Geldanlage ist einfacher, als viele Menschen denken. Trotzdem halten sich in diesem Bereich viele Mythen hartnäckig. Welche besonders verbreitet sind und weshalb sie falsch sind.
Viele Privatpersonen könnten viel mehr aus ihrem Geld machen. Die einen investieren kaum oder gar nicht an der Börse, weil sie dann aus Sorge um ihr Geld nicht mehr gut schlafen können. Andere überschätzen sich, verfolgen riskante Anlagestrategien oder kaufen überteuerte Finanzprodukte. «Das Geld ist nicht weg, es hat nur jemand anderes» – dieser Spruch ist zwar wahr, aber in einem solchen Fall ein schwacher Trost.
Vielen Sparern fehlt es an Wissen über die Geldanlage. Das sind die zehn grössten Irrtümer, wenn es ums Investieren geht:
Irrtum 1: «Geldanlage ist nur etwas für Wohlhabende»
Viele Menschen gehen davon aus, dass sie selbst nicht genug Geld haben, um dieses an der Börse anzulegen. Andere glauben, dass das Rentensystem für eine ausreichende Altersvorsorge sorgen wird. Weil die Menschen immer länger leben, ist private Vorsorge auch für weniger gut bis mittelmässig Verdienende immer wichtiger, wenn sie ihren Lebensstandard im Alter halten wollen.
Hinzu kommt, dass man heute bereits mit kleinen Beträgen in Anlageprodukte investieren und ein Vermögen aufbauen kann. Hierfür bieten sich beispielsweise Exchange-Traded Funds (ETF) oder Indexfonds an.
Philipp Ochsner, Gründer des Vermögensverwalters Index-Investor, stellt folgende Rechnung auf: Wer zwischen dem 30. und dem 65. Altersjahr monatlich 600 Franken auf die Seite legt und in einen Aktien-Indexfonds investiert, kann mit einem Vermögen von 1 Million Franken rechnen, wenn die Aktienmärkte in diesem Zeitraum eine durchschnittliche Rendite von 7 Prozent erzielen. Über die Säule 3a lasse sich das steuergünstig umsetzen, sagt Ochsner. Laut der Bank Pictet haben Schweizer Aktien im Zeitraum 1926 bis 2023 nach Abzug der Inflation eine jährliche Rendite von durchschnittlich 7,4 Prozent pro Jahr erzielt, bei Schweizer Obligationen waren es 2,1 Prozent.
Irrtum 2: «Wer in Aktien investiert, kann auch ins Kasino gehen»
Die obigen Zahlen zeigen bereits, dass sich mit Aktien und etwas Geduld über die Jahre hinweg ein Vermögen aufbauen lässt. «Aktien sind unternehmerisches Kapital und alles andere als Glücksspiel», sagt der Baarer Vermögensverwalter und Buchautor Pirmin Hotz dazu. «Im Kasino verlieren die Spieler hingegen langfristig Geld, während das Kasino gewinnt.»
Irrtum 3: «Ich kann den Markt schlagen»
Bei der Geldanlage ist es wie beim Autofahren – viele Menschen überschätzen sich und halten sich für besser als den Durchschnitt. Sie gehen davon aus, dass sie besonders gute Aktien finden und so eine bessere Rendite erzielen als der Markt.
In der Realität gelingt das aber nur sehr selten. Ochsner zitiert dazu eine Untersuchung des US-Investmentunternehmens Dimensional Fund Advisors, die dieses Jahr veröffentlicht wurde. Laut der Studie haben nur 18 Prozent der in den USA zugelassenen Aktienfonds die vergangenen zwanzig Jahre überlebt und dabei höhere Renditen als ihr Vergleichsindex erzielt.
«Der Grossteil der spekulativen Strategien mit Stock-Picking und Market-Timing endet also damit, dass Anleger eine schlechtere Performance erzielen als der Vergleichsindex», sagt er. Beim Stock-Picking wählen Anleger Aktien für ihr Depot aus, anstatt ein Anlageprodukt auf einen Börsenindex wie den MSCI World, den S&P 500 oder den SMI zu kaufen. Beim Market-Timing versuchen sie, mittels des Ein- und Ausstiegs an der Börse eine höhere Rendite zu erzielen.
