Die Zinskurve in den USA beginnt sich zu normalisieren. In der Vergangenheit kündigte dieser Trend in der Regel einen baldigen Konjunkturabschwung an. Mit diesen Anlagen können sich Investoren wappnen.
Lange hat sich wenig getan, doch jetzt kommen die Dinge in Bewegung. Am amerikanischen Bondmarkt kehrt ein wichtiger Teil der Zinskurve in den Normalzustand zurück. Das hört sich zunächst erfreulich an, gilt aber als zuverlässiger Vorbote gravierender Probleme.
Das Warnsignal bezieht sich auf die Renditedifferenz zwischen zehnjährigen und zweijährigen US-Staatsanleihen. Der sogenannte Spread zwischen diesen beiden Schatzpapieren war seit mehr als zwei Jahren negativ; konkret seit dem 1. April 2022. Bei einem solchen Muster wird von einer invertierten Zinskurve gesprochen. Diese Woche hat sich die Inversion erstmals aufgelöst.
Insgesamt war die Renditedifferenz für 793 Tage negativ. Das ist ein Rekordwert, seit das US-Schatzamt Mitte der Siebzigerjahre mit der monatlichen Emission zweijähriger Treasuries begonnen hat.
Die Zinskurve invertiert sich üblicherweise dann, wenn Investoren auf mittlere bis lange Sicht mit einer Abschwächung von Wachstum und Inflation rechnen. Entsprechend drückt sich diese Erwartung in sinkenden Renditen langlaufender Staatsanleihen aus, wogegen das kurze Ende der Kurve massgeblich von der Zentralbank kontrolliert wird.
Zur Normalisierung kommt es folglich dann, wenn Investoren eine baldige Lockerung der Geldpolitik antizipieren und die Renditen bei kurzfristigen Staatsanleihen schneller sinken als bei langfristigen. Dies, angesichts enttäuschender Konjunkturdaten und der steigenden Gefahr einer Rezession.
Historisch betrachtet, kommt die US-Notenbank bei der Stabilisierung der Wirtschaft durch Zinssenkungen jedoch meist zu spät. Kehrt die Renditedifferenz in den positiven Bereich zurück, ist es deshalb meist nur eine Frage von einigen Monaten, bis die Rezession beginnt. Ein Sachverhalt, den folgende Grafik illustriert.
In der jüngeren Vergangenheit hat eine invertierte Zinskurve stets zu einem Abschwung geführt, wobei die Dauer der Inversion allerdings keine nennenswerte Rolle spielte.
Das Fed tritt in Aktion
Dass sich ein wichtiger Teil der Zinskurve normalisiert, ist deshalb kein gutes Zeichen. Es muss aber auch nicht bedeuten, dass es in den USA zwangsläufig zu einem Konjunkturabschwung kommen wird. Wie unberechenbar die amerikanische Wirtschaft seit der Pandemie ist, hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt.
Dennoch sollten Investoren das Signal nicht einfach ignorieren. Auch andere Segmente der Zinskurve deuten auf Probleme hin. Die Differenz zwischen der Rendite zweijähriger Staatsanleihen und dem effektiven Leitzins beispielsweise beträgt –150 Basispunkte. Das ist die stärkste Inversion seit der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/09.
«Das ist eine klare Nachricht des Bondmarktes an das Federal Reserve, dass es die Sache wieder einmal vermasselt hat», befürchtet der Ökonom und Marktstratege David Rosenberg. Seiner Ansicht nach hinkt die US-Notenbank der Konjunkturentwicklung derzeit genauso weit hinterher wie im unmittelbaren Nachgang der Pandemie, als sie die Gefahr eines Inflationsschubs sträflich unterschätzt hatte.
Einen wichtigen Anhaltspunkt zur Verfassung der amerikanischen Wirtschaft und zum künftigen Verlauf der US-Geldpolitik werden heute Freitag die monatlichen Daten zum Arbeitsmarkt geben. Im Terminhandel wird mit einer Wahrscheinlichkeit von rund 60% gerechnet, dass die US-Notenbank den Leitzins an der kommenden Sitzung vom 18. September um 25 Basispunkte auf 5,25% senkt. Bis nächsten Sommer soll er dann weiter auf 3,25% fallen.
Im Vergleich zum Beginn früherer Zyklen gehen Investoren demnach davon aus, dass die Notenbank die Zinsen dieses Mal erheblich aggressiver senken wird. Der stets lesenswerte Bloomberg-Kommentator John Authers verweist dazu auf folgende Grafik von Société Générale. Demnach erwartete der Konsens beim Beginn der letzten drei Zyklen in den Jahren 2001, 2007 und 2019 lediglich eine Lockerung von jeweils rund 125 Basispunkten.
Bemerkenswert ist jedoch ebenso, dass die Märkte den Umfang der bevorstehenden Zinssenkungen in der jüngeren Vergangenheit oft unterschätzt hatten. Besonders deutlich war das bei der geldpolitischen Lockerung 1990 nach dem Einmarsch von Saddam Hussein in Kuwait der Fall sowie beim Platzen der Internetblase von 2000/01 und der globalen Finanzkrise.
Der Ritt auf dem Bull Steepener
Ob sich das Fed erneut verkalkuliert hat, bleibt vorerst offen. Entscheidend aus einer Investmentperspektive ist, dass sich das Gefüge am amerikanischen Bondmarkt möglicherweise grundlegend verändert. Entsprechend gehen damit unterschiedliche Implikationen für verschiedene Anlageklassen einher.
Der aktuelle Trend, bei dem die Zinskurve steiler wird, weil die kurzfristigen Renditen schneller sinken als die langfristigen, deutet auf einen klassischen Bull Steepener hin. Ähnliche Ansätze waren seit der Inversion in den letzten Jahren zwar bereits mehrfach zu beobachten. Noch nie waren die Anzeichen für eine baldige Normalisierung der Zinskurve aber so deutlich wie heute.
Rezession oder nicht: In einem typischen Bull-Steepener-Szenario neigt der Dollar in der Regel zur Schwäche. Das würde unter anderem für Edelmetalle und Anlagen in aufstrebenden Märkten sprechen. Im Bereich Anleihen entwickeln sich Staatspapiere besser als Unternehmenskredite mit Anlagequalität und Hochzinsanleihen. An den Börsen nehmen Kursschwankungen zu und der Gesamtmarkt verliert an Auftrieb.
Nach Aktiensektoren schlagen sich Unternehmen mit defensiven Stärken aus den Bereichen Basiskonsum, Gesundheit und Versorger gemäss einer Analyse der kanadischen Research-Boutique BCA am besten. Demgegenüber rangieren die Sektoren Energie, zyklischer Konsum und Informationstechnologie am Schluss.