«Du gewinnst hier nicht die Million» ist ein Recyclingprodukt aus Raabs früheren Formaten. Es ist alles so wie früher, nur ist halt nicht mehr früher.
Und dann wechseln Stefan Raab und der Kandidat Sören Autoreifen. Beide knien angestrengt vor je einer Hebebühne mit einem Kleinwagen drauf, Raab schnauft und flucht. Und das eine Viertelstunde lang.
Es ist ein Spiel in der ersten Folge der Show «Du gewinnst hier nicht die Million» mit Stefan Raab, die seit Mittwoch beim Streamingdienst RTL+ läuft, wöchentlich wird eine neue Folge aufgeschaltet. Neun Jahre nach seinem letzten Auftritt ist Raab zurück. Es sei «die erste Entertainment-Quiz-Competition-Hybrid-Show der Welt», kündigte er an.
Tatsächlich ist die Show ein Abklatsch von Raabs Erfolgssendungen bei Pro Sieben, «Schlag den Raab» und «TV total», die er bis 2015 moderierte, mit ein paar Sprenkeln «Wer wird Millionär?» von Günther Jauch. Man fühlt sich in die nuller Jahre zurückversetzt. Die laut RTL sagenhaften acht Millionen Zuschauer wollen es offenbar nicht anders. Nostalgie zieht.
Wieder verloren beim Boxen
«Vielen Dank. Da bin ich wieder. So einfach!», sagt Raab, 57 Jahre alt, hellblaues Hemd, locker sitzende Jeans und weisse Sneakers. Auch die Garderobe ist die alte. Die Studioband Heavytones setzt zu «Pa aufs Maul» an, Raab schwingt sich um das Mikro und singt drauflos.
Dann der Wochenrückblick, wobei Raab vor allem über seinen Boxkampf gegen die vielfache Weltmeisterin Regina Halmich spricht, den Auftakt seines Comebacks. Er wäre nicht Stefan Raab, wenn er dann nicht gleich auf ihr herumhacken und sich als Sieger darstellen würde. Obwohl er natürlich, wie schon zwei Mal in den vergangenen Jahrzehnten, verloren hat.
Es läuft eine gute halbe Stunde lang ein rezykliertes «TV total»: Stand-up-Comedy, gespickt mit Clips auf Knopfdruck, die er über sein «Meme-Pad» abspielen lässt und denen der Sound einer alten Velohupe vorangeht. Früher bediente Raab ein «Nippel-Board» mit Knöpfen, nun ist es ein Tablet. «Das ist neu, es muss auch mal technisch ein bisschen weitergehen», sagt Raab. Okay, Boomer.
Raab lacht spöttisch über den «Traumschiff»-Kapitän Florian Silbereisen, den Musiker Peter Maffay («Da weiss man gar nicht, wo hört die Lederjacke auf, wo fängt die Haut an») oder Slapstick-Videos mit telefonierenden Affen. Eingerahmt werden die Einspieler von einem abgerundeten orangen Rechteck, in Anlehnung an ein altes TV-Gerät. Auch das Bühnenbild ist retro: eine Flaniermeile mit roten Backsteinhäusern.
«Wo ist denn der Mittelfinger?»
Raab ist der Alte. Er macht kindische Witze und spielt abgenudelte Videos ein. Etwa das einer singenden Kleinkindererzieherin von 2016: «Wo ist denn der Mittelfinger?» Die teilweise verpixelten Videos müssen auf den 4K-Fernsehgeräten des Publikums skurril anmuten. Einige Witze sind, wie man es von Raab kennt, rücksichtslos. Billig, wie er sich über das gebrochene Deutsch einer Frau lustig macht.
Dann wechselt die Show zu einer Mischung aus «Schlag den Raab» und «Wer wird Millionär?». Die Kandidaten können bis zu eine Million Euro gewinnen, wenn sie die unoriginellen Fragen (Wann sank die «Titanic»? Wer hat wie oft die Formel 1 gewonnen?) richtig beantworten und in den Spielen gegen Raab gewinnen. Demonstrativ herablassend spricht Raab von seinem höher gelegenen Stuhl zu den tief sitzenden Kandidaten.
Zuerst knipsen sich Raab und sein erster Kontrahent mit einem Seitenschneider durch je zehn Maschendrahtzäune. Eine Referenz auf den Maschendrahtzaun-Song, mit dem Raab 1999 die deutschen Single-Charts anführte. Das Wort Maschendrahtzaun wird von einer Frau auf Ostdeutsch ausgesprochen, das ist der müde Witz daran. Die Frau musste wegen des Medientrubels schliesslich umziehen. Raab findet das offensichtlich immer noch lustig. Dann Bürostuhlball – gähn. Und dann noch Reifenwechseln.