«Die Finanzmärkte sind heute effizienter denn je, denn alle relevanten Informationen gehen in Sekundenbruchteilen um die Welt», sagt Hotz dazu. Einzig mit antizyklischem Investieren in Zeiten mit starken Schwankungen an den Börsen könnten Anleger eine bessere Performance erzielen als der Markt. Dazu brauche es aber viel Disziplin.
Irrtum 4: «Wer Vermögen aufbauen will, muss regelmässig Wertpapiere handeln und aktiv sein an den Finanzmärkten»
Viele Anleger gehen davon aus, dass sie mit ständigen Transaktionen ihre Chancen auf eine gute Rendite erhöhen. Laut Hotz ist das aber genau der falsche Weg. Um langfristig beständige Renditen bei der Geldanlage zu erzielen, braucht es vor allem Geduld. «Ein hektisches Kaufen und Verkaufen kostet vor allem Gebühren und reduziert so die Nettorendite», sagt er. Der alte Börsenspruch «Hin und Her macht Taschen leer» stimmt also immer noch.
Irrtum 5: «Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um zu investieren»
«Bei der Geldanlage ist es praktisch unmöglich, den genau richtigen Zeitpunkt zum Einstieg zu erwischen», sagt Hotz. Es sei aber auch «brandgefährlich», über eine längere Zeit hinweg nicht investiert zu sein. Er habe schon öfters Kunden erlebt, die unbedingt für eine Zeitlang aus Aktien hätten aussteigen und zu günstigeren Kursen wieder hätten einsteigen wollen. Vielen von ihnen sei aber dieses Market-Timing nicht gelungen, und sie hätten viel Performance verloren.
Befinden sich die Börsen auf einem Rekordhoch, scheuen sich viele Anleger einzusteigen. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass das gar nicht so selten der Fall ist, da Aktienkurse langfristig gesehen steigen. Laut dem Fonds-Research-Unternehmen Morningstar sind Rekordhochs an der Börse sogar oftmals gute Hinweise auf weitere Höchststände. Als Beispiel nennt Morningstar hier die Zeit ab März 2013. Damals erreichte der US-Leitindex S&P 500 zum ersten Mal seit 2008 wieder ein Rekordhoch, und danach gab es im Jahr darauf 52 weitere.
Irrtum 6: «Die besten Performer der Vergangenheit werden auch in der Zukunft die besten sein»
Der Blick auf die Renditen der Vergangenheit sagt wenig aus über die Performance von Aktien und Anlageprodukten in der Zukunft. «Die Fonds, die in der Vergangenheit die besten waren, sind danach sogar oft schlechter», sagt Hotz. Viel sinnvoller sei es, eine Anlagestrategie zu definieren, diese stringent zu verfolgen und ihr auch in schwierigen Zeiten an den Finanzmärkten treu zu bleiben. «Performance-Chasing ist einer der Hauptgründe, weshalb Anleger die Marktrenditen verpassen», sagt auch Ochsner.
Irrtum 7: «Diversifikation reduziert die Rendite»
«Lege nicht alle Eier in einen Korb», lautet eine bekannte Börsenregel. Trotzdem gehen viele Anleger davon aus, dass sie bei der Aktienauswahl unbedingt die «richtigen» Titel finden müssen, um erfolgreich zu sein. Eine breite Streuung der Gelder gilt hingegen oft als weniger wichtig. Dabei ist es laut Hotz wissenschaftlich erwiesen, dass die Diversifikation der einzige «free lunch» bei der Geldanlage ist. Schliesslich sinkt das Risiko, wenn man das investierte Geld auf 30 Titel verteilt.
Jüngst hat sich dies im Schweizer Markt sogar bei einer langfristig sehr erfolgreichen Aktie wie Nestlé gezeigt. Das Papier des Nahrungsmittelherstellers hat in letzter Zeit keine gute Performance erzielt. Wer nur diese eine Aktie im Depot hatte, erlitt Verluste.
