rigide Vorgehen, mit dem die Schweiz gegen die Neophyten kämpft. Die Schweiz wolle nach der Diskussion ums Minarettverbot «mal wieder artenrein werden», schreibt der «SZ»-Redaktor und zieht gleich einen Vergleich mit dem Umgang mit Ausländern. Mais und Kartoffeln seien auch als Fremdlinge nach Europa gekommen, müssten sich vor der Aktion des Bundes aber kaum fürchten. «Auch im Gärtnerischen gibt es wie im Politischen die gute alte Migration – und den bösen neuen Zuzug.»