«Diversifikation erhöht die erwartete Rendite, und gleichzeitig werden durch sie die Wertschwankungen tendenziell reduziert», sagt auch Ochsner. Dies führt dazu, dass grosse Gewinne und grosse Verluste bei diversifizierten Portfolios stark abnehmen. «Wer wenig diversifiziert ist, trägt übermässig hohe Risiken, was zu hohen oder tiefen Renditen führen kann.» Der einzige Weg, die exorbitant guten Performer nicht zu verpassen, sei aber, in alle Aktien zu investieren.
Irrtum 8: «Kosten spielen keine Rolle, wenn man gute Vermögensverwalter hat»
Gerade bei der langfristigen Geldanlage summieren sich die Kosten massiv. Was nach wenig aussieht, reduziert auf lange Frist die Gewinne. «Die Kosten und Gebühren bei der Geldanlage haben einen ganz direkten Einfluss auf die Nettorendite», sagt Hotz. Dies zeige sich vor allem bei exotischen und alternativen Anlagen, die oft besonders teuer sind.
«Wenn es nicht gelingt, den Markt zu schlagen, ist es sinnvoll, möglichst breit diversifiziert und kostengünstig zu investieren», sagt auch Ochsner. Dafür bieten sich Indexfonds und Exchange-Traded Funds an. Laut Ochsner sind aber andere Faktoren genauso wichtig. Bei vielen Anlegern komme es zu einer Intentions-Verhaltens-Lücke – sie nehmen sich etwas vor und scheitern an der Umsetzung. Laut Ochsner entstehen solche Lücken bei Anlegern durch die Jagd nach Rendite, Emotionen wie Gier und Angst sowie durch Strategiewechsel.
Irrtum 9: «Technologietitel sind die besseren Aktien»
Derzeit sind an den Börsen vor allem Technologietitel «en vogue» – schliesslich haben die amerikanischen Big-Tech-Titel in den vergangenen Jahren auch enorme Renditen erzielt. «Neue Technologien sind die Triebfeder für Wirtschaftswachstum», sagt Ochsner. Dennoch seien Firmen, die neue Technologien entwickelten, nicht automatisch die bessere Investition. Wie sich der Unternehmenswert entwickle, habe auch viel mit der Konkurrenzsituation zu tun und damit, ob das Unternehmen eine starke Marke etablieren könne.
In den letzten zwanzig Jahren haben sich Technologietitel sehr gut entwickelt. «Wenn man weiter zurückgeht, ändert sich dieses Bild jedoch», sagt Ochsner. Der Technologieindex Nasdaq Composite erzielte laut seiner Aussage im Zeitraum 1972 bis 2023 in Dollar gerechnet eine durchschnittliche Rendite von 9,8 Prozent pro Jahr – in Franken gerechnet waren es rund 6,6 Prozent. Der Welt-Aktienindex MSCI World hingegen erreichte in diesem Zeitabschnitt 9,7 Prozent pro Jahr (6,5 Prozent in Franken) und der S&P 500 10,8 Prozent (7,5 Prozent in Franken).
«Bei der Geldanlage gibt es immer wieder Modetrends», sagt Hotz. Derzeit sei das Thema künstliche Intelligenz (KI) ein solcher. Nur weil Aktien, die mit diesem Thema in Verbindung gebracht würden, in der Vergangenheit hohe Renditen erzielt hätten, heisse das aber nicht, dass es auch in Zukunft so sein werde.
Irrtum 10: «Ich bin jung und kann später noch investieren»
Viele Jüngere glauben, sie hätten zu wenig Geld, um Vermögensaufbau zu betreiben. Zudem ist die Pensionierung für sie noch weit entfernt. Aufgrund des Zinseszinseffekts hat man bei einem sehr langen Anlagehorizont aber besonders gute Chancen, ein Vermögen aufzubauen – selbst wenn man nur kleinere Beträge investiert.
Hotz empfiehlt folglich, möglichst früh mit der Geldanlage zu beginnen. Auch wer sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen wolle, sei gut beraten, beim Aufbau des dafür nötigen Eigenkapitals auf Aktien zu setzen – zumindest bei einem längeren Anlagehorizont.